Hunsrück

0.11. Formenlehre

0.1.11.2. Verb

0.2.11.2.1. Konjugation von sein

äich sinich bin

Das Verb sein hat im Standarddeutschen im Indikativ Aktiv Präsens folgen­de Flexionsformen:

1. Person Singular (ich) bin                  1. Person Plural (wir) sind
2. Person Singular (du) bist                  2. Person Plural (ihr) seid
3. Person Singular (er/sie/es) ist          3. Person Plural (sie) sind

Die 1. Person Singular von sein lautet im rheinfränkischen Teil unseres Gebietes (ich) bin, ansonsten ist (ich) sein vertreten (vgl. Karte 5), und zwar in verschiede­nen lautlichen Ausprägungen. Die zahlenmäßige Hauptvariante ist (äich) sin. Seltener kommt sen vor. Der Westen hat vereinzelt Dehnung: seen. In einem breiten Streifen zwischen Hermeskeil und Bernkastel-Kues wechseln säin und selteneres sain ab.

Der rheinfränkische Hunsrück liegt diesseits der fest/fescht-Linie (vgl. Karte 30). Die 2. Person Singular (du) bist hat daher die Form bischt, zum Teil bisch mit t-Abfall. Im moselfränkischen Bereich stellen sich die Verhältnisse fol­gendermaßen dar: Südlich der fest/fescht-Isoglosse sind bischt (im Osten) und bisch (im Westen) belegt. Ansonsten heißt es nordwestlich einer Linie Mettlach – Morbach – Kastellaun – Boppard bis und südöstlich davon bist. Südlich der Mosel zwischen Trier und Bernkastel-Kues sagt man bas, sehr selten bos. Diese beiden Varianten sind auf eine besondere sprachhistori­sche Entwicklung von i zurückzuführen, die in Kap. 10.2.12. beschrieben ist, s. dort.

Die Formen für die 3. Person Singular haben durchgehend t-Abfall. Am häufigs­ten kommt (er/sie/et) is vor. Vor allem im äußersten Südwesten ist es ver­breitet. Analog zu bist (s. o.) sind südlich der Mosel zwischen Trier und Bernkastel-Kues as und sehr selten os vertreten.

Die Formen für die 1. und 3. Person Plural sind in den Dialekten genauso wie in der Standardsprache ((wir) sind – (sie) sind) identisch. Gebildet sind sie auf der Grundlage von sein. Das Moseltal zwi­schen Trier und Cochem sowie der Hunsrück westlich einer Linie Wadern – Hermeskeil – Morbach – Bern­kastel-Kues hat säin. Eine Ausnahme stellt der westliche Teil des Saar-Ruwer-Hunsrücks mit sen dar. Östlich der genannten Linie ist überwiegend sin die übliche Form. Nur im Rheinhunsrück zwischen Sankt Goar und der Nahemündung findet sich säin.

Die 2. Person Plural wird durch (dir) said oder (selten) säid ausgedrückt. Eine typisierte Übersicht über die Konjugation von sein in den verschiedenen Teilgebieten des Hunsrücks bietet Karte 39.


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