Weisenau in Rheinhessen

Zur Geschichte der Burg Weisenau

- von Stefan Grathoff. Niederschrift eines am 22.10.2001 in Weisenau gehaltenen Vortrags

In der schriftlichen Überlieferung der Klöster Fulda und Lorsch, der so mancher rheinhessische Orte seine Ersterwähnung verdankt, taucht Weisenau nicht auf. Während so viele Orte seit dem 7. Jahrhundert genannt werden, erfährt man von der Existenz Weisenaus erst im späten 12. Jahrhundert. Dass gleichwohl Menschen seit frühester Zeit in der heutigen Gemarkung gelebt haben, wird eindrucksvoll durch die zahlreichen Bodenfunde und Siedlungsspuren aus vorrömischer, römischer, merowingischer und fränkischer Zeit belegt.
Dass die Schriftquellen zum unmittelbar vor Mainz gelegenen Dorf Weisenau so lange schweigen, ist ein untrüglicher Beleg dafür, dass Weisenau seit der Merowingerzeit, also in der Zeit vom 5. bis 8. Jahrhundert, weitgehend im ungestörten Besitz der Mainzer Kirche war.
Im 10. Jahrhundert stieg neben dem Erzstift Mainz das um 994/995 von Erzbischof Willigis bei der alten St. Viktorkirche in Mainz gegründete Stift zur mitbestimmenden Kraft in Weisenau auf. Denn der Erzbischof stattete seine Neugründung St. Viktor mit bedeutenden Güterschenkungen aus und so kam es, dass auch große Teile der Weisenauer Gemarkung an das St. Viktorstift fielen. Neben dem Erzstift und St. Viktor waren im kleineren Umfang auch andere Stadtmainzer Klöster und Stifte in Weisenau begütert, wie etwa das Heilig-Kreuz Stift Maria in campis, das Kloster Altmünster, die Johanniter und die Kartause.

Die Vogtei Weisenau

Die Kirche benötigte für die Verwaltung des Kirchengutes und besonders die Gerichtsbarkeit, weltliche Beamte. Geistliche sollten sich nicht mit weltlichen Dingen abgeben und nicht das weltliche Schwert führen. So waren ihnen vom Kirchenrecht her militärische Unternehmungen und die Mitwirkung bei Leibes- und Todesstrafen verwehrt. Deshalb übertrugen sie die Rechtsprechung über Schwerverbrechen den Vögten. Das Amt des Vogtes, ursprünglich nur auf Zeit verliehen, wurde schnell in den Vogtfamilien erblich und übertrug sich jeweils vom Vater auf den Sohn oder einen anderen nahen Verwandten.
Das St. Viktorstift besaß zwischen Weisenau und Worms ein großes in sich geschlossenes Immunitätsgebiet, einen besonders geschützten Rechtsbereich, in dem kein auswärtiger Graf dem Kirchenvogt hineinreden durfte. Die Vogtei über das Immunitätsgebiet des St. Viktorstiftes hatten die Grafen von Saarbrücken inne. Erst 1207 gelang es dem Stift, diese Vogtei von den Saarbrückern zurückzukaufen, und das Gebiet vogtfrei zu machen.
Neben dem Immunitätsgebiet des Stiftes St. Viktor bildete sich ein zweiter Sonderbereich innerhalb der Weisenauer Gemarkung heraus. Es war das Gebiet, in dem bald eine Burg entstehen sollte. Und in diesem Bereich hatte Mitte des 12. Jahrhunderts ein gewisser Dudo das Sagen.

Dudo von Weisenau

Dieser Dudo war Mitglied der Familie der Meingote und Beamter des Mainzer Erzbischofs. Ob allerdings der Dudo, der seit Anfang des Jahres 1145 als Bruder des erzbischöflichen Viztums Meingoz bezeugt ist und bereits in herausgehobener Stellung erscheint, der Weisenauer Dudo ist, bleibt unsicher. Im Jahr 1147 erscheint er als Schultheiß (centurio) und mehrfach bezeugt er danach erzbischöfliche Urkunden. Mit Sicherheit wird der Weisenauer Dudo erstmals im Jahr 1162 als Kämmerer Erzbischofs Konrad von Wittelsbach (1. Amtszeit 1160-1165) bezeichnet. Als Kämmerer gehörte er neben Truchsess, Marschall und Mundschenk zu den höchsten Würdenträgern am erzbischöflichen Hof. Dieser Dudo ist bis 1197 in mainzischen Urkunden bezeugt.
In seiner Eigenschaft als Kämmerer war Dudo zwar offiziell als Schatzmeister des Mainzer Hofes und als Kammerherr des Erzbischofs tätig, doch stark in Anspruch nahm ihn diese eher als repräsentatives Ehrenamt einzuordnende Tätigkeit wohl nicht. In seinem Hauptberuf scheint Kämmerer Dudo auch noch Vogt über die erzbischöflichen Güter in Weisenau gewesen zu sein.
Dieser Vogt Dudo errichtete nun in Weisenau eine Burg. Dies wäre an sich nichts nicht ungewöhnliches gewesen, denn viele Vögte bauten in dieser Zeit in ihrem Amtsbereich Privatburgen. Ungewöhnlich aber war, dass Dudo kein Adliger war, kein Graf, kein Edelherr, noch nicht einmal ein Ritter, sondern aus dem niederen Stand der Ministerialen stammte, denen Burgenbesitz qua Geburt eigentlich verwehrt war.

Der Stand der Ministerialen

Die Ministerialen des Mainzer Erzbischofs waren ursprünglich unfreie, persönlich abhängige Eigenleute des Erzbischofs gewesen. Sie wurden im Kriegs- und Hofdienst sowie in der Güterverwaltung eingesetzt. Sie genossen gewisse Privilegien und hoben sich als servientes episcopi, als Dienstleute des Erzbischofs, aus der Masse der übrigen unmittelbar vom Erzbischof abhängigen Leute, der sog. familia, heraus.
Manche Ministerialen erfuhren im Dienst für ihren Herrn einen gesellschaftlichen Aufstieg. Sie schüttelten die ursprüngliche Unfreiheit schnell ab, stiegen in immer bedeutendere Stellungen auf, und erreichten ein gesellschaftliches Ansehen, das sie bald auf die gleiche gesellschaftliche Ebene wie die niederen Adelsschichten hob. Ihre Ämter, ihre Dienstlehen und ihre Privilegien sahen sie als erbliches Recht an, aus einem Berufsstand war nach und nach ein Geburtsstand geworden. Genau diese Entwicklung hat Kämmerer Dudo genommen. Er durfte, anders als gewöhnliche Ministerialen, leben wie er es wünschte, heiraten ohne seinen Herrn um Erlaubnis zu bitten und er war lehnsfähig, d.h. er durfte sich Güter und Rechte von Adligen verleihen lassen und ihnen im Gegenzug bestimmte Dienste leisten, ohne dass der Erzbischof gegen diese Bindung Einspruch erhob.
Die Ministerialen mussten sich in ihrer Lebensführung den Adligen angleichen, um als solche angesehen zu werden. Sie taten, was Aufsteiger auch heute tun würden, sie kauften sich edle und schnelle Rösser, kleideten sich vornehm und bauten sich repräsentative Häuser.
Das Standessymbol des Adels der damaligen Zeit war aber der Besitz einer Burg. Angefangen vom Hochadel, den Königen, Herzögen und Grafen, die teilweise bereits im 9. Jahrhundert Turmburgen (Motten) errichtete, bauten in der Folgezeit auch die anderen Adligen, die Edelherren, Ritter und Edelknechte, repräsentative Herrensitze. Burgen dienten namengebende Familiensitze, als Herrschaftsmittelpunkte, als Mittelpunkt der stets intensiven Land- und Viehwirtschaft und als militärische Stützpunkte, die zur Verteidigung in der Fehde befähigten. Kampf und Fehde war schließlich das Vorrecht des Adels.

Der Bau der Burg Weisenau (1185-1183)

Der Ministeriale Dudo aus der Familie der Meingote errichtete nun in Weisenau eine Burg. Wann Dudo die Burg als Wohnort und Amtssitz erbaute, ist nicht bekannt. Als mögliche Bauzeit kommen die Jahre zwischen 1153 und 1183 in Frage.

Unter Erzbischof Arnold.(1153-1160)
Eine erste Gelegenheit wäre in der Amtszeit des Erzbischof Arnold gewesen. Erzbischof Arnold stammte selbst aus einer Ministerialenfamilie. Er war Stadtkämmerer, Stiftspropst und königlicher Kanzler gewesen, als er 1153 von König Friedrich I. zum Erzbischof in Mainz ernannt wurde. Im Klerus sowie in der Ministerialität erwuchs ihm eine unversöhnliche Opposition. Nach Steuerforderungen für die Rüstungen des Kaisers fiel er am 24. Juni 1160 im Kloster St. Jakob vor der Stadt einem Mordanschlag zum Opfer, an dem die Familie der Meingote aktiv beteiligt war. Hätte Dudo in dieser Zeit eine Burg gebaut, hätte sie das königliche Strafgericht, das über die Meuchelmörder hereinbrach, wohl nicht schadlos überstanden. Erst einige Jahre nach der Bluttat erscheint Dudo wieder in Amt und Würden.

Unter Erzbischof Konrad (1160-1165)
Auch in der 1. Amtszeit des Erzbischofs Konrad von Wittelsbach, also zwischen 1160 und 1165, hätte ein Burgenbau stattfinden können. Dudo war zu dieser Zeit bereits Kämmerer des Erzbischofs.

Unter Erzbischof Christian von Buch (1165-1183)
Aus verschiedenen Gründe bin ich aber überzeugt, dass der Bau erst unter Erzbischof Christian, also zwischen 1165 und 1183 erfolgte. Die Amtszeit Erzbischof Christians kommt als wahrscheinliche Bauzeit um so mehr in Betracht, als Dudo in diesen Jahren Bedingungen vorfand, die es ihm als Ministerialen ermöglichten, innerhalb der Schar der adligen Burgbesitzer, einen Burgenbau zu realisieren.

Günstige politische Lage
Erzbischof Christian von Buch (1165-1183) kümmerte sich wenig um das territoriale Wohlergehen seines Erzstiftes. Im Gegenteil: Christian setzte die Besitztümer rücksichtslos für die Reichspolitik Kaiser Friedrichs I. (1152-1190) ein. Um an Bargeld zu gelangen und seinen Anteil an der Finanzierung der kostspieligen Italienunternehmungen aufbringen zu können, verkaufte und verpfändete er zahlreiche Güter des Erzstiftes. Dudo war mit der Pfandnahme des Dorfes Hechtsheims selbst Nutznießer der erzbischöflichen Güterpolitik. Die Jahre 1165-1183 boten Dudo die beste Gelegenheit, um in Weisenau auf erzstiftischem Grund und Boden tätig zu werden.

Motivation
Dudo war zwar ministerialischer Herkunft, doch seine gesellschaftliche Stellung als erzbischöflicher Kämmerer und Vogt reichten aus, das Manko der nichtadligen Herkunft vergessen zu machen. Da Dudo als kurmainzischer Vogt in Weisenau Amtskollege eines Grafen war, nämlich des Grafen von Saarbrücken, der ja, wie wir eben gehört haben, als Vogt über die Immunitätsgüter des St. Viktorstifts amtierte, wurde die Motivation und das Engagement Dudos, eine Burg zu realisieren und vom adligen Amtskollegen ernst genommen zu werden, gewaltig gesteigert. Erzbischof Christian war selten in Mainz. Ihm dürfte es mehr als recht gewesen sein, wenn sein Kämmerer in seinem Amtsbereich eine Burg errichten ließ und dem verwaisten Erzbischofssitz einen gewissen Schutz bot. Da Kaiser Friedrich I. (1152-1190), wie wir gleichen hören werden, an den Burgbauplänen persönlich beteiligt war, kann man ohne weiteres vermuten, dass die Initiative zum Burgenbau nicht von Dudo selbst, sondern vielmehr vom Erzbischof bzw. dem Kaiser ausging.

Rechtliche Absicherung
Dudo hatte für den Burgenbau die Zustimmung der wichtigen Instanzen. Sowohl der Mainzer Erzbischof als auch der Kaiser haben das Bauvorhaben aktiv unterstützt. Nach der damals geltenden Rechtsvorstellung war die Zustimmung des zuständigen Grafen notwendig, um einen rechtmäßigen Burgenbau innerhalb der Grafschaft zu realisieren. Die Grafenstelle für Weisenau nahm aber der Mainzer Erzbischof ein, die Zustimmung des Königs, für die Befestigung von Städten unumgänglich, verlieh dem Ganzen eine vollkommene Legitimation.

Gesicherte Finanzierung
Dudo war wohl ein vermögender Mann, der sich eine teure Burg leisten konnte. Den Kostenrahmen für den Bau einer mittelalterlichen Burg kann man heute mit dem für die Errichtung einer luxuriösen Villa vergleichen, wobei der Preis damals wie heute natürlich entscheidend von dem betriebenen Aufwand abhing. Das Baugrundstück stellte der Mainzer Erzbischof zur Verfügung; Er wird sich auch - das dürfen wir vermuten - in irgendeiner Weise an der Finanzierung des Projektes beteiligt haben, wenngleich diese Vermutung durch keine Quellen gestützt wird.

Ministerialen lebten üblicherweise nicht in der Stadt, sondern auf dem Land, um dort ihren Herren als Kriegsleute und Verwaltungsbeamte zu dienen. Der Ministeriale Dudo wird als Vogt in einem mehr oder weniger vornehmen Haus im Dorf Weisenau gewohnt haben. Unter den eben geschilderten Voraussetzungen kam er nun auf die Idee, sich räumlich von seinen Mitbewohnern im Dorf zu distanzieren und sich eine repräsentative Bleibe bzw. einen eindrucksvollen Amtssitz zu verschaffen. Obwohl er seine gestiegene gesellschaftliche Stellung nun optisch dokumentieren wollte, baute er die Burg in unmittelbarer Nähe des Dorfes. Das hing weniger von einem geeigneten Bauplatz ab, als dass Dudo die Kontrolle im Dorf behalten, in der Nähe des Rheins und des Leinpfades bleiben und auch sein Reichslehen, die Fähre über den Strom, weiterhin betreiben wollte. Nicht zuletzt konnte er von seinem Amtssitz aus in kürzester Zeit an den erzbischöflichen Hof in Mainz reiten.

Wie Burg Weisenau im 12. Jahrhundert ausgesehen haben mag, lässt sich natürlich nicht sagen. Von einer einfachen Turmburg, einem befestigten Hofgut bis hin zu einem Gebäudekomplex, den man später als typische mittelalterliche Ritterburg bezeichnen wird, ist eigentlich jegliche erdenkliche Bauform vorstellbar. Die Bezeichnungen munitio und castrum, die sich in den zeitgenössischen Urkunden finden, lassen keinerlei Rückschlüsse auf die bauliche Gestalt der Burg zu.
Gleichwohl darf man annehmen, dass die Anlage bereits als Neubau recht ansehnlich gewesen sein muss. Denn wenige Jahre nach dem Bau der Burg, im Jahr 1192, hat Kaiser Heinrich VI. (1169-1197) eine Urkunde auf Burg Weisenau ausgestellt. Das heißt, wenn sich der Rechtsakt auf der Burg vollzogen hat, muss die Burg über eine Repräsentationsraum verfügt haben, der die 16 Edelherren samt ihrem Gefolge, die bei der Beurkundung anwesend waren, aufnehmen konnte. Vielleicht hatte Kaiser Heinrich VI. sogar Quartier auf der Burg genommen. Genauso gut ist es allerdings auch möglich, dass man auf freiem Feld oder auf dem Dorfplatz zusammenkam. Der Ausstellungsvermerk der Urkunde Wizinowe iuxta Maguntiam, Weisenau bei Mainz, lässt keine eindeutigen Aussagen zu.
Ein zweites Indiz für die mutmaßliche Größe der Burg ist die spätere Reaktion der Mainzer Bürgerschaft, denen die Weisenauer Burg ein Dorn im Auge war. Da Burg Weisenau aber erst Mitte des 13. Jahrhunderts, also fast 100 Jahre nach ihrer Gründung, von den Mainzern als nicht hinnehmbare Bedrohung empfunden wurde, kann es auch sein, dass die Burg erst im Laufe der Zeit zu einer mächtigen Feste ausgebaut wurde.

Dudo trägt Weisenau Kaiser Friedrich I. zu Lehen auf

Doch auch zur Zeit des Burgenbaus, also zwischen 1165-1183, wird die Stadt Mainz von der Existenz einer Burg so dicht vor ihren Mauern wenig begeistert gewesen sein. Dudo hatte darüber hinaus die neue Burg Kaiser Friedrich I. geschenkt und diesem einen wichtigen Stützpunkt in unmittelbarer Nähe der Stadt Mainz verschafft. Für Dudo änderte sich mit der Vergabe nichts, denn er bekam die Burg umgehend als Lehen zurück und blieb auf der Burg wohnen. Alle Anzeichen sprechen dafür, dass Dudo mehr oder weniger gezwungen wurde, die Burg dem Kaiser zu Lehen aufzutragen.
Die Mainzer waren wohl umso weniger davon erbaut, im Schatten einer Reichsburg zu leben, weil die Stadtmauern seit 1163 mehr oder weniger zerstört darniederlagen und die Stadt in ihrer Verteidigungsbereitschaft eingeschränkt war. Die Mauern waren bekanntlich von Kaiser Friedrich I. zerstört worden, weil sich die Stadt 1160 an der eben bereits erwähnten Ermordung Erzbischof Arnolds von Selenhofen (1153-1160) beteiligt hatte. Neuere Forschungen weisen allerdings darauf hin, dass die Meldung, die Mauern von Mainz seien zerstört worden, eher symbolisch gemeint war.

Die Wiedergewinnung der Burg Weisenau 1189

Doch die Geschichte Weisenaus als Reichsburg blieb Episode. Die Situation änderte sich, als 1183 der neue Erzbischof Konrad I. von Wittelsbach (1183-1200) den Mainzer Erzbischofsstuhl bestieg. Konrad setzte alles daran, die ruinöse Güterpolitik seines Vorgängers Christians von Buch rückgängig zu machen und die damals veräußerten Güter wieder zurück zu erlangen.
In einem großen Rechenschaftsbericht zählte Konrad I. penibel sämtliche Güter und Einkünfte auf, die der Mainzer Kirche unter seinem Vorgänger abhanden gekommen waren. Wenn man die Güter betrachtet, die Erzbischof Christian im Südosten der Stadt Mainz aufgab, erkennt man, dass die Hauptnutznießer dieser Vergabungen die Herren von Bolanden waren, die wenig später auch in Weisenau eine führende Rolle spielen sollten.
So war etwa ein Wohnturm in Bingen an Werner II. von Bolanden verlehnt worden, Werner II. hatte sich auch in Nieder-Olm, Gau-Algesheim, Eltville und Klein-Winterheim festgesetzt.
Auch die Burg Weisenau war von ihrem Erbauer Dudo dem Kaiser unterstellt und somit dem Mainzer Erzstift entfremdet worden. Konrad gelang es um 1189, Burg Weisenau wieder aus der Verfügungsgewalt des Königs herauszulösen. Er forderte die munitio mit der Begründung zurück, niemals dürfe etwas der Herrschaft der Mainzer Kirche entfremdet werden, indem man es einfach einer außenstehenden Person übergibt.
Die Lehnsauftragung Dudos zugunsten des Kaisers war rechtlich unhaltbar, das Eigentumsrecht der auf mainzischem Boden stehenden Burg unanfechtbar. Deshalb gab der Kaiser auch sofort nach und pochte nicht auf seinem Lehensbesitz. Dudo wurde die Preisgabe der Burg anscheinend nicht zu Last gelegt. Wahrscheinlich erkannte Erzbischof Konrad, dass Dudo die Burg nicht unbedingt freiwillig an Kaiser Friedrich I. Barbarossa ausgeliefert hatte. Jedenfalls gab der Erzbischof der Familie die Burg als mainzisches Erblehen zurück. Es genügte dem Erzbischof, die Lehnshoheit über die Burg zu behalten. Als Erblehen würde die Burg in der Familie Dudos weitergegeben werden, ohne dass das bleibende Eigentumsrecht des Erzbischofs in Frage gestellt wurde. Er glaubte, über die Lehnsbindung eine ausreichendes Mitspracherecht an den Geschicken der Burg zu haben - ein Trugschluß, wie sich bald herausstellen sollte.

König Heinrich VI. auf Burg Weisenau (1192)

Am 24. August 1192 stellte Kaiser Heinrich VI. in Weisenau eine Urkunde aus. Als Ausstellungsort wird Wizinowe iuxta Maguntiam angegeben. Als Ausstellungsort kommt -wie bereits gesagt - eigentlich nur die Burg in Frage. Erzbischof Konrad war als Hausherr bei der Abfassung der Urkunde anwesend. Warum man sich nicht in Mainz traf, ist nicht sicher, aber da Heinrich VI. nie in Mainz eine Urkunde ausstellte, scheint ihm der Zugang zur Stadt verwehrt gewesen zu sein. Wenige Tage später, am 29. August 1192 erscheint Dudo, der bisher immer nur als Dudo oder als Kämmerer Dudo in den Quellen erscheint, in einer Urkunde, die Kaiser Heinrich VI. in Worms ausstellte, zum ersten und einzigen Mal als Dudo de Wizenowe (Mainzer Urkundenbuch (MzUB) 2,II Nr.569).

Burg Weisenau wird bolandisch (1215)

Burg Weisenau war wie gesagt Erblehen der Familie Dudos von Weisenau. Die automatische Weitergabe des Lehens innerhalb ein- und der selben Familie garantierte dem Lehnsherrn eine Kontinuität, die dem Güterbestand der Burg in der Regel zugute kam, dem Lehnsherrn genügend Einfluss auf die Geschicke der Burg beließ, vor allem aber sicherstellte, dass er sich nicht ständig um deren Verwaltung und Ausbau kümmern musste. Auch militärisch war die Lehnsburg neutralisiert, denn der Lehnsmann durfte die Lehnsburg nicht gegen den Erzbischof einsetzen, ohne schwere Schuld mit möglicherweise ruinösen Folgen auf sich zu laden.
Die Erblichkeit der Lehen hatte natürlich auch negative Seiten. Zu denken ist hier an die oft überlieferte schlechte und substanzmindernde Verwaltung und Wirtschaftsführung der Lehnsleute und vor allem die stets drohende schleichende Entfremdung des Besitzes. In Weisenau geriet aber nicht etwa die Lehnsqualität der Burg in Vergessenheit, wie es andernorts schon mal geschah, sondern es kam zu Schwierigkeiten, weil in der Familie des Lehnsmannes kein männlicher Erbe mehr vorhanden war. In solchen Fällen konnten, wenn die weibliche Erbfolge nicht ausdrücklich im Lehnsvertrag ausgeschlossen war, durchaus die hinterbliebenen Ehefrauen und Töchter das Erbe antreten. Genau dies ist in Weisenau passiert. Das meingotische Geschlecht der Herren von Weisenau starb im Jahr 1215 mit Vogt Embricho V. aus.
Embricho hatte nur einen Bruder, Christian, der Propst in St. Viktor war, später auch Dompropst und 1249 als Christain II. Erzbischof in Mainz wurde (1249-1251). Als Geistlicher konnte er das Lehen nicht persönlich antreten. Den Besitz und damit auch die Burg Weisenau erbte somit Guda von Weisenau, wohl die Tochter jenes Embrichos (nach Falck war es die Schwester Dudos). Guda konnte nach damaligem Recht die Lehnsfolge als Frau nicht persönlich antreten. Sie benötigte einen Lehnsträger. Da ihr Ehemann, der mächtige Reichsministeriale Werner II. von Bolanden, bereits 1198 gestorben war, fiel das Lehen an seinen Enkel Werner III. von Bolanden. Auf diese Weise kam die kurmainzische Lehnsburg in die Verfügungsgewalt der Bolander.
Den Bolandern war es seit dem 12. Jahrhundert gelungen, von ihrem Stammsitz am Donnersberg aus, als Reichsdienstmannen zahlreiche Lehen und Eigengüter in und um Mainz zu erwerben. Bald übertrafen sie andere Reichsdienstmannen an Reichtum, Macht und Ansehen. Die nun 1215 von Guda von Weisenau ererbten Rechte an der Burg, zu denen sich noch Ortsherrschaftsrechte in Weisenau und Hechtsheim sowie das ebenfalls von den Herren von Weisenau ererbte Reichslehen „Die Weisenauer Rheinüberfahrt“ gesellten, ergänzten die Machtstellung der Bolanden im Umfeld der Stadt Mainz in ganz bedeutender Weise.
Dem Erzbischof konnte es nur recht sein, einen so mächtigen Mann in seinem Lehnshof zu wissen, die Stadt Mainz dürfte deswegen eher Befürchtungen gehegt haben. Obwohl die Mainzer Stadtmauern um das Jahr 1200 wieder intakt waren, blieben die Mainzer skeptisch. Sie schienen schon zu ahnen, dass es mit dem umtriebigen Geschlecht der Bolander und den anderen beiden Familienzweigen Hohenfels und Falkenstein Schwierigkeiten geben würde.

Die burgenfreie Zone um Mainz 1244

Als sich die Herrschaft der Könige aus dem staufischen Haus dem Ende zuneigte, war das Reich in zwei Parteien, eine staufisch-kaiserliche und eine päpstliche Partei geteilt. Die jeweilige Anhängerschaft zog sich quer durch manche Familie und manches Gemeinwesen. So stand der Hohenfelser Zweig der Familie Bolanden im Endkampf der Staufer auf Seiten Kaisers Friedrich II. in Italien und seines Sohnes Konrad IV. in Deutschland, während die Bolander und Falkensteiner auf der päpstlichen Seite zu finden waren. Erzbischof Siegfried III. von Eppstein (1230-1249) war es gelungen, die bis dahin kaisertreue Stadt Mainz auf die Seite Papst Gregors IX. zu ziehen. Zum Dank für den Frontenwechsel erteilte er der Stadt Mainz ein Privileg. Er sicherte den Mainzern am 13.11.1244 zu, dass im Umkreis von 1 Meile, das sind je nach Bemessungsgrundlage zwischen 3,6 und 9,2 Kilometer, keine Stadt und keine Burg mehr neu errichtet werden würde.

Zerstörung der Burg Weisenau zwischen 1244 und 1250

Doch auch die bestehenden Burgen im Vorfeld der Stadt, und hier besonders die bolandischen Burgen in Weisenau und Ingelheim waren der Stadt ein Dorn im Auge. Als sich das Ende der Staufer endgültig abzeichnete, gingen die Mainzer im Jahr 1250 oder kurz zuvor energisch gegen Burg Weisenau vor. Da der damalige Erzbischof Christian II. (1249-1251) aus der Familie des Dudo von Weisenau, die Kriegsführung des von der päpstlichen Partei aufgestellten Interregnumskönigs Wilhelm von Holland (1248-1256) nicht tatkräftig unterstützte, wandten sich die Mainzer direkt an König Wilhelm, als er gerade in Mainz weilte und den Schutz der Stadt in Anspruch nahm.
Sie überzeugten ihn, Burg Weisenau im Rahmen einer Landfriedensunternehmung zerstören zu lassen. Der Landfrieden war eine Interessengemeinschaft von Städten, Dörfern und Herren, mit dem Ziel, gemeinsam dem Missbrauch des Fehde durch allzu rauf- und raublustige Herren entgegenzutreten und wenn nötig gewaltsam zu beenden. Das Landfriedensheer stand unter dem Befehl des Königs bzw. seines Landfriedenshauptmannes.
Die Landfriedenstruppen zu bemühen war ein geschickter Schachzug der Mainzer. Im Rahmen einer rechtmäßigen Fehde war es zwar erlaubt, Burgen anzugreifen und zu zerstören. Die Besitzverhältnisse auf der zerstörten Burg konnte man dadurch aber nicht antasten. Sie blieben vom militärischen Erfolg unberührt. Der Unterlegene konnte, wenn seine finanziellen Mittel es erlaubten, die Burg wieder aufbauen. Der Sieger durfte die Burg also nach der Eroberung nicht einfach in Besitz nehmen, sondern er musste sie seinem Gegner nach Friedensschluss (Urfehde) wieder zurückgeben.
Bei einer Landfriedensaktion war dies völlig anders. Wurde eine Burg von Landfriedenstruppen - „von Reichs wegen“ wie es in Urkunden hieß - erobert, wurde der Eigentümer durch diesen Akt enteignet. Denn Landfriedenstruppen wurden nur tätig, wenn man sich gegen eine „landschädliche“ Burg bzw. gegen ihren Besitzer als Landfriedensbrecher wenden musste. Die Burg verlor durch die Eroberung ihre Existenzberechtigung, der Burgherr wurde im sich anschließenden Schadenersatzverfahren nicht selten vollständig ruiniert. Der König bestimmte auch allein, was mit der Burg, der Burgstelle und vor allem, was mit den wertvollen Steinen der Ruine geschehen sollte. So geschah es auch in Weisenau.
Am 5. August 1250 bestätigte König Wilhelm den Mainzern gewisse Rechte und verlieh ihnen neue dazu. So verbot Wilhelm die Errichtung von Burgen (burg) oder städtischen Befestigungen (stat) ohne Erlaubnis der Mainzer, und zwar nicht nur in einem Umkreis von einer Meile (= rund 7,5 km), wie dies 1244 Erzbischof Siegfried III. zugesichert hatte, sondern im Umkreis von vier Meilen (= rund 30 km). Dann kam er auf Burg Weisenau zu sprechen. Sie wurde der bolandischen Familie zwar belassen, sollte jedoch jemand eigenmächtig die „zu Ehren des Reiches“ (ob imperii honorem) zerstörte Burg Weisenau  wieder aufbauen wollen, sollten alle Amtleute, Burgleute und Städte des Königs und des Erzbischof dies verhindern. Gegebenenfalls sollten die neuen Gebäude wieder zerstört werden. Und suln, so heißt es in der Urkunde den selb(e)n buwe gar zerfurn und z(er)brech(e)n, als lieb in dez riches huld sien., mit anderen Worten: sie durften die Burg mit Erlaubnis des Königs dem Erdboden gleichmachen.
Der Wortlaut der Urkunde (castrum Weizzenowa olim ob imperii honorem destructum), besonders das Wort olim (einstmals)  legt nahe, dass die Zerstörung schon eine gewisse Zeit zurücklag, offensichtlich also schon vor 1250 stattgefunden hat. Dies könnte aber bedeuten, dass sich die Zerstörung der Burg etwas anders abgespielt hat: Denkbar ist nämlich, dass die Mainzer das Burgenbauverbot von 1244 zu ernst genommen und auf bereits bestehende Burgbauten ausgedehnt hatten. Möglich ist, dass die Mainzer irgendwann nach 1244 eigenmächtig gehandelt und Burg Weisenau in einer Nacht- und Nebelaktion zerstört haben. Um ihr unrechtmäßiges Tun nachträglich sanktionieren zu lassen, könnten sie König Wilhelm (1248-1256), der jegliche Unterstützung am Rhein brauchte, überredet haben, die Zerstörung der Burg als zum Nutzen des Reiches geschehen zu deklarieren und somit nachträglich zu legitimieren. Aber wie so vieles in der Geschichte der Burg Weisenau bleibt auch dies reine Spekulation.

Burg Weisenau gelangt in den Besitz der Stadt Mainz

Das Verbot, Burg Weisenau wieder aufzubauen, traf nicht nur den Königsgegner und Burgherrn auf Weisenau Philipp von Hohenfels, sondern auch die anderen Anteilseigner, die Brüder Werner IV. von Bolanden und Philipp von Falkenstein, obwohl diese die päpstlich Partei und König Wilhelm von Holland unterstützt hatten.
Da die Burg zerstört und ihr Wiederaufbau verboten war, hatte die Burgstelle für die bolandische Familie keinen strategischen Wert mehr. Die Mainzer wussten die Gunst der Stunde zu nutzen und brachten sich in den Besitz des Burggeländes.Mit Recht befürchteten sie, dass König Wilhelm dem befreundeten bolandisch-falkensteinischen Familienzweig den Wiederaufbau der Burg genehmigen könnte, sobald sie den ungeliebten Mitbesitzer von Hohenfels aus der Burg herausgeekelt hätten. Solange noch Steine auf dem Burggelände herumlagen, konnten die Mainzer nicht sicher sein, bald wieder mit einer intakten Burg konfrontiert zu werden.
So kam es seit 1253 unter Vermittlung Erzbischof Gerhards I. (1251-1259) zum Kauf der Burg durch die Mainzer.
Im Jahr 1252 oder 1253 hatte die bolandische Familie ihren Weisenauer Besitz geteilt. Reichstruchsess Philipp IV. von Falkenstein und sein Bruder Werner IV. von Bolanden teilten mit ihrem Vetter, dem Reichstruchsessen Philipp von Hohenfels.
Der Hohenfelser erhielt die noch bestehenden Gebäude und das Burggelände, auf dem einst die Burg Weisenau stand (area et loco, in quibis olim castrum Wissenowe fuit constructum), den sog. Burgstadel. Die Brüder von Bolanden und Falkenstein gaben sich mit der Freifläche jenseits der äußeren Wälle und den Vorbefestigungen zufrieden. Mit seiner Hälfte durfte Philipp nach Gutdünken verfahren.
Diese hohenfelsische Hälfte erwarb die Stadt Mainz nun am 4.2.1253. Damit waren alle wesentlichen Burggebäude und Befestigungswerke bzw. deren Überreste im Besitz der Stadt. Der Hohenfelser verpflichtet sich auch, keine militärischen Aktionen, die von der bolandisch-falkensteinische Hälfte ausgehen sollten, zu unterstützen. Als Gegenleistung wurden ihm 250 Mark ausgezahlt. Ebenso einigte man sich über andere Güter in Weisenau. Philipp von Hohenfels versprach, bis zum 30. März dafür zu sorgen, dass die Eigentümer der anderen Hälfte, die Herren von Bolanden und Falkenstein, ihre Hälfte ebenfalls der Stadt zum Kauf anbieten würden. Doch dieser Kauf kam erst einige Jahre später zustande. Nach Jahren der Fehde und der Auseinandersetzungen, in deren Verlauf 1254 auch die bolandische Burg in Ingelheim in Schutt und Asche sank, sahen die Bolander wohl ein, dass sie mit der ihnen verbliebenen Hälfte der ehemaligen Burg Weisenau nichts mehr anfangen konnten und der Besitz keinerlei strategischen Wert mehr besaß.
Am 18. Februar 1259 schlichteten Philipp IV. von Falkenstein und seine Söhne ihren langjährigen Streit mit der Stadt Mainz. Sie verzichteten auf alle Ansprüche gegen die Stadt wegen der Zerstörung der Mauern in Kastell (1244), der Burg (castrum) Weisenau (1250) und der Burg (castrum) in Ingelheim (1254). Sie übergaben der Stadt Mainz nun die andere Hälfte der Burg, d.h. das Vorgelände vor der Umfassungsmauer und den Graben. Die Bürger, so wurde ausdrücklich hinzugefügt, durften mit den Steinen der Burg nach Gutdünken verfahren. Als Gegenleistung für den Verkauf des Burggeländes wechselten 70 Mark Kölner Denare den Besitzer. Damit war das gesamte Burggelände Eigentum der Stadt Mainz.

Der Kampf Erzbischof Balduins mit der Stadt Mainz (1329)

Burg Weisenau war seit fast 80 Jahren Ruine, als sie 1329 noch einmal für kurze Zeit strategische Bedeutung erlangen sollte. In seiner Auseinandersetzung mit der Stadt Mainz, die ihn nicht als Mainzer Erzbischof anerkennen wollte, ließ der Trierer Erzbischof Balduin von Luxemburg im Jahr 1329 einen regelrechten Befestigungskranz um die Stadt Mainz anlegen, um sie von jeglicher Zufuhr an Lebensmitteln, Waffen und Gebrauchsgegenständen abzuschneiden. Zu diesem Zweck ließ er die Burgen in Eltville und Flörsheim am Main ausbauen bzw. neu errichten, den Friedhof in Ober-Olm, vielleicht auch das Gelände der alten Turmburg in Niederwalluf und den Kirchhof in Kiedrich befestigen.
Auch die Ruine Weisenau scheint als Stützpunkt wieder hergerichtet worden zu sein. Strategisch hätte eine Reaktivierung der Befestigung durchaus Sinn gemacht. Von Weisenau aus hatte man die Kontrolle über den Leinpfad entlang des Rheines, den Hafen und Stapelplatz sowie über die Fährstation über den Rhein. Mit der Besetzung dieses dem Feind gehörenden Platzes wäre der Ring um die Stadt Mainz an diesem Punkt undurchdringlich und die Versorgung der Stadt Mainz empfindlich getroffen worden. Die Steine der ehemaligen Burg, die vielleicht immer noch auf dem Burggelände herumlagen, hätten den Bau einer Befestigung erheblich erleichtert. Wie kam es zu der Auseinandersetzung?
Erzbischof Mathias von Bucheck (1321-1328) war Anfang September 1328 verstorben. Daraufhin entbrannte ein Machtkampf zwischen Papst und Königtum darüber, wem das Recht zustand, den wohl wichtigsten Bischofsstuhl im Reich neu zu besetzen. Der Kandidat Kaiser Ludwigs IV. des Bayern (1314-1347) war der Trierer Erzbischof Balduin aus dem Haus Luxemburg. Der Herrscher konnte sich auf die Unterstützung des Mainzer Domkapitels und vieler Kleriker in der Stadt verlassen. Demgegenüber hatte sich Papst Johannes XXII. (1316-1334) die Unterstützung der Mainzer Bürgerschaft verschafft und den Bonner Kanoniker Heinrich von Virneburg (1328-1353) zum Mainzer Erzbischof bestimmt. Auf die reichs- und kirchenpolitischen Hintergründe der Gegnerschaft zwischen Kaiser und Papst soll hier nicht näher eingegangen werden. Hinter den 1329 aufflammenden Kämpfen im Mainzer Raum stand aber nicht nur der Machtkampf zwischen Königtum und Papsttum, sondern auch die Gegnerschaft zwischen einem kaiserlichen Erzbischofskandidaten und der auf wirtschaftliche und politische Selbständigkeit bedachten patrizischen Oberschicht der Stadt Mainz.
Der Trierer zog zunächst ein großes Heer im Raum Mainz zusammen. Er ließ die Gegend um Mainz verwüsten und plündern. Dabei kam es immer wieder zu kleinen Scharmützeln, in deren Verlauf zahlreiche Personen verwundet oder sogar getötet wurden. Die Mainzer wurden "über Brücken und Gräben“, wie es in den Quellen heißt, zurückgedrängt und mussten sich schließlich hinter den Stadttoren verschanzen. Balduin vermied es, einen direkten Sturmangriff mit ungewissem Ausgang anzuordnen, sondern wandte das damals sicherste Mittel einer Eroberung, die Einkesselung, an.
Besonders bedrohlich für die Mainzer wurde es, als Erzbischof Balduin die außerhalb der Stadtmauern gelegenen Klöster St. Alban und St. Jakob sowie das Stift St. Viktor militärisch verstärken ließ. St. Alban und St. Viktor verfügten über Türme und starke Ringmauern, die noch aus römischer Zeit stammten bzw. in späterer Zeit hinzugefügt worden waren. Kloster St. Jakob, auf einer Anhöhe im Bereich der heutigen Zitadelle, unmittelbar vor dem Stadtgraben und einem Tor gelegen, bot bestes Schussfeld auf die Stadtmauer und die dahinter liegenden Gebäude. Von Feinden besetzt, konnte es den Zugang zur Stadt an dieser Stelle vollständig sperren.
Die drei Klöster riegelten zusammen mit Burg Weisenau Mainz von dieser Seite her regelrecht ab und bedeuteten eine ernste Gefahr für die Stadt. Balduin ließ zwar versichern, er wolle Mainz von ihnen aus keinen Schaden zufügen, wenn die Stadt im Gegenzug die Mainzer Klöster unbehelligt ließ, aber die Mainzer trauten dem trickreichen Balduin nicht und schritten zur Tat.

Die zweite und endgültige Zerstörung der Burg Weisenau

Am 10. August 1329  - so berichtet es die Chronik des Klosters St. Alban und steht es in einem Brief des Papstes Johannes XXII. - überfielen städtische Truppen zunächst das Benediktinerkloster St. Alban und das Chorherrenstift St. Viktor. Am selben Tag, an dem die St. Alban und St. Viktor sowie zahlreiche Gebäude in Mainz geplündert wurden bzw. in Flammen aufgingen, scheinen die Mainzer von St. Viktor aus auf die nicht weit entfernt liegende mutmaßliche Baustelle der Burg Weisenau gezogen zu sein, um die von Balduin neu errichtete Mauern einzureißen und die gerade ausgehobenen Gräben wieder zuzuschütten. Die Chronik von St. Alban berichtet jedenfalls, die Mainzer hätten nicht nur  St. Alban und St. Viktor, sondern auch Burg Weisenau zum größten Teil zerstört, [...] monasterium s. Albani et ecclesiam s. Victoris canonicorum saecularum una cum castro Weissenaw pro maxima parte destruxerunt. Die Mainzer leisteten bekanntlich ganze Arbeit und ließen keinen Stein über dem anderen. Die Quader wurden abtransportiert, so dass von der einst mächtigen Burg heute keine Spur mehr vorhanden ist. Die Burgstraße in Weisenau ist vorerst das letzte Zeugnis, das an die einst mächtige Feste erinnert.

Nachweise

Verfasser: Stefan Grathoff

Literatur:

Der Vortrag ist abgedruckt in: Beiträge zur Geschichte Weisenaus. Bd. 3. Hrsg. v. Geschichts- und Brauchtumsverein Mainz-Weisenau e.V. 2004, S. 34-50.

Aktualisiert am: 28.11.2014