0.10. Sprachlaute und Tonakzente
0.1.10.3. Konsonanten
0.2.10.3.6. Assimilation von nd/nt zu nn und ld/lt zu ll
Unter dem Begriff Assimilation versteht man die phonetische Angleichung differenter Laute. Grund dafür ist die Minimierung des artikulatorischen Aufwandes. Bei den hier zu behandelnden Fällen geht es 1. bei der Lautfolge nd/nt um die totale Angleichung von d/t an das vorausgehende n, so dass nn entsteht, und 2. bei der Lautsequenz ld/lt um die ebenfalls vollständige Angleichung von d/t an das vorangehende l, was zu ll führt. Betrachten wir zunächst den ersten Fall.
Hunn, finne
Sowohl d/t als auch n werden im Mundraum an derselben Stelle gebildet, nämlich am oberen Zahndamm (Alveolen). In der Artikulationsart unterscheiden sie sich aber: d, t sind Verschlusslaute, n ist ein Nasenlaut. Bei der Assimilation gleicht sich d/t vollkommen dem vorangehenden n an, was nn ergibt. Den standarddeutschen Ausdrücken Hunde, finden und unter beispielsweise stehen im gesamten Hunsrück die assimilierten Formen Hunn, finne und unner (im Nordteil auch unnisch/innisch, verhochdeutscht: untig/ üntig) gegenüber.
Assimilation tritt nur im Wortinnern ein, wenn auf nd/nt ein Vokal folgt. Im Auslaut bleibt ‑nd/‑nt erhalten, es heißt also im Dialekt z. B. Hund, Kind, aber Hunn ‘Hunde’, Kinner/Kinn ‘Kinder’. Wenn wie im Falle von Hunn und Kinn Assimilation scheinbar am Wortende vorliegt, so ist das damit zu erklären, dass durch den regelhaften Abfall der Pluralendung ‑e ursprünglich in der Wortmitte assimiliertes nn in den Auslaut kam. Es ist die folgende Entwicklung anzusetzen: Hunde > Hunne > Hunn.
Schuller, halle
Analog verhält es sich mit der Assimilation von ld/lt zu ll. Der Konsonant l wird wie d/t am Zahndamm gebildet. Einen Unterschied gibt es in der Artikulationsart: l ist ein Laut mit zentralem Verschluss und seitlicher Luftpassage (Lateral), d, t sind Verschlusslaute. Die Differenz in der Artikulation wird durch die totale Angleichung von d/t an l aufgehoben. Standarddeutsche Ausdrücke wie halten, bald und Schulter sind im gesamten Hunsrück assimiliert und lauten: halle, ball und Schuller, häufiger Schiller (mit Umlautung von u zu ü und Entrundung zu i – vgl. Kap. 10.2.7. sowie 10.2.4. –, verhochdeutscht lautet das Wort: Schülter).
Wie bei nd/nt erfolgt auch bei ld/lt Assimilation nur im Wortinnern vor Vokal, jedoch nicht am Wortende. Es heißt dementsprechend im Dialekt z. B. Schuld, aber schullisch ʻschuldigʼ, häufig auch schillisch (mit entrundetem Umlaut ü, verhochdeutscht: schüldig, vgl. oben Schiller ʻSchulterʼ). Bei ball ʻbaldʼ liegt keine Assimilation im Auslaut vor. Sprachhistorisch ist von der Form mittelhochdeutsch balde (also mit ‑ld- im Inlaut) auszugehen. Im Dialekt fiel das abschließende ‑e ab, so dass das assimilierte ‑ll ans Wortende gelangte (Lautentwicklung: balde > balle > ball).