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IX. Fazit

Im Beitrag wurde zunächst die Bedeutung und Entwicklung des Politischen Totenkultes aufgezeigt, der sich von den napoleonischen Befreiungskriegen über den Ersten und Zweiten Weltkrieg in jeweils anderen Phasen der Erinnerung an das Opfer der Gefallenen entwickelte. Danach wurden die in den Kriegerdenkmälern verwendeten Symbole und ihre „Sprache“ in ihrer historischen Entwicklung vorgestellt. Im Anschluss zeigte das Symbol des „Unbekannten Soldaten“ als Erinnerungsort für das Massensterben im Ersten Weltkrieg, wie sich nationale Trauer zwischen Individualität und Kollektivität im Poltischen Totenkult ausdrückte. Das Ringen um die Gedenkformen nach 1945 wurde ebenso aufgezeigt wie die Abgrenzung zwischen privater Trauer und staatlicher Deutung des Gefallenentodes. Ein Fallbeispiel mit der Analyse der Symbolik am Grab des Unbekannten Soldaten am Triumphbogen in Paris rundete die Vermittlung der verschiedenen Facetten des Poltischen Totenkultes ab.

Zu Reinhart Kosellecks These bezüglich der politischen Funktion von Denkmälern als „Verkündigung eines Identifikationsangebotes“[Anm. 1] ist es hilfreich, der etymologischen Bedeutung des Begriffs „Identifikation“ nachzugehen. Bei „sich Identifizierens mit etwas“ stößt man auf Deutungen wie „Zugehörigkeit“, „Gunst“ und „Treue zu etwas“. Die Identifikation mit einem Kriegerdenkmal wird mit dem generationellen Wechseln von der Stiftergeneration zur nachfolgenden Betrachtergeneration schwieriger, beziehungsweise kann ganz versiegen. Politische und gesellschaftliche Veränderungen führen zu neuen Sichtweisen und damit zu einer distanzierteren Sicht auf das Deutungsangebot des Denkmals. Ein weiterer Grund für die versiegende Identifikation mit einem Denkmal ist: Die persönliche Betroffenheit vom damit erinnerten Ereignis nimmt ab, wenn sie nicht durch die familiäre oder gesellschaftliche Weitergabe eines „Wissens warum“ und eines „Wissens wofür“ lebendig gehalten wird.

Auch fällt das in der Stiftergeneration noch vollzogene regelmäßige Aufsuchen des Denkmals, beispielsweise zu Gedenktagen, in der Nachfolgegenerationen häufig weg oder bleibt den politischen Akteuren überlassen.

Das bildlich vermittelte Pathos eines Kriegerdenkmals kann aber auch später noch einen Anstoß zum Nachdenken geben oder zur Nachforschung seitens eines zufällig vorbei gehenden Betrachters führen. Es wird ihn aber selten so ergreifen können, wie es das Denkmal es beim zeitgenössischen – und somit stärker betroffenen – Betrachter vermochte.[Anm. 2]

Widmung für Gefallene des 1.+2. Weltkrieges – Gedenkanlage in Laubenheim[Bild: Marion Nöldeke]

So wirken heutzutage vor allem die alten Denkmäler mit dem Ziel der nationalen und „vaterländischen“ Gefühlsbewegung wie unbekannte Relikte einer unverständlichen Sprache und Sinngebung und werden daher häufig nicht mehr wahrgenommen. Ihr „Identifikationsangebot“ wird nicht angenommen, die Eindringlichkeit des Denkmals versiegt.[Anm. 3]

Die Frage danach, ob Denkmäler nach 1945 mit ihrer Intention des „nie wieder Krieg“ beim Betrachter ankommen und einen nachhaltigen, auf die Zukunft gerichteten Eindruck als Identifikationsangebot hinterlassen, ist ohne erklärenden Zugang, der sich aktiv mit der Bildersprache und den Zielen eines „Friedensmales“ auseinandersetzt, schwer vorstellbar.

Sicher ist, dass die Brücke zur persönlichen Betroffenheit, zu einem „die Intention des Denkmals verstehenden oder nachvollziehenden“ Modus oder sogar eines „sich mit ihm Identifizierens“ nur durch eine aktive, konkrete und persönliche Auseinandersetzung mit dem Objekt entstehen kann.[Anm. 4]

Die in der Nachfolgegeneration nicht mehr vorhandene direkte Betroffenheit zum im Kriegerdenkmal innewohnenden Ereignis, auf das es verweist, könnte dadurch – zumindest in Ansätzen – einen Nachvollzug der Denkmalsintention möglich machen und es so dem Vergessen entreißen.

NACHWEISE

Verfasserin Text: Marion Nöldeke

Literatur: siehe Quellen- und Literaturverzeichnis

Erstellt am: 30.09.2020

 

Weitere Publikationen der Autorin zum Thema:

Politischer Totenkult – Erinnerung an Krieg und Gewalt. In: Hohenlimburger Heimatblätter, Heft 11/2021, November 2021, 82. Jahrgang, S. 461-474. ISSN 2698-8402. Sowie: Das Kriegerdenkmal in Hagen-Vorhalle: eine Spurensuche im Stadtarchiv Hagen. In: Hohenlimburger Heimatblätter, Heft 11/2021, November 2021, 82. Jahrgang, S. 475-483. ISSN 2698-8402.

NACHWEISE

Verfasserin Text: Marion Nöldeke

Literatur: siehe Quellen- und Literaturverzeichnis

Erstellt am: 30.09.2020

 

Weitere Publikationen der Autorin zum Thema:

Politischer Totenkult – Erinnerung an Krieg und Gewalt. In: Hohenlimburger Heimatblätter, Heft 11/2021, November 2021, 82. Jahrgang, S. 461-474. ISSN 2698-8402. Sowie: Das Kriegerdenkmal in Hagen-Vorhalle: eine Spurensuche im Stadtarchiv Hagen. In: Hohenlimburger Heimatblätter, Heft 11/2021, November 2021, 82. Jahrgang, S. 475-483. ISSN 2698-8402.

Anmerkungen:

  1. Koselleck 1979, S. 262. Zurück
  2. Vgl. dazu Koselleck 1994, S. 10. Koselleck stellt hierzu dar: „Die sinnlichen Spuren der Erinnerung, die ein Denkmal enthält, und die Wege seiner Rezeption laufen – früher oder später – auseinander. Die Empfangsbereitschaft der Betrachter kann politisch – und religiös – aufgeladen bleiben oder verlöschen. Dann verliert das Denkmal seine Emphase.“  Zurück
  3. Koselleck 1979, S. 274. Koselleck spricht in dem Zusammenhang auch vom „Verlust der Emphase“ eines Denkmals, welches „in Vergessenheit gerät“. Zurück
  4. Koselleck 1979, S. 275. Koselleck verweist darauf, dass man „gesellschaftliche Institutionen“ zur Vermittlung der Botschaft braucht und die Botschaft z.B. von Nationaldenkmälern auch bewusst aufgenommen werden muss. Zurück