Gau-Weinheim in Rheinhessen

Die evangelische Kirche Gau-Weinheim

Die evangelische Kirche Gau-Weinheim wurde 1863/64 als Rechtecksaal im Rundbogenstil und historisierenden Motiven errichtet.
Außenansicht der evangelischen Kirche Gau-Weinheim.[Bild: Erwin Gottschlich]

Die evangelische Kirche in Gau-Weinheim befindet sich am westlichen Rand des historischen Ortskerns und ist durch ein parkähnliches Vorgelände etwas von der Straße zurückgesetzt. Die heutige Kirche wurde 1863/64 als gewesteter Rechtecksaal mit historisierenden Motiven und einem achteckigen Glockentürmchen über dem Giebel des Haupteingangs erbaut.

Ab 1546 wurde in den kurpfälzischen Gebieten die Reformation eingeführt und die Bewohner*innen der betroffenen Ortschaften waren gezwungen zum reformierten Glauben überzutreten. So wurde auch Gau-Weinheim reformatorisch und die Kirche St. Katharina wurde durch die Gemeinde genutzt. Während des Dreißigjährigen Krieges (1618 – 1648) wechselte die Herrschaft über das linksrheinische Gebiet vermehrt, wobei die Dorfbevölkerungen meist gezwungen waren, sich zur Konfession der jeweiligen Herrscher zu bekennen. Nach dem Ende des 17. Jahrhunderts führte Kurfürst Johann Wilhelm 1698 für die kurpfälzischen Kirchen das Simultaneum ein, sodass auch die Gau-Weinheimer Kirche St. Katharina von den Reformierten, Katholiken und Lutheranern gleichzeitig genutzt wurden. Im Zuge der Pfälzischen Kirchenteilung wurde ab 1705 die Kirchen zwischen Reformierten und Katholiken aufgeteilt und die Gau-Weinheimer Kirche fiel per Los an die Katholiken. Die reformierte Gemeinde Gau-Weinheim besaß danach weder eine Kirche noch ein Pfarrhaus oder Pfarrgut. Die Gemeinde Gau-Weinheim wurde in der Folge der Pfarrei Wolfsheim zugeordnet und richtete sich in einer alten Scheune in der Mittelgasse nahe dem alten Pfarrhaus ein kleines Gotteshaus ein.

1860 war dieses Gotteshaus so baufällig, dass es abgerissen wurde, weshalb Überlegungen über den Bau einer neuen evangelischen Kirche begannen. Die Verhandlungen über den Neubau dauerten bis 1863, doch schließlich wurde ein Grundstück „hinter der Weed“ als Baugelände beschlossen. Die Grundsteinlegung fand am 16. Juli 1863 statt und im damals gesetzten Stein wurde eine versiegelte Flasche 1862er Gau-Weinheimer Wein und eine Silbermünze eingemauert. Bis 1864 entstand eine neue evangelische Kirche in Gau-Weinheim nach den Plänen des Großherzoglichen Kreisbaumeisters Lindt zu Oppenheim und dem Bauamtskandidaten Wetter. Dieselben Pläne lagen der fünften Synagoge von Oppenheim zugrunde, die im Zuge der Reichspogromnacht 1938 in Brand gesteckt und vollkommen zerstört wurde. Anhand der evangelischen Kirche Gau-Weinheim lässt sich daher das Aussehen der zerstörten Synagoge erahnen. Es handelt sich um einen gewesteten Rechtecksaal im Rundbogenstil mit historisierenden Motiven unter einem schieferbedeckten Satteldach. Der Eingang der evangelischen Kirche erfolgt im Osten von der Mittelgasse aus durch das parkähnliche Vorgelände, dessen Einfriedung erst 1865 abgeschlossen wurde. An den Traufseiten befinden sich je vier Rundbogenfenster und in der westlichen Giebelfront ein Rundfenster. Im östlichen Frontgiebel, über dem Haupteingang der Kirche, befindet sich ein achteckiges Glockentürmchen mit Zeltdach.

Im Inneren befindet sich auf drei Seiten eine umlaufende Empore auf achteckigen Pfeilern mit neuromanischen Basen. Der Altar- und Chorraum ist um eine Stufe erhöht mit einem neugotischen Blockaltar aus Sandstein mit Blendnischen. Der Chorraum ist mit einer schmalen Trennwand aus verputztem Fachwerk abgetrennt. An der Südecke des Altarraums befindet sich auf einem Achteckpfeiler die kelchförmige Kanzel, die mit Bildnissen der vier Evangelisten geschmückt ist. Auf der östlichen Empore befindet sich seit 1896 eine Orgel mit Neurenaissance-Prospekt des Orgelbauers Förster aus Bermersheim vor der Höhe. Die neue evangelische Kirche in Gau-Weinheim konnte am 17. Oktober 1864 feierlich eingeweiht werden.

Auch während des Ersten Weltkrieges wurde das kirchliche Leben in Gau-Weinheim tapfer weitergeführt. Die Gau-Weinheimer Kirchenglocken wurden jedoch für die Kriegswirtschaft des Weltkrieges beschlagnahmt. Nachdem sich die schwierige finanzielle Lage nach Kriegsende in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre verbessert hatte, schaffte die evangelische Gemeinde Gau-Weinheim bereits 1926 eine neue Glocke an. Im Jahre 1930 wurde auch die Kirche umfassend renoviert und erhielt im Innenraum durch den Kirchenmaler Velte einen neuen Anstrich und neue Verzierungen.

Eine weitere Renovierung fand 1970/71 statt. Die evangelische Kirche erhielt ein neues Dach und eine neue Heizung und der Fußboden wurde erneuert. Auch der Innenraum wurde erneut durch die Kirchenmaler Velte-Sohn ausgebessert und neu ausgemalt. 1990 wurde der Kirchgarten und der mit Linden gesäumte Weg zum Eingangsportal neu hergerichtet und die Einfriedung von 1865 erneuert. Auch 2004 wurde der Parkettboden abgeschliffen und neuversiegelt und einige Stellen des Innenraumes neu gestrichen und ausgebessert. Im Frühjahr 2007 wurden am Glockenturm einige Ausbesserungen durchgeführt und das Dach repariert sowie ein neuer Blitzableiter installiert. 2007 wurde die heruntergekommene Eingangstür durch die Stiftung eines Gemeindemitglieds aufgearbeitet. Im Jahr 2014 feierte die evangelische Kirche Gau-Weinheim ihr 150-jähriges Jubiläum.

Heute ist die evangelische Kirche in Gau-Weinheim in enger Kooperation mit den Nachbargemeinden Wallertheim und Gau-Bickelheim und teilen sich einen Pfarrer. Dennoch ist die Gemeinde Gau-Weinheim eine selbstständige Kirchengemeinde mit eigenem Kirchenvorstand.

Nachweise

Redaktionelle Bearbeitung: Jonathan Bugert

Verwendete Literatur:

  • Gottschlich, Erwin; Klein, Gabriele: Gau-Weinheim, am Fuße des Wißbergs. In: Heimatjahrbuch Landkreis Alzey-Worms 39 (2004), S. 125-128.
  • Gottschlich, Erwin: 767 – 2017. 1250 Jahre Gau-Weinheim. Gau-Weinheim 2017.
  • Maurer, Werner: Evangelische Kirche Gau-Weinheim 1997. In: Internetseite der Ortsgemeinde Gau-Weinheim. URL: https://www.gau-weinheim.de/ortsgemeinde/bauwerke/ev-kirche.html (aufgerufen am 25.03.2022).
  • Ortsgemeinde Gau-Weinheim. In: Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland. Kulturdenkmäler in Rheinland-Pfalz. 20. Kreis Alzey-Worms. 4. Kreis Alzey Worms: Verbandsgemeinden Wöllstein und Wörrstadt. Hrsg. von der Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz, Direktion Landesdenkmalpflege, unter Mitarbeit von Ingrid Westerhoff. Worms 2021. S. 142–145.
  • Weisberger, Ulrich: Portrait der evangelischen Kirche Gau-Weinheim. In: Internetseite der Evangelischen Kirchengemeinde Gau-Weinheim, URL: http://gau-weinheimevangelisch.de/ueber-uns/unsere-kirche/ (aufgerufen am 25.03.2022).

Aktualisiert am: 01.04.2022