Görgeshausen im Westerwald

.1.Feste, Feiern und Gebräuche in Görgeshausen

Feste und Feiern sind von Anfang an ein wesentliches Element des Dorflebens. Über mittelalterliche Dorfgewohnheiten liegen keinerlei Nachrichten vor. Erst seit dem 19. Jahrhundert sind Einzelheiten über alte Feierlichkeiten bekannt, die in Görgeshausen Gewohnheit und Brauch waren.

.1.1.Heilige Kommunion 1863

Die Neukommunikanten versammelten sich am Weißen Sonntag dem 12. April 1863 in der Früh beim Lehrer, baten ihn um Verzeihung für eventuell zugefügte Beleidigungen. Zugleich dankten sie ihm auch für alle seine Mühe und Arbeit, die er sich für sie gemacht hatte. In Begleitung des Lehrers marschierten die Kinder dann in die Pfarrkirche nach Niedererbach. Dieser Brauch wurde erstmals 1863 erwähnt. Der Brauch bestand zur Zeit des Lehrers Theodor Vogt (1922-1947) immer noch.

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.1.2.Thronjubiläum 1864

Hg. Adolf von Nassau-Weilburg[Bild: Gemeinfrei]

Am 21. August 1864 feierte Herzog Adolf von Nassau (1839-1866) sein 25. Thronjubiläum. Schon am Vortag wurden in Görgeshausen Kränze gebunden und Triumphbögen angefertigt. Letztere wurden mit passenden Sprüchen versehen an den beiden Ortseingängen aufgestellt. Zwischen den beiden Bögen standen auf beiden Seiten der Straße dicht an den Häusern Reihen grüner Bäume. Am Vorabend des Festes wurde eine Stunde lang unter Gewehrfeuer mit den Glöckchen in der Kapelle geläutet, ebenso am folgenden Morgen. Um 21 Uhr wurde ein feierliches Hochamt in der Pfarrkirche zu Niedererbach gefeiert.

Da am eigentlichem Festtag, am 21. August, eine allgemeine Feier in Wallmerod stattfand, wurden die zu Ehren des Jubilars bestimmte Schulfeier auf den folgenden Tag verlegt. Die Schulen von Niedererbach und Görgeshausen vereinigten sich zu diesem Zweck auf einem freien Platz ungefähr in der Mitte der beiden Ortschafte. Der Aufmarsch zum Festplatz begann um 14 Uhr unter Gesang von der Schule aus. Zuvor hatte Lehrer Pehl eine Rede über die Bedeutung des Festes und die Weisheit und Güte des Fürsten gehalten. Auf dem Festplatz folgte eine Ansprache des Pastors Diel. Danach wechselten Gesang der Schuljugend mit »deklamatorischen Vorträgen« der Schüler und Musik. Das Fest wurde jetzt zum Volksfest. Jedes Kind erhielt für 4 Kreuzer für Wecke und ein angemessenenes Quantum an Bier. Auch jeder Ortsbürger erhielt zwei Glas Gerstensaft. Sämtliche Kosten wurden von der Gemeinde getragen. Gegen Abend wurde der Lehrer mit den Schülern unter Musikbegleitung zur Schule geleitete, nachdem nochmals ein Toast auf den Fürsten ausgebracht worden war. Danach durften die Schüler nach Hause gehen.[Anm. 1]

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.1.3.Sedan-Tag 1895

Sedantag 1895 in Ffm vor dem Hotel zum Schwan, dem Ort des Friedensschlusses von 1871.

Am 1. September 1895 wurde des 25-jährigen Jahrestages der Schlacht bei Sedan gedacht. Die noch lebenden Kriegsteilnehmer empfingen die hl. Sakramente in der Pfarrkirche Niedererbach. Nach dem Hochamt holte man sie an der Gemarkungsgrenze ab und geleitete sie unter Musikbegleitung ins Dorf. Es folgte eine Dankandacht in der Görgeshausener Kapelle, an der auch die Schuljugend teilnahm. Von einem Rednerpult aus erinnerte der Lehrer in einer Ansprache die Veteranen und Bürger an die Bedeutung des Tages und die Stationen der Schlacht. Am folgenden tag fand in der Schule eine weitere Feier statt. Die Photographie zeigt die menschen, die 1895 vor dem Hotel Schwan in Frankfurt zusammengekommen waren. Im Hotel war 1871 der Friedensschluss vollzogen worden

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.1.4.Kirmes

Schon seit jeher wird die Görgeshäuser Kirmes am zweiten Wochenende nach Ostern gefeiert. Sie ist damit die früheste Kirmes im Jahresablauf weit und breit.

Nach der Weihe der neuen Josefskirche am 16. Januar 1952 waren unter den Einwohner Diskussionen aufgekommen, ob es nicht sinnvoller sein, die Kirmes in den Monat Mai zu verlegen. Doch es blieb beim alten Termin.

Früher feierte man die Kirmes folgendermaßen: Am 19. März (Josefstag) trafen sich die männlichen Jugendlichen im Gasthaus. Hier wurde geklärt, wer Kirmesbursche sein wollte. Ein Vortänzer wurde ausgelost, ein Kassierer gewählt und die Anzahl der Lose für eine Hammelverlosung festgelegt. Außerdem begann ab diesem Tag die Suche nach einem Kirmesmädchen. Am Wochenende vor der Kirmes schaufelten die Kirmesburschen ein Loch aus, in welches später der Kirmesbaum eingesetzt werden sollte.

1967 wollte man ein störendes Blechteil mit Hilfe eines Traktors und einer Kette aus dem Erdreich ziehen. Hierbei überschlug sich der Traktor nach hinten, wobei der Fahrer in die bereits teilweise ausgehobene Grube stürzte. Dies rettet dem Mann wohl das Leben, denn der Traktor fiel auf die Grube. Die Gemeinde beschloss daraufhin, für die Zukunft eine betonierte Grube auszuheben. Seit 1968 befindet sich diese auf dem Hallenvorplatz.

Am Kirmessamstag wurde im Gemeindewald zusammen mit dem Bürgermeister der Kirmesbaum ausgesucht, gefällt und ins Dorf gebracht. Der Gemeindediener »schellte« aus, damit sich möglichst alle männlichen Einwohner zum Aufstellen des Baumes einfinden konnten. Zunächst wurde der Baum mit bunten Bändern geschmückt und anschließend mit Leitern und langen Stangenstreben hochgewuchtet. Heute verwendet man zusätzlich eine Seilwinde. Der Bürgermeister leitete die Aufstellarbeiten mit lauten Kommandos. Nachdem der Baum aufrecht stand und fest verkeilt war, wurde auf halber Höhe des Stammes ein Bierfaß angebracht. Diese Arbeit oblag immer demjenigen Kirmesburschen, der den nötigen Mut mitbrachte, sich Steigeisen anzulegen und den Stamm hinaufzuklettern. Anschließend stellten die Kirmesburschen auch vor den Gaststätten kleinere Kirmesbäume auf, wofür sie von den Wirten mit ausreichend Bier und Schnaps versorgt wurden. Am Abend des Kirmessamstags spielten Kapellen in den Gaststätten zum Tanz auf und die Kirmesburschen sorgten mit ihren Mädchen für ausgelassene Stimmung.

Der Kirmessonntag begann mit einem Festgottesdienst. Danach folgte die Totenehrung am Denkmal der Gefallenen und Vermissten aus Görgeshausen. Der Vortänzer der Kirmesburschen legte einen Kranz nieder. Anschließend zog die Kirmesgesellschaft mit Marschmusik zur Gaststätte, wo sich der Zug auflöste. Um drei Uhr nachmittags begann der Zug der Kirmesburschen mit ihren weiblichen Begleitern unter den Kirmesbaum, wo der Vortänzer unter Walzerklängen offiziell die Kirmes eröffnete. Anschließend zog die Kirmesgesellschaft weiter zum Bürgermeister, dem ein Ständchen dargebracht und dann um Erlaubnis zur Ausrichtung der Kirmes gebeten wurde. In einer kurzen Ansprache übergab der Bürgermeister die Kirmes nunmehr »behördlicherseits« unter der Auflage an die Kirmesburschen, das Dorf würdig zu repräsentieren. Erst dann ging es weiter mit Tanz und Vergnügungen in den Gaststätten.

Der Kirmesmontag begann wie der Sonntag mit einem Gottesdienst zu Ehren der Gefallenen und Vermissten in Anwesenheit der Kirmesburschen. Anschließend begann der auch heute noch traditionell gefeierte Frühschoppen. Nachmittags spielte wiederum bis zum Kirmesausklang in der Nacht die Musik zum Tanz auf. Abends fand die Verlosung des Kirmeshammels statt. Der endgültige Abschied von der Kirmes erfolgte erst am darauffolgenden Sonntag (Nachkirmes). Allerdings ging es an diesem Tag weitaus weniger turbulent zu als an den eigentlichen Kirmestagen.

Die Kirmes wird heute noch - sofern sich überhaupt noch Kirmesburschen finden - weitgehend unter Beibehaltung des alten Brauchtums abgehalten.

Kirmesgedicht
Das Görgeshausener Kirmesgedicht wurde im Jahr 1909 von dem Görgeshausener Original und Gastwirt Jakob Nink (»Profittche«) verfasst:

Hei, war das ein Winter Euch,
lang gedenkt es arm und reich.
Schlittschuhlaufen und auch Ski,
Rodeln und auch Kahnpartie.
Doch vorüber ist die Freud,
jetzt beginnt die Sommerzeit.
Fiedelbogen, Kirmeslust,
Bratwurstessen, großer Durst,
Auf den Sonntag, daß ihr's wisst
Freut sich alles, Jud und Christ,
Auf ihr Leutcher, kommt und seht,
was in Görgeshausen steht.
Vierzehn Meter überm Haus
Guckt der Kirmesbaum heraus.
Neunzig Meter im Quadrat
Liegt der Kuchen auch parat.
Dreißig Zoll dick über der Erd,
so was ist das Gucken wert.
Und die Bratwurst hängt im Gang
Fast wohl einen Kilometer lang.
Tief im Keller in drei Reih'n
liegen achtzehn Halbstück Wein.
Ja der Jakob ist der Mann,
der all dies Euch zeigen kann.
Drum ihr Leut, vergesst es nit
und bringt Marke, Marke mit.
Profitche hin, Profitche her,
Bringt mir nur die Grosche her.

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.1.5.Lindenfest

Einmal im Jahr wurde vom ganzen Dorf das Lindenfest gefeiert. Man stellte eine Bühne auf, die Dorfkapellen spielten zum Tanz auf. Die Leute saßen mit Tischen und Bänken auf dem alten Schulhof. Die Männer mussten sich Tanzbändchen kaufen, um so die Tanzmusik zu finanzieren. Es kostete einen Groschen. Wer nicht tanzte, musste etwas in den Klingelbecher geben, der herumgereicht wurde.

Es gab in Görgeshausen zahlreiche Kapellen, die z.T. bis in die 60-er Jahre des 20. Jahrhunderts noch aktiv waren. Unvergessen sind etwa Egon Nink (Saxophon), Emil Keul, Otto Bach (Violine), Heinrich Sprenger (Trompete bei der Marschmusik, Violine beim Tanz), Johann Nink (Trompete), Karl Nink (Bass), Hermann Brühl (Saxophon), Joseph Schäfer (Trompete), Karl Bach (Trompete und Geige) und Walter Burkard (Schlagzeug).

Der Platz, auf dem das Lindenfest stattfand, wurde durch den Rathaus- und Hallenbau beseitigt und auch die letzte der ehemals fünf Linden wurde im Juli 1974 gefällt. Der mächtige 300-jährige Baum war vor allem bei stürmischen Wetter zur Gefahr für die Schulkinder geworden. Fast wäre eine alte Dorftradition in Vergessenheit geraten. Doch die Görgeshausener pflanzten ganz in der Nähe neue Linden und der Skiclub griff die alte Tradition wieder auf. Das vom Club organisierte Lindenfest kommt heute ohne Musik aus, aber iwe früher ist das ganze Dorf dazu eingeladen.

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.1.6.Kinderspiele

Neben dem bekannten Kinderspielen, die überall in den Dörfern von den Kindern geliebt wurden, gab es für Görgeshausen typische Spiele. Eins davon war das »Lautzspiel«. Dabei handelte es sich um eine Art Hockey. Ein Holzklotz musste mit einem unten gebogenen Holzstecken in die Mitte eines Kreises getrieben werden. Beim Klippspiel wurde ein an beiden Enden angespitzter Holzstab auf den Boden gelegt. Schlug man auf seine Enden, wurde er nach oben und nach vorne geschnellt. Es kam darauf an, dabei einen auf den Boden gemalten Kreis zu treffen.

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.1.7.Görgeshausener Tracht

In Görgeshausen ist das Tragen der alten Volkstracht aus der Mode gekommen. Wie in anderen Orten des Westerwaldes ebenfalls üblich, war die Görgeshausener Tracht schwarz. Sie bestand aus einer schwarzen glänzenden Jacke, einem langen faltigen Tuchrock und einer Seidenschürze[Anm. 2]

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.1.8.Heimliche Liebespaare

Wurden bei der Obsternte von der Dorfgemeinschaft im großen Kreis die riesigen Mengen von Pflaumen entkernt, machte man sich einen Spaß daraus, nach getaner Arbeit nächtens einem heimlichen Liebespaar jeweils einen Haufen Quetschenkerne vor die Haustür zu legen und einen Pfad von Tür zu Tür zu streuen. So wurde das Heimliche ruchbar. Jeder wusste, wer mit wem heimliche Liebesbande geknüpft hatte. Wenn dann alle ihren Spaß gehabt hatten, wurden das Ganze mit Kaffee und Kuchen gefeiert.

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.1.9.Verlobung

Früher wurde der Entschluss eines Liebespaares, den Lebensweg gemeinsam zu gehen, vor der ganzen Dorfgemeinschaft, und nicht wie heute im stillen Kämmerlein getroffen. Auch das Freien um die Braut folgte in Görgeshausen einem alten Brauch. Bürgermeister Bendel (1945-1972) hat diese alte Sitte einmal aufschreiben lassen[Anm. 3] Er schrieb: »Im Abklingen ist die alte Sitte des Freiens. Eine sehr schöne Sitte. Will ein Bursche ein Mädchen, so versteckt er sich hinter seinen Kameraden. Er kauft ein Fässchen Bier. Einer seiner Freunde geht unter dem Vorwand in das Haus, wo das Mädchen wohnt und unterhält sich mit den Eltern. Die Freunde tragen das Fässchen Bier bis zum Hausflur und bringen es dann ins Zimmer. Der Freier wird neben das Mädchen gesetzt und dem Vater der Ausgewählten das erste Glas gereicht. Ist der Freier gut angesehen, so wird die Freierei ein Fest, wo sich die zukünftigen Schwiegereltern nicht mit einer guten Bewirtung drängen lassen. Mit viel Witz und Gesang wird dann bis in die Nacht gefeiert. Es wurde somit erreicht, das der Bursche im Falle, dass er gerne gesehen war, ohne Bedenken in das Haus seiner Liebsten gelangen konnte.«

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.1.10.Wallfahrten

Wallfahrtskarte von Bornhofen aus dem 19. Jahrhundert[Bild: Unbekannt (1885, Lithographie) [gemeinfrei]]

Im Mittelalter spielten Prozessionen und Wallfahrten für die Gläubigen neben dem gewohnten Gottesdienst in der Pfarrkirche eine bedeutende Rolle. Leider liegen dazu für Görgeshausen keinerlei Nachrichten vor. Anfang des 18. Jahrhunderts wurde von den Gemeinde Niedererbach/Görgeshausen eine jährliche Wallfahrt ins nahe Großholbach unternommen. Eigens zu diesem Anlass hatte man Fahnen angeschafft, die beim Marsch mitgeführt wurden.

Eine weitere Wallfahrt ist im 20. Jahrhundert nach Bornhofen belegt, die wohl ebenfallsauf eine klängere Tradition zurückblocken durfte. So fand am Sonntag dem 8. September 1956 eine solche Wallfahrt nach Bornhofen statt, die offensichtlich damals in jeden Jahr unternommen wurde.[Anm. 4] Wallfahrten nach Kamp-Bornhofen erfreuten sich seit Mitte des 19. Jahrhunderts großer Beliebheit. Gut möglich, dass die Görgeshausener schon damals viele Jahre an den Rhein pilgerten. Für die fast 40 km Fußweg benötigten die Gläubigen aus Görgeshausen einen ganzen Tag.

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.1.11.Totenwache

Die alte Sitte der Totenwache ist auch für Görgeshausen bezeugt. Bei einem Todesfall fanden sich die männlichen Bewohner des Ortes zur Totenwache zusammen und beteten für den Verstorbenen. Dies geschah gewöhnlich an drei aufeinanderfolgenden Tagen solange der Verstorbene »über der Erde« war. Nahe Verwandte des Verstorbenen beteten gleichzeitig im Trauerhaus. [Anm. 5]

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(Kopie 1)

Verfasser: Stefan Grathoff

Veröffentlicht am: 01.06.2017

Verwendete Literatur:

Siehe das Verzeichnis: Quellen und Literatur

Anmerkungen:

  1. Schulchronik. Zurück
  2. Scheidt-Lämke, Volkskunde S.263f. Zurück
  3. Scheidt-Lämke, Volkskunde S.282f. Zurück
  4. Handbuch Bistum Limburg S.225. Zurück
  5. Scheidt-Lämke, Volkskunde S.292. Zurück