Hunsrück

0.11. Formenlehre

0.1.11.6 Pronomen

0.2.11.6.1. Personalpronomen

hään, säi

Im Deutschen haben wir sechs Personalpronomen, jeweils drei im Singular und im Plural:

1. Person Singular ich1. Person Plural wir
2. Person Singular du2. Person Plural ihr
3. Person Singular er/sie/es3. Person Plural sie

Über die Personalpronomen ich und du, die in der Lautform äich/aich bzw. dou/dau jeweils eine immense Fläche des Hunsrücks einnehmen, wurde schon im Vokalismusteil dieses Buches berichtet (vgl. Kap. 10.2.2.). Ergän­zend ist anzumerken, dass in unbetonter Stellung äich/aich zu ich und dou/ dau zu de wird, z. B. gehn-ich ʻgehe ich’, kanns-de ʻkannst du’. Auch das Pronomen es, das wegen unterbliebener Lautverschiebung in einem großen Teilgebiet et heißt, war bereits Thema (vgl. Kap. 4.). Im Folgenden wird ein kurzer Blick auf die übrigen Pronomen geworfen. Zu den weiteren Gliedern der 3. Person Singular, also er und sie ist folgendes festzuhalten: Im westlichen Huns­rück wird er durch hään (vgl. Karte 51) repräsentiert. (Das ‑n kann gemäß der Eifler Regel – vgl. Kap. 10.3.11. – abfallen.) In unbetonter Stellung er­folgt lautliche Reduktion zu (e)n (hod-n ʻhat er’). Die sog. h-Pronomen, zu denen neben hään auch him ʻihm’, hir ʻihr’ (Dativ) und weitere gehören, stehen sprachhistorisch in Verbindung mit den englischen, ebenfalls mit h beginnenden Pronomen he ʻer’, him ʻihm’, her ʻihr’ usw. Der übrige Huns­rück weist er in verschiedenen phonetischen Ausprägungen (äa, ea usw.) auf. Die unbetonte Form ist a (hod-a ʻhat er’). Die weibliche Form der 3. Person Singular (sie) lautet im Moselfränkischen säi (unbetont: se). Das ist zugleich die Form der 3. Person Plural. Der Diphthong äi ist hier wie bei äich ʻich’ und mäich ʻmich’ (vgl. Kap. 10.2.2.) damit zu erklären, dass im Moselfränkischen die historisch anzusetzende Vorgängerform ein langes ī (mittelhochdeutsch ) aufweist. Nur aus einer solchen konnte sich ein Diphthong ergeben.


Die 1. Person Plural (wir) und die 2. Person Plural (ihr) heißen im Hunsrück mir (unbe­tont: me) bzw. dir (unbetont: de). Selten ist im rheinfränkischen Teil ihr statt dir vertreten. Die Entwicklung von mir aus wir wird durch lautliche Assimilation (vgl. auch Kap. 10.3.6.) und Verschiebung der Silbengrenze erklärt. Auszugehen ist von einer Fügung Verb + wir, also beispielsweise machen + wir. Durch Assimilation entsteht im Dialekt: machemir. Verle­gung der Silbengrenze führt zu mache + mir. Ein Parallelfall liegt bei der Entwicklung von ihr zu dir vor. Auch hier ist eine Fügung nach dem Muster Verb + ihr die Grundlage, also z. B. macht + ihr. Durch Verschiebung der Silbengrenze kommt es zu mach + dir. Bei der Herausbildung von mir und dir spielen wahrscheinlich auch Ausgleichstendenzen nach dem Typ mir, mich bzw. dir, dich eine Rolle.

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0.1.11.6.2. Relativpronomen

Das Standarddeutsche hat die Relativpronomen der, die, das. Ihnen kommt die Funktion zu, Relativsätze einzuleiten. Das grammatische Geschlecht des Bezugswortes bestimmt die Form des Relativpronomens, z. B.: Der Mann, der dort steht, … / Die Frau, die dort steht, … / Das Kind, das dort steht, …. In einem Großteil der Hunsrücker Dialekte wird als Relativpronomen für al­le drei Geschlechter wo verwendet, z. B. (verhochdeutscht) der Mann/die Frau/das Kind, wo dort steht, … (vgl. Karte 52). Das wo-Gebiet reicht nicht über die Mosel hinaus. Die gesamte Eifel hat der/die/das, was sich bereits im westlichen und nördlichen Hunsrück großflächig ankündigt.


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0.1.11.6.3. Partitivpronomen

Partitivpronomen drücken ein Teilverhältnis aus. In unserer Standardspra­che gibt es sie nicht, aber im Hunsrücker Platt sind sie flächendeckend ver­breitet. Die Dialektformen sind: a) es für Maskulinum und Neutrum Singu­lar sowie b) er(e) für Femininum Singular und generell für den Plural. Die folgenden Beispielsätze veranschaulichen die Verwendung dieser Prono­men:

  1. Äich hon es
  2. Dau hos er vill
  3. Mir hon er(e)

Eine wortgetreue Übertragung der Konstruktionen ins Standarddeutsche ist nicht möglich, weil – wie bereits bemerkt – die Hochsprache über keine derartigen Partitivpronomen verfügt. Die Sätze lassen sich, eher umschrei­bend als übersetzend folgendermaßen wiedergeben:

  1. Ich habe davon / Ich habe von dem / Ich habe welches (z. B. Brot)
  2. Du hast viel davon / Du hast viel von dieser (z. B. Zeit)
  3. Wir haben davon / Wir haben von diesen / Wir haben welche (z. B. Äpfel)

Für die Dialektsätze mit Partitivpronomen stehen also im Standarddeutschen Fügungen mit davon, welch, von dem/diesem usw.

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