Hunsrück

0.10. Sprachlaute und Tonakzente

0.1.10.2. Vokale

0.2.10.2.4. Entrundung

Hiit, bees, Läit

Im Standarddeutschen repräsentieren die Schriftzeichen ü und ö Laute, die mit Lippenrundung gesprochen werden. Der Ausdruck Bühne beispielswei­se unterscheidet sich phonetisch von Biene dadurch, dass der Stammvokal im ersten Fall mit gerundeten und im zweiten mit gespreizten Lippen reali­siert wird. Das gleiche Unterscheidungsmerkmal gilt für das Beispielpaar lösenlesen. Die Vokale ü und ö kommen sowohl gedehnt (vgl. die oben genannten Beispiele) als auch als Kürze vor, z. B. Glück und Köpfe. In den meisten ober- und mitteldeutschen Dialekten gibt es diese gerundeten Voka­le nicht. Sie sind zu i bzw. e entrundet, vgl. z. B Glick ‘Glück’, Kepp ‘Köp­fe’ und Mihl ‘Mühle’. Man spricht von Entrundung, weil sich automatisch die Laute i, e ergeben, wenn bei der Artikulation von ü, ö die Lippenrun­dung aufgegeben wird. Das Standarddeutsche hat noch den gerundeten Diphthong eu/äu (z. B. Mäuse, gesprochen: Moise). Im Hunsrücker Platt entspricht diesem Laut entrundetes äi oder ai (Mäis/Mais). Zur Entrundung, die im Rheinischen ungefähr ab dem 15. Jahrhundert auftritt, seien folgende Belege aus der Ge­gend um Simmern angeführt: Hiit ‘Hüte’, Schlissel ‘Schlüssel’, bees ‘böse’, Kepp ‘Köpfe’, Läit/Lait ‘Leute’. Auf Grund von Entrundung sind in den Dialekten ü mit i, ö mit e und eu/äu mit ei zusammengefallen. Die folgende exemplarische Gegenüberstellung verdeutlicht das:

Dialekte um SimmernStandarddeutsch
SchlisselSchlüssel
KindKind
beesböse
SeeSee
Läis/LaisLäuse
Säid/SaidSeide

In den Dialekten wird gewöhnlich ü zu i und ö zu e entrundet. Durch Sen­kung folgt aus i e, (z. B. Hiit > Heet ‘Hüte’ im moselfränkischen Hunsrück). Hebung von e führt zu i (z. B. bees > biis ‘böse’ im Nord(west)en unseres Gebietes). Die Themen Senkung und Hebung behandeln die folgenden Kap. 10.2.5. und 10.2.6.

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