0.12. Wortschatz
0.1.12.2. Entlehnungen
0.2.12.2.2. Lehnwörter aus dem Französischen
Französische Lehnwörter sind zu verschiedenen Zeiten in die Hunsrücker Dialekte gelangt. Es lassen sich drei Schichten mit verstärkter Infiltration feststellen. Aber selbstverständlich wurde französisches Wortgut auch außerhalb dieser Übermittlungsschwerpunkte aufgenommen, z. B. durch Kontakt mit französischen Soldaten während verschiedener Kriegszüge. Frühe Übernahmen erfolgten aus dem Altfranzösischen (9.-14. Jahrhundert) – häufig über Vermittlung durch das Niederländische. In diesen zeitlichen Kontext gehören z. B. die Dialektwörter malad/malack (und weitere Varianten) ʻkrank, kränklich, erschöpft’, Gummer/Kommer (und weitere Varianten) ʻGurke’, Moster(t), Mostrich (und weitere Varianten) ʻSenf’ und wahrscheinlich auch Dunzel ʻeingebildete(s), einfältige(s) Frau/Mädchen’. Zu den Wörtern im Einzelnen: Die Ausdrücke malad/malack führen zurück auf altfranzösisch malade mit gleicher Bedeutung. Dieses gehört zu lateinisch male habēre ʻsich unwohl fühlen’. Die Entlehnung ist im Deutschen seit dem 13. Jahrhundert bezeugt. Gummer usw. ist aus gleichbedeutend altfranzösisch coucombre übernommen. Diesem liegt lateinisch cucumis mit derselben Bedeutung zugrunde. Das Rheinische Wörterbuch (IV, Sp. 1715) verzeichnet auch ungekürzte Dialektformen so für Graach an der Mosel (Verbandsgemeinde Bernkastel-Kues) Kommkommer und für Birkenfeld Gegommer. Über Moster(t), Mostrich, aus dem altfranzösischen mostarde über das Mittelniederländische im 14. Jahrhundert entlehnt, handelt ausführlich Kap. 12.1. (Stichwort: Senf). Dunzel ist aus altfranzösisch donzele übernommen, vgl. auch neufranzösisch donzelle ʻlaunische Frau’. Dieses Wort ist mit demoiselle ʻFräulein’ verwandt. Grundlage ist lateinisch dom(i)nicella ʻkleine Herrin’, das eine Verkleinerungsform von domina ʻHerrin’ darstellt.
Die zweite Periode mit verstärktem Zufluss französischen Wortguts ist zwischen 1794 und 1814 anzusetzen. In der sogenannten Franzosenzeit, als das linke Rheinufer unter französischer Herrschaft stand, sind viele Ausdrücke des Rechts, des Militärs und der Verwaltung in die Dialekte eingedrungen. Hierzu seien im Nachfolgenden vier Beispiele aufgeführt. Das Wort Hissje mit verschiedenen Varianten (z. B. Hussje) steht für ‘Gerichtsvollzieher’. Es ist aus gleichbedeutend französisch huissier übernommen. Zur Bezeichnung des Gefängnisses gibt es in den Dialekten die Wörter Bolles und Prisong (jeweils mit Varianten). Das erste ist aus police ‘Polizei’, das zweite aus prison ‘Gefängnis’ entlehnt. Schandarm ‘Polizist’ resultiert aus gleichbedeutend französisch gendarme.
Die zweite Schicht französischer Entlehnungen überschneidet sich zeitlich mit der dritten, die für das 17. bis 19. Jahrhundert anzusetzen ist. In diesem Zeitabschnitt galten im Adel und hohen Bürgertum die französische Kultur und Lebensart als beispielhaft und nachahmenswert. Die Bewunderung ging sogar so weit, dass es in den vornehmen Kreisen als schick galt, Konversation in französischer statt deutscher Sprache zu betreiben. Französisches Wortgut wurde ins Deutsche übernommen. Zunächst betraf das die Sprache der sozial Hochstehenden. Weil das einfache Volk aber an der feinen Ausdrucksweise Anteil haben wollte, integrierte es die Entlehnungen auch in seine Alltagssprache – den Dialekt. Es lässt sich heute nicht immer leicht entscheiden, ob ein französisches Lehnwort durch direkten Kontakt mit dem Französischen (zweite Schicht) oder durch Vermittlung über das Deutsch des Adels und hohen Bürgertums (dritte Schicht) in den Dialekt gelangte. Es folgt nun eine kleine Auswahl französischer Lehnwörter im Hunsrücker Platt:
- Blimmo (u. ä.) ‘Bettdecke’ aus französisch plumeau ‘Federwisch’,
- Brullje(s) in der Wendung Brullje(s) machen ‘Aufwand treiben, prahlen’ aus französisch brouille ‘Streit, Zwist’,
- dispetiere (u. ä.) ‘mit Worten streiten’ aus gleichbedeutend französisch disputer,
- dussma (u. ä.) ‘leise, behutsam, sachte’ aus gleichbedeutend französisch doucement,
- kababel/kabawel usw. ‘fähig, geschickt, fleißig’ aus französisch capable ‘fähig’,
- Parbel/Barblee/Parawel usw. ‘Regenschirm’ aus gleichbedeutend französisch parapluie,
- powaien usw. ‘pflastern’ aus gleichbedeutend französisch paver,
- rässeniere (u. ä.) ‘zanken, schimpfen’ aus französisch raisonner ‘denken, diskutieren’,
- Schääs (u. ä.) ‘Kutsche, Wagen’, auch Kinnerschääs ‘Kinderwagen’ aus französisch chaise ‘Stuhl’.