0.11. Formenlehre
0.1.11.3. Substantiv
0.2.11.3.2. Pluralbildung
Wald – Wääler
Im Standarddeutschen gibt es acht Möglichkeiten der Pluralbildung bei Substantiven. Die Pluralform kann sich vom Singular unterscheiden durch:
1. Suffix -e | (z. B. Singular Jahr, Fisch – Plural Jahre, Fische) |
2. Umlaut + Suffix -e | (z. B. Singular Platz, Fuß, Traum – Plural Plätze, Füße, Träume) |
3. Suffix -(e)n | (z. B. Singular Mensch, Muskel – Plural Menschen, Muskeln) |
4. Suffix -er | (z. B. Singular Bild, Nest – Plural Bilder, Nester) |
5. Umlaut + Suffix -er | (z. B. Singular Kalb, Loch, Haus – Plural Kälber, Löcher, Häuser) |
6. Suffix -s | (z. B. Singular Uhu, Sofa – Plural Uhus, Sofas) |
7. Null-Suffix | (z. B. Singular Deckel, Zeichen, Koffer – Plural Deckel, Zeichen, Koffer) |
8. Umlaut + Null-Suffix | (z. B. Singular Mantel, Ofen – Plural Mäntel, Öfen) |
Der Plural unterscheidet sich somit vom Singular in maximal zwei Merkmalen (Umlaut + Suffix). In den Hunsrücker Dialekten ist die Pluralbildung weitaus komplexer. Peetz (1989, S. 161) gibt für Beuren (Verbandsgemeinde Hermeskeil) 27 Arten an, wie der Plural ausgedrückt werden kann. Die Differenz zwischen der Singular- und der Pluralform kann auf bis zu vier Merkmalen beruhen. Von den 27 Möglichkeiten seien hier exemplarisch sieben aufgeführt (in literarischer Umschrift):
Singular | Plural | Differenz Singular – Plural | |
aa2n | aa2n | 'Auge – Augen' | keine |
me1ck | me1cken | 'Mücke – Mücken' | Suffix |
wai1n | wai2n | 'Wein – Weine' | Tonakzent |
brää1d | brä1dder | 'Brett – Bretter' | 1. Vokallänge, 2. Suffix |
za1nt | zä2nn | 'Zahn – Zähne' | 1. Vokal (Umlaut), 2. Konsonant, 3. Tonakzent |
höu1s | hai2ser | 'Haus – Häuser' | 1. Vokal (Umlaut), 2. Suffix, 3. Tonakzent |
wa1ld | wää1ler | 'Wald – Wälder' | 1. Vokal (Umlaut), 2. Vokallänge, 3. Konsonant, 4. Suffix |
Anmerkung zu der Übersicht oben: Hochgestellte 1 und 2 bei den Lautformen stehen für Tonakzent 1 bzw. Tonakzent 2 (vgl. hierzu das Kap. 10.1.).
In vielen Fällen – das deuten bereits die wenigen Exempel an – spielen die Tonakzente in die Pluralbildung hinein. Oft ist es die Tonakzentdifferenz allein, die den Unterschied zwischen Singular und Plural statuiert. Neben dem oben aufgeführten Wortpaar wai1n (Singular) – wai2n (Plural) gehören zu dieser Kategorie im Beurener Platt u. a. krää1s – krää2s ‘Kreis – Kreise’, reng1 – reng2 ‘Ring – Ringe’ und hee1sch – hee2sch ‘Hirsch – Hirsche’. Der Tonakzentunterschied ist damit zu erklären, dass, sprachhistorisch betrachtet, die Singularform einsilbig und die Pluralform zweisilbig ist bedingt durch das Pluralsuffix ‑e (vgl. standarddeutsch Wein – Wein‑e, Kreis – Kreis‑e usw.). Das auslautende ‑e fällt in den Dialekten nach einer allgemeinen Regel ab (vgl. z. B. auch Schul ‘Schule’), für die Verteilung der Tonakzente ist aber die ursprüngliche (historische) Silbenstruktur ausschlaggebend (vgl. Kap. 10.1.1.).
Die Verhältnisse bei der Pluralbildung im Beurener Platt lassen sich keineswegs für den gesamten Hunsrück generalisieren. Die sprachlichen Gegebenheiten variieren bereits kleinräumig. Diesseits der Tonakzentgrenze, also im rheinfränkischen Bereich unseres Gebietes ist die Pluralmarkierung weitaus weniger komplex.