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Der Erste Weltkrieg: Frankreichs Trauma

Aufruf des Arbeiter- und Soldatenrats Speyer, 10. November 1918[Bild: Stadtarchiv Speyer, 6-1343]

Mit der deutschen Kriegserklärung an Frankreich wurde der Raum des heutigen Rheinland-Pfalz zum Aufmarsch- und Etappengebiet der Westfront. Der befürchtete Kampf auf deutschem Boden blieb allerdings aus. Denn seit dem Krieg von 1870/71 und der Annexion von Elsass-Lothringen hatte das Deutsche Reich eine Auseinandersetzung mit Frankreich erwartet und dagegen einen Angriffskrieg vorbereitet. In dem mehr als vierjährigen Ringen an der Westfront wurden große Teile Nordwestfrankreichs und Belgiens in Mondlandschaften verwandelt, während das deutsche Grenzgebiet weitgehend verschont blieb. Dagegen zerstörten deutsche Truppen noch beim Rückzug 1918 Bergwerke, Brücken und weitere Infrastruktur in Frankreich und Belgien.
 

Leistungen für den Wiederaufbau der zerstörten Gebiete in Frankreich[Bild: Landeshauptarchiv Koblenz, 612-7854]

Obwohl das Kriegsende seit langem erhofft worden war, versetzte die Niederlage die Bevölkerung in Aufruhr. Matrosen der Kriegsmarine verweigerten einen sinnlosen Endkampf; Kaiser, Könige und Fürsten des Reiches dankten ab, Sozialdemokraten (Scheidemann) und Sozialisten (Liebknecht) riefen in Berlin unabhängig voneinander die Republik aus, Arbeiter- und Soldatenräte übernahmen regional und lokal übergangsweise die Macht. Über Monate kam es zu bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen zwischen Anhängern der alten Ordnung und Protagonisten eines sozialistischen Deutschlands. Nur im linksrheinischen Gebiet blieb es infolge des Einmarsches der Besatzungstruppen weitgehend ruhig.

Begrüßung der zurückkehrenden Trierer Regimenter[Bild: Kreisarchiv Trier-Saarburg, Tb 32-10]

Die in Frankreich und Belgien angerichteten Zerstörungen wurden den Deutschen bis zuletzt als Siege vermittelt, trotz der zahllosen Toten und Verwundeten. Am 11. November 1918 hing an den Anschlagtafeln der Polizeireviere die lapidare Meldung „Waffenstillstand unterzeichnet“. Die Liste der Bedingungen war ernüchternd: „Sie sprachen erbarmungslos die Sprache der Niederlage“ (Sebastian Haffner).

Französisches Flugblatt: Brief eines „Poilu“ an den „deutschen Michel“, ca. 1923

„Mein lieber Michel […] Du meinst, ich hätte es besser, wenn ich daheim wäre und mein Haus wieder aufbauen würde. Ich bin ganz Deiner Meinung; aber ich bräuchte mein Haus nicht aufzubauen, wenn Du es mir nicht kurz und klein geschlagen hättest. Ich könnte wohl Arbeit finden, wenn die Fabrik noch da wäre, die mich einst aufgenommen hat. Aber erinnere Dich doch, Michel, die steht ja leer, seitdem Du die Maschinen mitgenommen hast. Gern möchte ich wieder in die Grube, aber Du hast doch vorsorglich die Schächte gesprengt und die Stollen unter Wasser gesetzt, mein Bester. Beim Vater und bei der Frau wäre ich besser verpflegt, meinst Du… Michel, den Vater hast Du mir ja erschossen und meine Frau nach Deutschland verschleppt, [sie] starb dort in Elend und Schande. […] Michel, ich bin ein Prolet wie Du, aber ein Prolet, dem Du die Taschen geleert und das Heim zerstört hast. […]“ (Landesarchiv Speyer, H 1- 2173)

Texte und Redaktion:
Dr. Walter Rummel (Landesarchiv Speyer), Dr. Hedwig Brüchert; Dr. Ute Engelen, Marion Nöldeke, Dr. Kai-Michael Sprenger (alle Institut für Geschichtliche Landeskunde an der Universität Mainz e.V.), Franziska Blum-Gabelmann M.A. (Haus der Stadtgeschichte Bad Kreuznach), Dr. Eva Heller-Karneth (Museum Alzey), Dr. Armin Schlechter (Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Pfälzische Landesbibliothek)