0.14. Namen
0.1.14.1. Familiennamen
Familiennamen gehören nicht unmittelbar zum Dialekt. Namenschatz und Wortschatz sind zwei unterschiedliche Kategorien. Das zeigt sich u. a. daran, dass Familiennamen seit ihrer festen standesamtlichen Fixierung (1900) unverändert bleiben, während Dialektwörter sich dem Wandel nicht entziehen können. Das bedeutet, dass den Familiennamen das obligatorische Merkmal der Veränderlichkeit, das jeder Sprache zu Eigen ist, fehlt. Familiennamen sind verschriftet, die Dialekte sind es nicht. Die Verschriftung von Namen erfolgte zumeist nicht nach den Regeln des Dialekts. Der Handwerker, der berufsmäßig Getreide mahlt, wird im Hunsrücker Dialekt als Miller bezeichnet (mit der üblichen Entrundung von ü zu i, vgl. Kap. 10.2.4.). Der entsprechende Familienname der Hunsrücker erscheint jedoch nach dem hochdeutschen Muster als Müller. Dennoch sind die Zusammenhänge zwischen Familiennamen und Dialekt unverkennbar. Unzählige Familiennamen teilen mit dem Dialekt die regionale Gebundenheit. Man kann sagen: Wie Dialektwörter lediglich in einem mehr oder weniger großen Gebiet Geltung haben, so kommen auch bestimmte Familiennamen nur in einer bestimmten Gegend vor (von „Ausreißern“ durch Wegzug abgesehen). Es gibt also Namen, die man, obwohl sie keinerlei Dialektmerkmale aufweisen, als typisch hunsrückisch bezeichnen kann, weil sie woanders so gut wie nicht zu finden sind (vgl. unten z. B. den Namen Stumm). Darüber hinaus treten Hunsrücker Familiennamen auf, die eine typische dialektale Prägung zeigen (vgl. unten Gewehr). Bevor wir einen Blick auf einige Familiennamen unserer Region werfen, bedarf es einer kleinen Einführung in die Namenkunde.
Bis in das Mittelalter hinein trugen die Menschen nur einen Rufnamen. Der Rufnamenschatz war beschränkt. Bestimmte Namen erfreuten sich besonderer Beliebtheit und wurden häufig vergeben. Als die Bevölkerung, vor allem in den Städten anwuchs, konnte man nicht mehr die vielen Konrad, Hermann, Johannes und Nikolaus auseinanderhalten. Um namengleiche Personen unterscheidbar zu machen, wurden ihnen Beinahmen gegeben, z. B. Johannes der Hamburger, wenn die Person aus Hamburg zugezogen war, Johannes der Müller, wenn die Person den Beruf des Müllers ausübte, Johannes der Große, wenn die Person durch ihre Körpergröße auffiel, usw. Aus den Beinamen der Hamburger, der Müller, der Große usw. entwickelten sich bis zum 16. Jahrhundert die Familiennamen Hamburger, Müller, Groß(e) usw., die seitdem von Generation zu Generation vererbt werden, unabhängig davon, ob das Motiv für die ursprüngliche Namengebung noch vorhanden ist (die Meisten mit dem Familiennamen Müller sind heute keine Müller mehr).
Unsere Familiennamen rekrutieren sich aus fünf Bereichen:
- Die Benennung von Personen erfolgte nach dem Rufnamen des Vaters, z. B. Peter Johannsohn, Konrad Heinrich(s). Bildungen dieser Art werden als Patronyme (Vaternamen) bezeichnet. (Benennungen nach dem Mutternamen waren äußerst selten.) Sekundäre Patronyme liegen vor, wenn der Familienname nicht auf den Rufnamen, sondern eine andere Kennzeichnung des Vaters zurückgeht, z. B. Hermann Beckers, entstanden aus Hermann der Sohn des Bäckers.
- Personen wurden nach ihrem Beruf benannt, z. B. Johannes Müller, Nikolaus Weber. Diese Kategorie der Familiennamen bezeichnet man als Berufsnamen. Neben den direkten gibt es indirekte Berufsnamen (Berufsübernamen), die sich auf ein Werkzeug, das Produkt oder Arbeitsmaterial des Berufs beziehen, z. B. Peter Hammer für den Schmied, Friedrich Leder für den Gerber und Albert Kalbfuß für den Metzger.
- Benennungen erfolgten nach der Wohnstätte, z. B. Otto Steinig für jemanden, der seinen Wohnplatz an einer steinigen Stelle hatte, Berthold Dormann für einen, der an einem Tor wohnte. Familiennamen, die zu dieser Klasse zählen, werden Wohnstättennamen genannt.
- Personen, die aus einem anderen Ort oder einer anderen Gegend zugezogen waren, bekamen Herkunftsnamen, z. B. Dietrich Hamburger für einen, der aus Hamburg zugewandert war, Gerhard Sachs(e) für einen, der aus Sachsen stammte.
- Die Namengebung konnte nach einer auffälligen körperlichen oder charakterlichen Eigenschaft des ersten Namenträgers erfolgen, z. B. Walther Braun für den Braunhaarigen, Michael Gutmann für den Unbescholtenen, den Ehrenmann. Solche Familiennamen fasst man zur Gruppe der Übernamen zusammen.
Familiennamen wie Müller, Koch, Wagner und Schwarz kommen in ganz Deutschland vor. Ihre Häufigkeitsdichte schwankt zwar regional, dennoch ändert das nichts an der Feststellung, dass sie von Flensburg bis Oberstdorf und von Aachen bis Görlitz vertreten sind. Solch eine deutschlandweite Verbreitung hat nur ein Teil unserer Familiennamen. Wohl für die meisten Namen gilt eine Beschränkung auf eine mehr oder weniger große Region, was nicht heißen soll, dass es auf Grund von Binnenmigration keine Streubelege möglicherweise sogar im gesamten Bundesgebiet gäbe. Typische Familiennamen Westdeutschlands sind u. a. Struth, Best, Wilbert, Lauer, Leyendecker, Schon, Weinand und Simonis. Zahlreiche Namen verteilen sich sogar nur auf wenige Orte. Solche regionalen Familiennamennester gibt es auch zwischen Rhein, Mosel, Saar und Nahe.
Im Folgenden behandele ich sieben Familiennamen aus unserem Raum und präsentiere deren areale Verteilung auf Karten. Die Datengrundlage der Familiennamenkarten bilden die von der Telekom im Jahr 1995 verzeichneten Telefonfestnetzanschlüsse. Die rund 28 Millionen Einträge enthalten etwa 950 000 verschiedene Namen. Auf der Basis der Telekom-Daten wurde von Richard Kunze (Tivano Software GmbH, Neu-Isenburg) ein spezielles Programm entwickelt, das die Darstellung der Familiennamenverteilung auf Karten ermöglicht. Den Zugriff auf die Kartierungssoftware erlaubten mir freundlicherweise Damaris Nübling (Universität Mainz) sowie Konrad Kunze (Universität Freiburg i. Br.), wofür ich sehr dankbar bin. Die beiden Namenforscher zeichnen verantwortlich für den siebenbändigen Deutschen Familiennamenatlas, der seit 2018 abgeschlossen vorliegt. Für ihn wurde das Kartierungsprogramm, dessen Datenbasis man 2005 aktualisiert hat, eigens entwickelt.
Die Familiennamenverteilung wird auf den folgenden Karten durch rote Kreissymbole visualisiert, die sich auf dreistellige Postleitzahl-Bereiche beziehen. Dargestellt sind die relativen Vorkommenshäufigkeiten, das heißt der Anteil des kartierten Namens an der Gesamtzahl der Telefonanschlüsse in einem Postleitzahl-Bereich. Die Kartenlegende gibt Auskunft über die minimale und maximale Vorkommenshäufigkeit des kartierten Namens. Pro Telefonanschluss waren 1995 durchschnittlich 2,8 Namenträger zu veranschlagen.
Familienname Hilgert
Ein für unser Gebiet typischer Familienname ist Hilgert. Es liegt hier ein Patronym, also Vatername (s. o.) vor, das heißt der erste Träger dieses Familiennamens wurde nach dem Rufnamen seines Vaters benannt. Hilgert ist germanischen Ursprungs. Das Wort besteht aus zwei Teilen. Der erste Hil- gehört zu germanisch *hiltja ‘Kampf’, der zweite ‑gert zu germanisch *gēr ‘Speer’ mit t-Zuwachs. Nicht auszuschließen ist aber auch germanisch *gardaz ‘Zaun, Einfriedung’ als zweite Komponente, das sich zum heutigen ‑gard entwickelt hat, wie es z. B. auch in Hildegard und Irmgard vorliegt. Nach dieser etymologischen Deutung würde Hilgert zu der seltenen Klasse der Metronyme, also Mutternamen (s. o.) zählen.
Die Karte 62 dokumentiert die Verteilung des Familiennamens Hilgert in Deutschland. Abgesehen von etlichen Streubelegen konzentriert sich der Name auf Rheinland-Pfalz, in geringerem Maße auch auf das Saarland. 27 von bundesweit 919 Telefonanschlüssen auf den Namen Hilgert gibt es unter den Postleitzahl 55442, 55444, 55469 und 55471. Das sind Orte im weiten Umkreis von Simmern. Das Koblenzer Telefonbuch weist 17-mal den Namen auf. Im Postleitzahl-Bezirk 55481 um Kirchberg ist Hilgert achtmal, ebensooft in Trier und siebenmal im Postleitzahl-Gebiet 54316 südlich Trier vertreten. Ansonsten begegnet der Name überall im Hunsrück mit geringerer Häufigkeit.
Familienname Weirich
Der Familienname Weirich kommt im Großraum Kirchberg (Postleitzahl-Bereiche 55481, 55483, 55487, 55490, 55491, 55624, 56850, 56858, 56865) mit 62 Festnetzanschlüssen vor. Um Idar-Oberstein (Postleitzahl-Gebiete 55606, 55608, 55624, 55626, 55627, 55743, 55758, 55765, 55767) ist er 35-mal vertreten und um Simmern (Postleitzahl-Gebiete 55469, 55471, 55494, 55496, 55497, 55498) 30-mal. In Trier gibt es 21 Anschlüsse mit diesem Namen und in Koblenz 11. Darüber hinaus kommt der Familienname, auf den bundesweit 1 110 Telefonanschlüsse lauten, in kleinerer Zahl auch in den übrigen Hunsrücker Postleitzahl-Bereichen vor. Weirich ist ebenfalls relativ häufig im Saarland verbreitet, ansonsten gibt es für Deutschland nur Streubelege, wie die Karte 63 zeigt. Der Name kann also als typisch für den Hunsrücker Raum angesehen werden.
Neben Weirich gibt es die Schreibvariante Weyrich, die mit insgesamt 768 Telefonanschlüssen vertreten ist. Die räumliche Verteilung entspricht im Prinzip der von Weirich. Während im Hunsrück Weirich häufiger erscheint als Weyrich, ist das Verhältnis im Saarland teilweise umgekehrt.
Wie Hilgert ist auch Weirich ein Patronym (s. o.) und ebenso handelt es sich hier ursprünglich um einen zweiteiligen germanischen Rufnamen. Die erste Silbe Wei- entspricht germanisch *wīg ‘Kampf’ (vgl. z. B. auch Ludwig), die zweite ‑rich geht auf germanisch *rīhhi ‘Herrschaft, Herrscher’ zurück (vgl. z. B. auch Friedrich).
Familienname Castor
Nach der Christianisierung Deutschlands im frühen Mittelalter wurden als Rufnamen neben den germanischen (Hartmut, Wilhelm, Gertrud, Hildegard usw.) zunehmend auch biblische Namen, insbesondere aber Heiligennamen vergeben. Ab dem Ende des 12. Jahrhunderts. stieg die Zahl der Trägerinnen und Träger von Heiligennamen rapide an. Beliebt waren Katharina, Christine, Margarete, Johannes, Nikolaus, Peter usw. Im 15./16. Jahrhundert machten die Heiligennamen vielerorts 90 % des Rufnamenschatzes aus. Grund für die Zunahme und Popularität war die steigende Heiligenverehrung.
Der Familienname Castor ist ein Patronym, das bedeutet, dass der erste Träger dieses Familiennamens nach dem Rufnamen seines Vaters benannt wurde (s. o.). Der Rufname Castor verweist auf den heiligen Castor von Karden, der im 4. Jahrhundert lebte. Er stammte aus Aquitanien (Südwestfrankreich), war Schüler des Bischofs Maximinus von Trier (um 280-346) und lebte (der Legende nach) als Priester und Einsiedler bei Karden an der Mosel, wo er um 400 starb. Er wird als Missionar des Mosellands verehrt und gilt als Patron von Koblenz, wo ihm ebenso wie in Karden eine Kirche geweiht ist.
In Deutschland gibt es 246 Festnetzanschlüsse, die auf den Familiennamen Castor angemeldet sind. Er kommt in größerer Zahl, wie Karte 64 ausweist, nur in Rheinland-Pfalz vor. Ansonsten lassen sich lediglich Streubelege feststellen. An der Untermosel erscheint er 25-mal in den Telefonbüchern, hauptsächlich in den Postleitzahl-Bezirken 56253, 56332, 56818 mit den Orten Treis-Karden, Klotten usw. Im nördlichen Hunsrück und am Mittelrhein ist er 30-mal vertreten, besonders in den Postleitzahl-Bereichen 55430 und 56290 mit etlichen Namenträgern in Oberwesel (südlich Boppard). Koblenz hat 25 Einträge mit dem Namen.
Dass der Familienname Castor überwiegend in der Gegend Untermosel – Nordhunsrück – Mittelrhein auftritt, hängt mit dem Verehrungsgebiet des heiligen Castor zusammen, das anders als bei den „großen“ Heiligen wie Barbara, Anna, Nikolaus und Thomas nur auf dessen engen Wirkungsraum beschränkt war. Dort hauptsächlich vergab man im Mittelalter in Erinnerung an den Lokalheiligen den Rufnamen Castor, aus dem sich dann der patronymische Familienname ergab. Auf Grund der spezifischen Verteilung des Familiennamens lässt sich sehr genau ersehen, in welchem Umkreis der heiligen Castor von Karden verehrt wurde. Die Namenforschung kann mit solchen Befunden über ihr Fachgebiet hinaus einen Beitrag zur Erforschung der Geschichte der Volksfrömmigkeit leisten.
Neben Castor tritt auch die Schreibvariante Kastor mit insgesamt 37 Telefonbucheinträgen auf. Die meisten Vorkommen gibt es im Verbreitungsgebiet von Castor, allein in Treis-Karden erscheint die Variante achtmal.
Familienname Gewehr
Der Familienname Gewehr hat mit dem gleichlautenden Wort für die Feuerwaffe nichts zu tun. Er geht vielmehr auf den Ortsnamen Sankt Goar zurück, der im lokalen Dialekt zu San Gewär wird. Der Familienname ist also ein Herkunftsname (s. o.). Denkbar wäre aber auch – ist jedoch weniger wahrscheinlich, wie unten zu zeigen sein wird –, dass er wie Castor (s. dort) ein Patronym darstellt und auf den Heiligennamen Goar zu beziehen ist.
Der heilige Goar lebte im 6. Jahrhundert Er wurde in Aquitanien (Südwestfrankreich) geboren und kam während der Regierung des Frankenkönigs Childebert (511-538) als Priester an den Rhein. Dort, wo später die Stadt Sankt Goar entstand, baute er eine Zelle sowie eine Kapelle und wirkte als Missionar. Sein Tod wird um das Jahr 575 angenommen.
Für einen Herkunftsnamen bei Gewehr spricht die Tatsache, dass der Familienname nach Ausweis der Telefonbücher in Sankt Goar überhaupt nicht, in unmittelbarer Umgebung lediglich einmal und sonst nur in weiter entfernten Orten vorkommt. Er weist somit die Typik von Herkunftsnamen auf, die Zuzug voraussetzen. (Es würde keinen Sinn machen z. B. in Morbach den Familiennamen Morbach(er) zu vergeben.) Handelte es sich bei Gewehr um ein Patronym, wäre zu erwarten, dass der Name auch in Sankt Goar und nächster Nachbarschaft erscheint, wie das der Fall bei dem Familiennamen Castor ist, der in Treis-Karden, dem Wirkungsort des Heiligen, mehrfach belegt ist.
Hervorhebenswert ist, dass der Familienname Gewehr aus der Dialektform für (Sankt) Goar resultiert (s. o.). Es gibt viele Parallelfälle, bei denen lautliche Prägung durch den Dialekt vorliegt. Zwei sollen hier genannt werden. Der regionaltypische (Kreis Bad Kreuznach) Familienname Kil(t)z ist Herkunftsname (s. o.) aus dem Ortsnamen Külz (Verbandsgemeinde Simmern). Der Familienname basiert auf der Dialektform von Külz, die Kilz lautet mit der regelhaften Entrundung von ü zu i (vgl. Kap. 10.2.4.). Der im Nordhunsrück auftretende Familienname Morschhäuser stellt einen Herkunftsnamen aus dem Ortsnamen Morshausen (Verbandsgemeinde Emmelshausen) dar. In dem Familiennamen erscheint die Lautfolge ‑rs- nach den Regeln des Dialekts als ‑rsch- (vgl. Kap. 10.3.5.). (Vgl. auch unten Auler.)
Der Name Gewehr ist bundesweit 252-mal vertreten. Er kommt im Gebiet Rheinböllen – Kirchberg – Emmelshausen 52-mal in den Telefonbüchern vor. Besonders häufig, nämlich 16-mal tritt er in den Postleitzahl-Bezirken 55469, 55471 und 56288 (Raum Simmern – Kastellaun) auf. Im Bereich Kirn – Idar-Oberstein ist der Name achtmal verzeichnet und in Koblenz fünfmal. Er kann als typisch für unser Gebiet gelten, denn ansonsten kommt er in Deutschland nur sehr vereinzelt vor, vgl. Karte 65.
Familienname Auler
Im deutschen Sprachraum gibt es unterschiedliche Dialektwörter für den (irdenen) Topf. Im Niederdeutschen heißt das Gefäß Pott, im Westen des Mitteldeutschen Düppen und im Osten Topf, das Oberdeutsche hat Hafen. Die Bezeichnungen für den Handwerker, der die Ware herstellt, sind entsprechend regional differenziert: Pötter, Düppenbäcker, Töpfer und Hafner (jeweils mit Varianten). Die aus diesen Berufsbezeichnungen entstandenen Familiennamen lauten: Pötter, Pöttner usw., Düpper, Düppen usw., Döpfner, Töpfer usw., Häfner, Hafner usw.
Noch im ersten Drittel des 20. Jahrhundert gab es im Moselfränkischen mancherorts das Wort Aul(e), auch Aules als Bezeichnung für verschiedenartige Töpfe aus Tonerde. Die Dialektformen lauteten Oul, Oules usw. Das Wort, das heute wohl als ausgestorben gelten darf, brachten die Römer mit der Tonwarenproduktion an Rhein und Mosel. Sprachliche Grundlage ist der galloromanische Ausdruck ōla ‘irdener Topf’. Die auf der Basis von Aul(e) gebildete Berufsbezeichnung ist Auler (analog zu Pott – Pötter, Hafen – Hafner, s. o.). Der daraus entstandene Familienname lautet ebenso. Bezeichnenderweise findet er sich – wie die Karte 66 zeigt – überwiegend in unserem Gebiet, also exakt dort, wo der Topf im Dialekt Aul(e) hieß. Mit Auler haben wir einen der Fälle vorliegen, bei dem ein reines Dialektwort zum Familiennamen wurde.
Von den deutschlandweit 280 Telefonanschlüssen auf den Namen Auler entfallen neun auf Trier, 17 auf die Region nordwestlich von Morbach (Postleitzahl-Bereiche 54472, 54487 und 54497), 55 auf den Raum Rheinböllen – Kirchberg – Kastellaun (vor allem Postleitzahl-Gebiete 55469, 55471, 55481, 55483, 55499, 56288).
Nicht verschwiegen soll aber werden, dass Auler auch Herkunftsname sein könnte nach dem Ort Aull (Rhein-Lahn-Kreis).
Familienname Stumm
Ein wohlbekannter Nachname in unserer Region ist Stumm. Man verbindet mit ihm eine Orgelbauerdynastie, deren Anfänge in die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts zurückreichen. Bis zur Schließung des Betriebs Anfang des 20. Jahrhunderts wurden in sieben Generationen mehr als 360 Instrumente angefertigt. Stumm-Orgeln finden sich in Kirchen und Klöstern zwischen Bonn und Karlsruhe, Saarbrücken und Wertheim am Main. Besonders zahlreich wurden die Regionen Nahe-Hunsrück und Rheinhessen-Pfalz bestückt. Heute wohl weniger bekannt ist, dass ein anderer Zweig der Familie – ebenfalls ab der ersten Hälfte des 18. Jahrhundert – etliche Eisenwerke im westlichen Hunsrück betrieben hatte (u. a. in Asbach und Abentheuer), aus denen später ein bedeutendes, überregional agierendes Montanunternehmen hervorging.
Beide Familienlinien haben historischen Belegen zufolge ihren gemeinsamen Ausgangspunkt in dem Hunsrückort Sulzbach (heute Verbandsgemeinde Rhaunen). Wenn auch nicht unbedingt dortselbst, so doch in der näheren Umgebung ist wohl der Ursprung des Namens Stumm zu suchen. Dafür spricht seine Verteilung in Deutschland. Karte 67 zeigt, dass er schwerpunktmäßig in unserem Gebiet vertreten ist, ohne spezifische Dialektmerkmale aufzuweisen. Darüber hinaus sind lediglich Streubelege zu verzeichnen, die durch Wegzug zu erklären sind.
Von den deutschlandweit 1 148 Telefonanschlüssen, die auf den Familiennamen Stumm angemeldet sind, finden sich 103 im Raum Idar-Oberstein – Rhaunen – Kirchberg (Postleitzahl-Bezirke 55624, 55743, 55756, 55758, 55481, 55482, 55487, 55490 und 55491), 18 in Boppard, 16 in Koblenz und 14 in und um Kirn (Postleitzahl-Bezirke 55606 und 55608) sowie darüber hinaus in geringerer Anzahl in weiteren Hunsrückorten.
Stumm zählt wie Klein, Schwarz, Fröhlich zu den Übernamen. Auf diese Kategorie entfallen Namen, die auf eine markante körperliche oder charakterliche Eigenschaft des ersten Namenträgers verweisen (s. o.). Wer Stumm benannt wurde, war nicht fähig zu sprechen oder sehr schweigsam.
Familienname Schirra
In unserem Gebiet begegnet man mitunter französischen Familiennamen. Zu nennen sind z. B. Collet (Patronym aus einer französischen Koseform des Rufnamens Nicolas), Dupont (Wohnstättenname zu französisch du pont ‘von der Brücke’), Dupré (Wohnstättenname zu französisch du prè ‘von der Wiese’), Sonnet (Übername oder Berufsübername zu französisch sonnette ‘Glocke’).
Mitgebracht haben die französischen Familiennamen Zuwanderer. Nach der Aufhebung des Edikts von Nantes im Jahr 1685 strömten Abertausende von Hugenotten auf deutsches Territorium. Unser Raum war zwar nachweislich kein Ansiedlungsgebiet für die Glaubensflüchtlinge, aber es scheint, dass einzelne Familien aus den hugenottischen Niederlassungen des Saarlands und der Kurpfalz bis in den Hunsrück weiterzogen. Ab der Mitte des 17. Jahrhunderts wurden im Umkreis der Eisenwerke, vor allem im Westen unseres Gebietes (Hochwald) wallonische Hüttenfachleute mit ihren Familien angesiedelt. Während der napoleonischen Zeit schließlich ließen sich französische Soldaten verschiedenenorts in den besetzten linksrheinischen Territorien nieder.
Gelegentlich wurden die fremden Familiennamen der deutschen Schreibung angepasst. So erscheinen neben Dupont und Duprè auch Düpont und Düpre. Ein weiterer eingedeutschter französischer Familienname lautet Schirra. Er ist ein Patronym und geht zurück auf den französischen Rufnamen Gérard, dem deutsch Gerhard entspricht. Zu finden ist er – vgl. Karte 68 – im Westen des Hunsrücks im großen Umkreis von Hermeskeil. In den Postleitzahl-Bereichen 54411, 54413, 54421, 54422 und 54426 gibt es 33 Telefonanschlüsse auf diesen Namen, in Trier 21 und in Koblenz 10. Besonders viele von den insgesamt 895 Anschlüssen finden sich aber im Saarland. Allein in Lebach, Eppelborn und Illingen gibt es deren 145. Bemerkenswerterweise findet sich der Familienname Düpre schwerpunktmäßig im Großraum Hermeskeil exakt in den gleichen (oben aufgezählten) Postleitzahl-Bezirken wie Schirra.
Weitere Familiennamen
Es gibt eine ganze Reihe weiterer hauptsächlich im Hunsrück beheimateter Familiennamen. Ohne auf Einzelheiten einzugehen, seien an dieser Stelle exemplarisch angeführt: Crummenauer/Krummenauer (Herkunftsname auf ‑er aus dem Ortsnamen Krummenau, Verbandsgemeinde Rhaunen), Karbach (Herkunftsname aus dem Ortsnamen Karbach, Verbandsgemeinde Emmelshausen), Klumb (Übername aus der Bezeichnung für einen dicken Menschen, zu Klumpen ‘formlose Masse’), Mallmann (Berufsname auf ‑mann zu mahlen, bezeichnet den Gehilfen des Müllers), Nick (Patronym aus einer Kurzform des Heiligennamens Nikolaus), Pies (Patronym aus dem Heiligennamen Pius), Schlarb (Übername zu mittelhochdeutsch slarfen ‘schlurfend gehen’).