VII. Private Trauer und der staatliche Politische Totenkult
In ihrem Beitrag „Der Totenkult zwischen Trauer und Politisierung“ macht Elise Julien auf zwei wichtige unterschiedliche Aspekte zwischen privater und staatlicher Trauer aufmerksam. Während bei der privaten Trauer um einen im Krieg gefallenen Angehörigen die persönliche Verarbeitung des Verlustes und der Schmerz über seinen Tod im Vordergrund stehen, geht es bei der staatlichen Verarbeitung um ein politisiertes Totengedenken. Die Gefallenen dürfen nicht vergessen werden, sondern sollen Vorbild und Orientierung für das Vaterland sein.[Anm. 1]
Julien macht eindringlich darauf aufmerksam, dass das Massensterben aus vielen individuellen Einzelschicksalen bestand. Die Kameraden an der Front versuchten in kleinen zivilen Riten – wenn es möglich war – dem Gefallenen die Augen zu schließen, eine kleine Andacht zu halten und Erinnerungsstücke von ihm zu bergen, um so ihrer persönlichen Anteilnahme und Trauer Ausdruck zu verleihen und die Individualität des Einzelnen zu würdigen.[Anm. 2]
Dennoch blieb in einer Großzahl der Fälle die Identifizierung und Lokalisierung der Gefallenen schwierig und die Familien konnten ihren im Massengrab bestatteten Angehörigen meist nur aus der Ferne betrauern. Die Wünsche nach einer individuellen, privaten Zeremonie am Sterbeort und die staatlichen, militärischen und administrativen Möglichkeiten prallten hierbei durchaus als Gegensätze aufeinander.[Anm. 3]
Die Bestattung Gefallener in einem Massengrab war eine häufige Notwendigkeit, die sich aus der Menge der Verstorbenen, fehlendem Platz an der Kriegsfront für die Beisetzungen und dem zu hohen Aufwand für eine massenweise Rückführung ergab. Der Staat wurde verantwortlich für die Gräberfürsorge und deutete das „Kameradengrab“ fern der Heimat als „Ort, wo die Erinnerung kollektiv wurde und nicht verblasste“. In dieser ideologischen Prägung der „Soldatengräber für das ewige Überleben“ und der Einheitlichkeit der Gräber zur „Garantie der Gleichheit der Gefallenen“ ist eine weitere Facette des Politischen Totenkultes sichtbar.[Anm. 4]
In der Heimat dienten Denkmäler, öffentliche Gedenkfeiern mit religiösen Elementen und öffentliche Ehrungen der Gefallenen zur Verarbeitung der Trauer und zur Aufnahme in die kollektive Erinnerung.[Anm. 5] Resultierend daraus konnte der Politische Totenkult auch ein Ventil zur Verarbeitung der persönlichen Trauer und des Verlustes werden und gegebenenfalls durch heroisierende Darstellungen sogar so etwas wie „Vaterlandstolz“ für den Einsatz des Gefallenen aufkommen.
Infolgedessen oszilliert der Politischer Totenkult zwischen öffentlichem Gedenken mit politischer Deutung, sozialem Akt zur Unterstützung überwältigender – weil massenweiser – Trauer und gedenkstiftenden Antworten auf persönlichen Schmerz.[Anm. 6]
NACHWEISE
Verfasserin Text: Marion Nöldeke
Literatur: siehe Quellen- und Literaturverzeichnis
Erstellt am: 30.09.2020
Weitere Publikationen der Autorin zum Thema:
Politischer Totenkult – Erinnerung an Krieg und Gewalt. In: Hohenlimburger Heimatblätter, Heft 11/2021, November 2021, 82. Jahrgang, S. 461-474. ISSN 2698-8402. Sowie: Das Kriegerdenkmal in Hagen-Vorhalle: eine Spurensuche im Stadtarchiv Hagen. In: Hohenlimburger Heimatblätter, Heft 11/2021, November 2021, 82. Jahrgang, S. 475-483. ISSN 2698-8402.