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Bonbon
Die im Atlasgebiet bis auf den nördlichen Teil Rheinhessens so gut wie durchgängig vorkommenden Bezeichnungen für den Bonbon sind die Diminutivbildungen Gutschen (dialektal Gutsje u. ä.) und Gutsel. Die Distribution beider Diminutivtypen ist arealspezifisch. Nordwestlich einer Linie Zweibrücken – Frankenthal findet sich das mitteldeutsche chen-Suffix, südöstlich davon das oberdeutsche l-Suffix. Die Wortformen basieren auf dem Simplex Guts ‘Bonbon, Süßigkeit, Naschwerk’, einer Zusammenziehung aus (etwas) Gutes. Dieses ist eine Substantivableitung vom Adjektiv gut (aus germanisch *gōda ‘trefflich, gut’). Guts ist also eine vom Wohlgeschmack der Sache her motivierte Bildung. Das Gutschen-Gebiet reicht linksrheinisch bis etwa zur Mosel, ab dem Hunsrück ist es aber stark von Zuckerstein(chen)-Belegen durchsetzt.
Ein sprachliches Analogon zum autochthonen Gutschen/Gutsel stellt Bonbon dar, das Mitte des 18. Jh. aus dem Frzanzösischen entlehnt wurde. Das gleichbedeutende französisch bonbon resultiert aus einer kindersprachlichen Reduplikation des Adjektivs französisch bon ‘gut’. Dieses ist aus gleichbedeutend lateinisch bonum entlehnt. Bonbon-Belege finden sich vor allem im nördl. Rheinhessen. Das Wort ist aus der Standardsprache übernommen worden. Die gemeldeten Formen stimmen allerdings nicht mit der standarddeutschen Aussprache überein, sie sind vielmehr an den Dialekt phonetisch angepasst und lauten: Bombo, Bombon sowie Bumbum.
Auf den Nordosten Rheinhessens ist Klumpen (dialektal Glumbe u. ä.) einschließlich des Diminutivs Klümpchen (dialektal Glimbche) beschränkt. Das Wort bezeichnet im Dialekt (wie im Standarddeutschen) zunächst eine zusammengeballte, formlose Masse (z. B. einen Butterklumpen) bzw. einen Brocken (z. B. einen Klumpen Blei). Die Übertragung des Ausdrucks Klumpen in der Bedeutung ‘Brocken’ auf die Zuckerware ist durch deren ursprüngliche Form motiviert. Bei der Bonbonherstellung hatte man früher die eingekochte, mit aromatischen Geschmackszusätzen (Kräutern, Früchten usw.) versehene Zuckerlösung zum Auskühlen auf eine glatte Steinplatte gegossen und nach dem Erstarren in Stücke, eben Klumpen zerteilt. Das Wort Klumpen gelangte im 16. Jh. aus dem Niederdeutschen (mittelniederdeutsch klump(e) ‘Klumpen, unförmige Kugel, Haufen’) ins Hochdeutsche. Es geht zurück auf die Wurzel indogermanisch *gel- ‘(sich) ballen, Gerundetes, Kugeliges’.
Zuckerbackens (dialektal Zuggerbaggs) und Zuckerbibbel verweisen mit dem Bestimmungswort auf den Grundstoff von Bonbons. Aber nicht nur in diesen Fällen liegen Bildungen mit Zucker- vor. Vor allem bei den Bezeichnungen für das Weihnachtsgebäck gibt es Komposita, die dieses Erstglied aufweisen, z. B. Zuckerbrot und Zuckerdings (vgl. die Karte 78.). Die Wortgeschichte von Zucker spiegelt den Weg der Zuckerrohrpflanze aus dem alten Indien über Vorderasien ins mittelalterliche Europa wider. Altindisch śárkarā ‘Sandzucker’, eigentlich: ‘Grieß, Geröll, Kies’ wird über persisch šäkär, arabisch sukkar, sizilianisch zuccaru zu italienisch zucchero. Aus Italien gelangen die Sache und das Wort im 13. Jh. nach Deutschland. Als Anfang des 19. Jh. Anbau und Verbreitung von Rübenzucker einsetzen, wird die Bezeichnung auf diesen Sachbereich übertragen.
Der zweite Bestandteil von dialektal Zuggerbaggs stellt wohl eine Kontraktion des Wortes (Ge‑)Backenes (vgl. oben Guts) dar. Das Herstellen der Zuckerlösung durch Einkochen wird als Backen aufgefasst. Das nur für Hatzenbühl (Hz) in der Südpfalz belegte Wort wird dort auch als Bezeichnung für das Weihnachtsgebäck verwendet (vgl. Karte 78. mit weiteren Erläuterungen hierzu). Offensichtlich werden die beiden Arten des Naschwerks in dem Ort sprachlich nicht differenziert.
Zuckerbibbel ist eine mit l-Suffix gebildete Diminutivableitung von Zuckerpuppe, der hochsprachlich Zuckerpüpplein entspricht. Im Dialekt ist p zu b geschwächt und ü zu i entrundet. Puppe ist im 15. Jh. aus vulgärlateinisch puppa, einer Variante von lateinisch pūpa ‘kleines Mädchen, Puppe’ entlehnt worden. Die Wortzusammensetzung mit ‑bibbel lässt sich damit erklären, dass Bonbons früher auch in Puppenform hergestellt wurden.
Literatur- und Ortskürzel-Verzeichnis
Die im Text erwähnte Literatur (Literaturverzeichnis) sowie eine Aufschlüsselung der Ortskürzel (Belegorteverzeichnis) finden Sie unter den entsprechenden Links.
Der obenstehende Inhalt ist entnommen aus Drenda, Georg (2014): Wortatlas für Rheinhessen, Pfalz und Saarpfalz. St. Ingbert.