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Die Ruhrkrise 1923 und ihre Auswirkungen

Fahrkarte Andernach-Bacharach[Bild: Landeshauptarchiv Koblenz, 612-7873]
Reichsbahndirektion Ludwigshafen, Aufruf zum Durchhalten des passiven Widerstandes, 1923[Bild: Stadtarchiv Kaiserslautern, P-A4-0094]

Weil die Reichsregierung 1922 mit den Reparationszahlungen in Rückstand geriet, wollte sich Frankreich als Gegenleistung die Kohlevorkommen des Ruhrgebietes sichern. In der Folge marschierten am 11. Januar 1923 französische und belgische Truppen ins Ruhrgebiet ein. Die deutsche Reichsregierung unter Reichskanzler Wilhelm Cuno rief in den französisch und belgisch besetzten Gebieten zum passiven Widerstand auf. Daraufhin legten dort die Eisenbahnbediensteten ihre Arbeit nieder. Die Franzosen wiesen zahlreiche Streikende, aber auch Kommunalpolitiker, Gewerkschafter, Journalisten und einige Gewerbetreibende mit ihren Familien aus.

Bahnhöfe und Eisenbahnanlagen wurden von französischen Pionieren besetzt. Am 20. März 1923 wurde die Gründung der französisch-belgischen Eisenbahnregie bekannt gegeben, die die Eisenbahnen in den besetzten Gebieten übernahm.

Ausgewiesene Eisenbahner aus Ehrang bei Trier kommen in Kassel an, 1923[Bild: Landeshauptarchiv Koblenz, Best. 700 Nr. 12-56]

Ein großer Teil der Zivilbevölkerung boykottierte die „Regiebahn“. Wer die Züge der französischen Regie nutzen wollte, wurde bedroht und als „Vaterlandsverräter“ gebrandmarkt. Aus Protest gegen die Ruhrbesetzung kam es immer wieder zu Sabotageakten an Zügen oder Gleisanlagen. Die schwierige Lage im Waren- und Güterverkehr beeinträchtigte die Versorgung der Bevölkerung erheblich. Hinzu kamen Entlassungen und Kurzarbeit. Der Wert des Geldes und damit seine Kaufkraft sanken ins Bodenlose. Zur Eindämmung der Inflation gaben die Besatzungsbehörden „Notgeld“ heraus. Parallel dazu druckten auch die deutschen Städte im besetzten Gebiet sowie zahlreiche Unternehmen Notgeld.

„Regiefranc“ – das Notgeld der französischen Regiebahn[Bild: Stadtarchiv Bad Kreuznach, MS Besatzung]

Am 26. September 1923 wurde der passive Widerstand von der neuen Reichsregierung unter Gustav Stresemann beendet. Für die Bevölkerung des besetzten Gebietes normalisierte sich die Lage danach allmählich.

Bad Kreuznach 1923

„Der erste Krieg war aus, jetzt beginnt der zweite, nämlich ein Wirtschaftskrieg. Am 31. Januar 1923
mittags 2 1/2 Uhr standen an der Eisenbahn sämtliche Räder still. Wir Beamte und Arbeiter gingen alle nach Hause […]. Nach 14 Tagen Stillstand fingen die Franzosen an zu fahren, aber nur für ihren Bedarf für Militär und ihre Eisenbahner. Wir wurden durch öffentlichen Maueranschlag aufgefordert, unseren Dienst wieder aufzunehmen, hat sich aber kein Eisenbahner gemeldet. Darauf stellten sie allerhand Gesindel ein und bei uns begannen die Ausweisungen: Bis auf wenige waren alle fort und in ganz Deutschland verteilt.“ (Tagebuch für Wilhelm Marx, Stadtarchiv Bad Kreuznach, MS Besatzung, Rechtschreibung angepasst)

"Halt den Saboteuren": Die Sicherung der Bahnanlagen wurde den deutschen Behörden übertragen[Bild: Landesarchiv Speyer, Y 24-14598]
Propaganda-Flugblatt, Warnung vor der Nutzung der französischen Regiebahn, 1923 [Bild: Stadtarchiv Mainz, NL 101]

Texte und Redaktion:
Dr. Walter Rummel (Landesarchiv Speyer), Dr. Hedwig Brüchert; Dr. Ute Engelen, Marion Nöldeke, Dr. Kai-Michael Sprenger (alle Institut für Geschichtliche Landeskunde an der Universität Mainz e.V.), Franziska Blum-Gabelmann M.A. (Haus der Stadtgeschichte Bad Kreuznach), Dr. Eva Heller-Karneth (Museum Alzey), Dr. Armin Schlechter (Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Pfälzische Landesbibliothek)