0.Das Erzstift Trier
0.1.Überblick
Das Erzbistum Trier war zwischen dem 14. Jahrhundert und dem Ende des 18. Jahrhunderts die einflussreichste Macht am Mittelrhein, auch wenn es sich nicht zu einem geschlossenen Territorium entwickeln konnte.
Schon unter Kaiser Diocletian (284-305) wurde Trier zum Verwaltungszentrum für Gallien, Spanien und Britannien. Der Drang zum Mittelrhein wurde durch zwei Schenkungen an Erzbischof Poppo (1016-1047) eingeleitet. Im Jahr 1018 erhielt Trier den Königshof Koblenz und das Koblenzer Stift St. Florin mit allen Rechten sowie 1031 die Grafschaft Marienfels im damaligen Einrichgau (südlich der Lahn). Mit dem sich anschließenden Bau des Ehrenbreitsteins und der Burg Helfenstein auf der rechten Rheinseite gegenüber Koblenz und im 13. Jahrhundert mit der Errichtung der Burg Stolzenfels als erste kurtrierische Zollfeste wurde Koblenz zum Brückenkopf für das rechtsrheinische Gebiet des Trierer Niederstiftes.
0.1.1.Balduin von Luxemburg
Für den Ausbau der Herrschaft am Mittelrhein unter Erzbischof Balduin von Luxemburg (1307-1354) im frühen 14. Jahrhundert war die Gewinnung der Reichsstädte Boppard und Oberwesel (1309) und des Galgenscheider Gerichts von entscheidender Bedeutung. Schon bald kamen damit nicht nur alle dem Reich zwischen Koblenz und Oberwesel noch verbliebenen Besitzungen, Burgen und Rechte wie Münzen und Zölle unter die Verfügungsgewalt des Trierer Erzbischofs. Auch die Auseinandersetzung mit den von den Kölner Bischöfen nach Süden abgedrängten Pfalzgrafen wurde entscheidend beeinflusst.
Der Rheintalabschnitt zwischen Rheinbrohl/Linz im Norden und Rheindiebach/Kaub im Süden gehörte von nun an bis Ende des 18. Jahrhunderts zum Einflussbereich des Erzstifts. Wenngleich katzenelnbogische, pfalzgräfliche und auch kurmainzische Einflüsse die Bildung eines geschlossenen Trierer Territoriums behinderten, wurde das Erzstift Trier die führende territoriale Macht in diesem Bereich.
0.1.2.Die Spätzeit
Die Reformation schwächte den Kurstaat, als Bistumsteile, die nicht zum Kurstaat gehörten, protestantisch wurden, wie etwa 1536 Veldenz oder 1546 die Kurpfalz.
Im ausgehenden 18. Jahrhundert wurde in Koblenz das Residenzschloss errichtet. Die Folgen des Reichsdeputationshauptschlusses im Jahr 1803 trafen auch Trier, das Niederstift fiel an das neugebildete Bistum Aachen, das rechte Rheinufer verblieb bei Erzbischof Clemens Wenzeslaus, erhielt aber 1816 einen apostolischen Vikar in Ehrenbreitstein. Durch ein Konkordat 1821 kam es zur Neueinrichtung der Diözese Trier, das Bistum war jetzt für die Regierungsbezirke Trier und Koblenz zuständig.
0.2.Das Kurfürstentum Trier an Rhein und Lahn
Die Christianisierung der Gaue an der Lahn und des angrenzenden Westerwaldes wurde im Wesentlichen vom Trierer Erzstift vorgetragen. Die kirchliche Erfassung des Raumes an der unteren und mittleren Lahn setzte spätestens zu Beginn des 8. Jahrhunderts ein und fand mit der wohl im 10. Jahrhundert erfolgten Bildung des Archidiakonats Dietkirchen einen ersten organisatorischen Abschluss. Bereits mit dem Vordringen der Mission dürfte Trier in diesem Raum in größerem Umfang Besitz erworben haben, wie er allein schon zur Ausstattung von Eigenkirchen und Eigenklöstern benötigt wurde.
Im Jahr 772 erneuerte Karl den Große das Immunitätsprivileg für die Trierer Kirche[Anm. 1]. Kaiser Karl betonte, schon sein Vater Pippin (751-768) habe die Immunität für die Besitzung der Trierer Kirche diesseits und jenseits des Rheinaus verliehen.
Den Mittelpunkt des frühen Besitzes bildete Dietkirchen. Die Bedeutung des Ortes, seiner Kirche und die von ihr ausgehenden Missionierung des Westerwaldes fand seine sakrale Weihe, als in der 1. Hälfte des 9. Jahrhunderts die Gebeine des hl. Lubentius von Kobern an der Mosel nach Dietkirchen überführt wurden.[Anm. 2] Im Zuge dieser Translation wurde das Lubentius-Stift eingerichtet und im Jahr 841 erstmals erwähnt.[Anm. 3]
Den weltlichen Ansatzpunkt für die spätere Territorialbildung des Trierer Erzstiftes jenseits des Rheins bildete der ausgedehnte Herrschaftsbereich des Forstes Spurkenberg bei Montabaur. Das ottonische Königshaus hatte den Forst, zu deren Vorbesitzern der Konradiner Herzog Hermann von Schwaben (+ 949) gehört hatte, der Trierer Kirche geschenkt. Innerhalb des Bannbezirkes verfügte das Erzstift seit der 1. Hälfte des 11. Jahrhunderts mit dem Hof Humbach auch über die bedeutendste Grundherrschaft dieses Waldgebietes. Zur Schutz dieses strategisch wichtigen Platzes hatte Hermann von Schwaben die Burg Humbach errichtet, die unter trierischer Herrschaft zu Beginn des 13. Jahrhunderts neu erbaut und nach der Bergfeste Mons Tabor (Lage ö Nazareth im Heiligen Land) in Montabaur umbenannt wurde.
0.2.1.Erzbischof Poppo von Bamberg (1016-1047)
Im Jahr 1018 schenkte König Heinrich II. (1002-1024) dem Trierer Erzbischof Poppo von Bamberg (1016-1047) den Königshof Koblenz mit der Abtei St. Florin sowie die Verfügungsgewalt über den Zoll und die Münze in der Stadt.[Anm. 4] Damit hatte Trier nicht nur eine bedeutende Machtstellung am Mittelrhein gewonnen, sondern auch eine wichtige Brücke zwischen dem Kernraum des Territoriums an der mittleren Mosel zu den östlich des Rheins gelegenen Besitzungen und Rechten geschlagen. Spätestens mit der Schenkung des Königshofes Koblenz waren auch die Grundherrschaften Pfaffendorf und Niederlahnstein an das Erzstift gelangt. Eine weitere Verstärkung erfuhr die Trierer Position am rechten Rheinufer durch die Erwerbung der Burg Ehrenbreitstein gegenüber Koblenz. Am 20. Juli 1031 schließlich übertrug König Konrad II. (1024-1039) Erzbischof Poppo und seiner Kirche die Grafschaft Marienfels im Einrichgau.[Anm. 5], die aber schon bald als erbliches Lehen an die Grafen von Arnstein fiel und dem unmittelbaren Einflussbereich des Erzstifts auf Dauer entzogen wurde.
Wenngleich sich der Schwerpunkt der Trierer Territorialbildung seit der Mitte des 11. Jahrhunderts wieder deutlich nach Westen in den Kernraum der erzstiftischen Lande an der Mosel verlagerte, so konnte doch in der Folgezeit auch die rechtsrheinische Machtbasis erweitert und gefestigt werden. Mit der Erwerbung der Grundherrschaft Leutesdorf vermochte Trier spätestens zu Beginn des 12. Jahrhunderts im Neuwieder Becken Fuß fassen.
0.2.2.Erzbischof Hillin von Falmagne (1152-1169)
Als 1152 die Grafen von Sayn in ihrem Kampf mit dem Erzstift Köln Anlehnung an Trier suchten, trugen sie dem Trierer Erzstift ihre Burg Sayn zu Lehen auf.[Anm. 6] Vom Domstift Worms wurde 1159 die Lehnshoheit über die Burg Nassau im Tausch gegen die abgelegene rheinhessische Exklave Partenheim erworben.[Anm. 7] Erzbischof Hillin (1152-1169) ließ den Ehrenbreitstein ausbauen[Anm. 8] und auf der südlichen Spitze des Burgfelsens als weitere Burg den Helfenstein errichten. Sie wurde zum Sitz des bedeutenden Ministerialengeschlechts der Trierer Kirche, der von Helfenstein. Ehrenbreitstein war seitdem ein Mittelpunkt des rechtsrheinischen Besitzes des Erzstiftes, den die Grundherrschaften Niederlahnstein, Pfaffendorf und Montabaur, der Forst Spurkenberg und die Grundherrschaft Leutesdorf ergänzten.
0.2.3.Erzbischof Johan I. (1169-1212)
Die rechtsrheinische Territorialpolitik der Trierer Erzbischöfe war seit dem ausgehenden 12. Jahrhundert maßgeblich durch die Rivalität mit dem nassauischen Grafenhaus bestimmt. Ein besonderes Spannungsverhältnis ergab sich aus dem Umstand, dass die Grafen von Nassau als Teilerben der Grafen von Arnstein in deren Vogteirechte über den Trierer Besitz zu Koblenz, Pfaffendorf, Niederlahnstein und Humbach-Montabaur eingetreten waren, und zwar als Lehnsträger der trierischen Obervögte, der rheinischen Pfalzgrafen. Das Dorf Ems mit seinen Silbergruben, um welche die Nassauer Grafen 1172 mit Erzbischof Arnold I. heftig stritten[Anm. 9], hatten sie als Vögte des Koblenzer St. Kastorstiftes inne.
Nachdem es Erzbischof Johan 1197 gelungen war, die rheinischen Pfalzgrafen zum Verzicht auf die (künftig nicht mehr besetzte) Hochvogtei über das Erzstift zu bewegen[Anm. 10], richteten sich die Bestrebungen Triers in der Folgezeit auf das Ziel, die von den Pfalzgrafen belehnten adligen Untervögte in den erzstiftischen Landen allmählich auszuschalten und durch Ministeriale zu ersetzen. Dabei erwiesen sich die Grafen von Nassau zunächst als hartnäckige Widersacher. Gegen Ende des 12. Jahrhunderts schließlich trugen die Grafen von Leiningen dem Erzstift ihre Burg Hadamar zu Lehen auf, wodurch sich Trier einen politischen Einfluss am Nordrand des Limburger Beckens sicherte.
0.2.4.Erzbischof Dietrich II. von Wied (1212-1242)
Nichts beleuchtet das Kräfteverhältnis beider Mächte zu Beginn des 13. Jahrhunderts besser als die Tatsache, dass die nassauischen Grafen Erzbischof Dietrich von Wied (1212-1242) bald nach seiner Wahl für die Dauer von zwei Jahren gefangen halten konnten. Als starke Gegenposition zur nassauischen Machtstellung im Westerwald ließ Erzbischof Dietrich später die Burg Humbach (Montabaur) neu errichten. Er besetzte die Burg um 1235 mit einer starken Burgmannschaft. Die Grafen von Nassau mussten ihm dazu eine Anzahl Leute, die sie von den Pfalzgrafen und diese von Trier zu Lehen trug, überlassen.[Anm. 11] Die veränderte Stellung des Erzbischofs spiegelt sich auch darin, dass er 1222, als das Kloster Marienstatt, dessen Vogtei ihm die Stifter 1215 geschenkt hatten, von Kirburg hinunter ins Tal bei der Burg Nister und damit in die Kölner Diözese verlegt wurde, sich und seinen Nachfolgern die Blutgerichtsbarkeit in Kirburg vorbehielt.[Anm. 12]
0.2.5.Erzbischof Arnold II. von Isenburg (1242-1259)
Erst Erzbischof Arnold II. von Isenburg (1242-1259) gelang es, den territorialpolitischen Einfluss des nassauischen Grafenhauses im Gebiet der unteren Lahn zurückzudrängen und die meisten der nassauischen Vogteirechte über den Trierer Besitz in diesem Raum an das Erzstift zu ziehen (1253/56). Darüber hinaus vermochte Arnold die Trierer Position am Mittelrhein und im Westerwald durch verschiedenen Maßnahmen festigen. Er erneuerte den Ehrenbreitstein und ließ auf der Rheininsel Niederwerth ein Haus und eine Kapelle wieder aufbauen. Von der Gräfin Mechthild von Sayn und seinen Eppsteiner und Braunsberger Verwandten erwarb er Burg Hartenfels, befestigte sie und schenkte sie seinem Erzstift.[Anm. 13] Er konnte 1253 von den Grafen von Nassau deren Vogteirechte zu Koblenz und Pfaffendorf und den Hof in Vallendar sowie 1256 die Vogtei Niederlahnstein erwerben.[Anm. 14] Auch der Bau der Burg Stolzenfels auf der linken Rheinseite, der in den Jahren 1242 bis 1259 erfolgte, ist seiner Initiative zu verdanken.
0.2.6.Die Erzbischöfe zwischen 1260 und 1307
Erzbischof Heinrich von Finstingen (1260-1286) verstärkte den Ehrenbreitstein, Montabaur und Hartenfels[Anm. 15], und konnte 1273 die Lehnshoheit über Molsberg erwerben.[Anm. 16]
Auch die Sorge Boemunds von Warsberg (1286-1299) galt dem Ausbau der Grenzburgen Hartenfels und Montabaur. Unter diesem Erzbischof wird erstmals ein trierischer Amtmann erwähnt. Vielleicht ist unter Boemund bereits die Ausbildung der trierischen Amtsverfassung erfolgt, wenngleich diese erst unter seinem Nachfolger Dietrich von Nassau (1300-1307), eines Bruders König Adolfs von Nassau (1292-1298) greifbar wird: 1302 wird beispielsweise ein Burggraf auf Burg Hartenfels erwähnt, 1304 werden Burggrafen und Amtmänner nebeneinander genannt.[Anm. 17]
0.2.7.Erzbischof Balduin von Luxemburg (1307-1354) im Westerwald
Die nahezu fünfzigjährige Regierungszeit Erzbischof Balduins von Luxemburg (1307-1354) markiert die bedeutendste Epoche in der territorialen Entwicklung des Trierer Kurstaates. Dank seiner geschickt und energisch betriebenen Erwerbspolitik vermochte Balduin auf breiter Front die noch fehlende territoriale Verbindung zwischen dem Oberstift (um Trier) und dem Unterstift (um Koblenz) herzustellen, wodurch sich der Umfang des Trierer Territoriums fast verdoppelte. Mit dieser Landverbindung war für Trier zugleich die Voraussetzung geschaffen, um künftig am Mittelrhein neben Kurmainz und Kurpfalz als gleichwertige Territorialmacht auftreten zu können. Eine besondere Bedeutung erhielten dabei für das Erzstift neben Koblenz die 1312 erworbenen und später nicht mehr eingelösten Reichspfandschaften Boppard und Oberwesel, die Balduin zu politisch wichtigen und wirtschaftlich einträglichen Plätzen bzw. Ämtern entwickelt hat.
Auch auf der rechten Rheinseite konnte Balduin in den ersten Jahren kleine Erfolge erzielen. Seit dem Ende des 13. Jahrhunderts hatten die Erzbischöfe die Herren von Helfenstein gegen Nassau ausgespielt. Am Südwestrand des Bannes Montabaur hatten die Helfensteiner den Hof Denzerhaid in der nassauischen Vogtei Denzerhaid gebaut. Nach langem Streit kam am 27. April 1311 eine Sühnevereinbarung zustande. Die Grafen von Nassau, deren Territorialpolitik längst über den engen Rahmen der unteren Lahn hinausgewachsen war und anderen Zielen nachging, verpflichteten sich nicht nur den Burgenbau ungestört zu lassen, sondern auch hinfort in der Pflege Montabaur ohne Einwilligung des Erzbischofs keine Güter mehr erwerben zu wollen.
Auch andernorts versuchte Balduin das Gebiet der Trierer Diözese mit den weltlichen Herrschaftsansprüchen des Erzstiftes gegen den Widerstand der Westerwälder Dynasten zu durchdringen. Gegen die Westerburger warb Balduin 1319 Bundesgenossen[Anm. 18], erbaute Burg Balduinstein an der Lahn gegen die westerburgische Schaumburg. Von den Westerburgern erzwang er 1321 einen Verzicht auf den Platz dieser Burg und konnte dazu bei König Ludwig dem Bayern (1314-1347) eine Belehnung mit dem Freiheimgericht Kramberg erwirken. Auch andernorts versuchte Balduin, Burgen der einheimischen Dynasten durch Lehnauftragung, Pfandvereinbarungen und Öffnungsverträge in die Hand zu bekommen. Etwa zwanzig Burgen, die sich fast über das gesamte rechtsrheinische Diözesangebiet verteilten, hat Balduin im Laufe seiner langen Regierung in trierische Abhängigkeit bringen können, darunter die Westerwälder Burgen Isenburg (1328 und 1331), Grenzau (1342), Dierdorf (1327), Weltersburg (1331), Molsberg (1353), Beilstein (1325), Liebenscheid (1353), Mengerskirchen (1341) und Hadamar (1334) sowie an der Lahn die Burgen Nassau (1340), Cramberg (1346), Diez (1334), Schadeck (1321) und Burgsolms (1331).[Anm. 19]
Der Widerstand gegen Balduins Politik wuchs, als er 1343 einen trierischen Burggrafen in Grenzau einsetzte und 1344 von Graf Wilhelm von Wied Dierdorf, Rückeroth und Maischeid als Pfand an sich brachte und sich auch in Limburg als Mitherr hineindrängte. Dazu entriss Balduin Reinhard von Westerburg, dem Protagonisten des Widerstands gegen Balduins Politik im Westerwald 1344 Burg Schadeck. Der kaisertreue Reinhard von Westerburg (1311-1343) animierte dann die Westerwälder Dynasten zur offenen Abwehr gegen die trierischen Bestrebungen. Am 6. April 1347 wurde der trierische Burggraf von Grenzau verjagt. Den Koblenzern, die dem Erzbischof die Burg zurückerobertn wollten, fügte Reinhard eine herbe Niederlage zu. Der Tod Kaiser Ludwigs des Bayern am 11. Oktober 1347 verschlechterte die Lage der Westerwälder Herren, doch dauerten die Streitigkeiten, die sich zeitweise mit dem Kampf Heinrichs von Virneburg um das Mainzer Erzstift verquickten, noch bis 1350 fort.
In diesem Jahr nahm Balduin seinen Gegenspieler Reinhard als Obersten Amtmann an, doch brachte der Bau von Hohenseelbach unter Schutz des Grafen von Sayn und angebliche Gefährung des Landfriedens 1351 erneut eine Entfremdung. Balduin eroberte Hohenseelbach und Elkerhausen und belagerte Hachenburg, um sich an Sayn, als Bürgen einer Westerburger Schuld, schadlos zu halten.
Als Balduin 1354 starb, war der alte Trierer Besitz im Südwesten des Westerwaldes entgültig gesichert, Burg Balduinstein hatte ihren Wert bereits verloren. Hier war Balduins Politik am Widerstand der Westerwälder Dynasten gescheitert. Auch Schadeck (1354) und Dierdorf (1355) gingen verloren. Somit blieb der Territorialpolitik Balduins in den Gebieten östlich des Rheins ein wirklich durchschlagender und dauerhafter Erfolg versagt.
0.2.8.Die Herrschaft Limburg
Schon unter Erzbischof Balduin (1307-1354) setzten Bestrebungen ein, die isenburgische Herrschaft Limburg in die Hand zu bekommen. Ständige Geldsorgen zwangen die Dynasten von Limburg im Jahr 1344, die Hälfte ihrer Herrschaft an das Trierer Erzstift zu veräußern. Der Einfluss Triers auf die Geschicke von Territorium und Stadt wuchsen beständig. Nach dem Aussterben der Dynastenfamilie (1407) und dem söhnelosen Tod der angeheirateten Erben gelangte Trier 1420 in den Besitz der Landeshoheit. Allerdings hatten die Erzbischöfe schon 1418 begonnen, ihrerseits wesentliche Teile der Herrschaft Limburg an benachbarte Dynasten zu verpfänden. Seit 1459 war die Hälfte an die Grafen von Katzenelnbogen vergeben, die damals selbst ein Viertel von Limburg in Pfandbesitz hatten. Erst 1624 hat das Erzstift die Limburger Pfandschaft wieder eingelöst.
0.2.9.Erzbischof Kuno von Falkenstein (1360 Koadjutor, Erzbischof 1362-1388)
Erzbischof Kuno versuchte, an die Politik seines Vorgängers anzuknüpfen. Schon in seiner Zeit als Koadjutor war er persönlich anwesend, als die isenburgisch-katzenelnbogische Burg Gretenstein im Konflikt mit den Vögten vom nahen Villmar im Jahr 1360 erobert und zerstört wurde. Die Aktion war im Rahmen einer Landfriedensunternehmung legitimiert worden.
Von den Herren von Molsberg erwarb er 1365 bis 1370 Molsberg und Niederbrechen. Der Graf von Wied musste ihm für einen Landfriedensbruch 1371 Engers abtreten. Die Burg Cunenstein-Engers wurde Flankensicherung des Erzstiftes im Neuwieder Becken und Zwischenglied zu den Ämtern, die ihm vom Erzstift Köln verpfändet waren. Doch konnte er schon 1372 noch weiter nördlich in Hönningen und auf der Burg Arenfels, die ihm die Arenfelser Erben verkauften, Fuß fassen.
Erzbischof Kuno konnte schon zu Beginn seiner Regierung beträchtlichen Pfandbesitz erwerben. 1362 wurde Trier auf diese Weise ein Viertel der Grafschaft Diez eingeräumt. Zwischen 1363 und 1384 war das Erzstift Pfandherr der Herrschaft Vallendar, 1368-1376 und 1384 der kurkölnischen Ämter Linz, Neuerburg und Altwied, 1367 der Herrschaft Freusberg im Westerwald. An der Lahn waren Trier zwischen 1363 und 1371 sowie 1384 Ems und 1376 Kirberg verpfändet. Wenngleich die meisten dieser Pfandschaften durch Einlösung wieder verloren gingen, konnte das Erzstift in der Grafschaft Diez dauerhaft Fuß fassen. Nach dem Aussterben der Grafen von Diez (1386) und nach längeren Kämpfen um den Besitz des Erbes wurde die Grafschaft 1420 unter Vermittlung Kurtriers als Kondominat je zur Hälfte Nassau-Dillenburg und Eppstein zugesprochen.
0.2.10.Die Jahre zwischen 1388 und 1438/39
Erzbischof Werner von Falkenstein (1388-1418) gelang es, die Herrschaft Limburg 1406 zum Teil und 1420 dann vollständig dem Erzstift einzuverleiben. Als erledigtes Lehen zog er 1410 die Hälfte der Burggrafschaft Hammerstein ein, deren andere Hälfte dem Erzstift unter Erzbischof Otto von Ziegenhain (1418.1430) heimfiel, der 1422 als Zwischenglied zu jenem Besitz auch den Bamberger Hof zu Irlich erwarb.
Eine Doppelwahl brachte 1430 Ulrich von Manderscheid und Jakob von Sierck an die Spitze des Erzstiftes. Der Past setzte dem seinen Kandidaten Raban von Helmstadt ein. In den Wirren dieses Schismas geriet das Erzstift in finanzielle Schieflage. Als Raban dann schließlich resignierte, hinterließ er seinem Nachfolger einen Schuldenberg von 4000.000 Gulden.
0.2.11.Erzbischof Jakob I. von Sierck (1439-1456)
Erzbischof Jakob musste im Jahr 1441 ein Viertel von Vallendar wieder abtreten, konnte aber schon 1443 ein Viertel der Grafschaft Diez, deren Lehnshoheit ihm König Friedrich III. 1441 überlassen hatt, vorübergehend und seit 1453 ein Achtel jener Grafschaft dauerhaft erwerben. Trier vermochte in der Folgezeit trotz des Widerstands der Nassauer Grafen Anteile an der eppsteinischen Hälfte der Grafschaft zu erwerben.
0.2.12.Das Erzstift unter den Erzbischöfen aus dem Haus Baden (1456-1511)
Die fortdauernden Streitigkeiten beider Mächte setzen sich auch unter Erzbischof Johan II. von Baden (1456-1503) fort. Das führte schließlich 1564 zur Teilung der Grafschaft Diez, wobei Kurtrier im Wesentlichen der Westteil der Diezer Stammlande (Hundsangen, Nentershausen, Salz, Meudt) sowie Lindenholzhausen (mit Dietkirchen und Kreuch) zufiel. Ansonsten konnte Erzbischof Johan die Stellung seines Erzstiftes nur unbedeutend verstärken.
Unter Erzbischof Jakob II. (1503-1511) ging Arenfels wieder an die Isenburger verloren. Die beiden Erzbischöfe aus dem Haus Baden konnten die zur Zeit des Trierer Schismas entstandenen Schäden zwar wieder beheben, doch haben die Versuche der Erzbischöfe , ihre weltlichen Herrschaftsgebiete im rechtsrheinischen Teil der Diözese zu einem größeren und halbwegs geschlossenen Territorium zu formieren, bei Weitem nicht jene im Moselraum erzielten Erfolge gebracht.
Mit dem Anfall der isenburgischen Herrschaft Herschbach, Grenzau, Horhausen und Arenfels konnte Trier 1664 seine Position im Westerwald zwar noch einmal verstärken, neue territorialbildende Impulse gingen von dieser Erwerbung aber nicht mehr aus. [Anm. 20]
Nachweise
Verfasser: Stefan Grathoff
Literatur:
- Hellmuth Gensicke: Landesgeschichte des Westerwaldes. (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Nassau.13). ND Wiesbaden 1999, hier S. 235-239.
- Dominicus, Alexander: Baldewin von Lützelburg. Erzbischof und Kurfürst von Trier. Ein Zeitbild aus der ersten Hälfte des vierzehnten Jahrhunderts. Coblenz 1862.
- Reuling, Ulrich: Die territoriale Entwicklung des Kurfürstentums Trier an Rhein und Lahn. In: https://www.lagis-hessen.de/downloads/ga/17a.pdf
- Struck, Wolf-Heino: Das Stift St. Lubentius in Dietkirchen. In: Germania Sacra NF 22. Die Bistümer der Kirchenprovinz Trier. Bd. 4. Das Erzbistum Trier. Berlin New York 1986.
- MG SS = Monumenta Germaniae Hitsorica, Scriptores (in Folio) in: www.mgh.de/dmgh/
- RI = Regesta Imperii online. In: www.regesta-imperii.de/startseite.html
- Gesta Henrici Archiepiscopi Treverensis. In: Gesta Treverorum MG SS XXIV.
- Gesta Arnoldi. In: Gesta Treverorum MG SS XXIV.
- MRUB = Mittelrheinisches Urkundenbuch = Beyer, Heinrich, Leopold Eltester und Heinrich Goerz: Urkundenbuch zur Geschichte der jetzt die Preussischen Regierungsbezirke Coblenz und Trier bildenden Mittelrheinischen Territorien. 2 Bde. Koblenz 1860-1865
- Goerz, Adam: Mittelrheinische Regesten oder chronologische Zusammenstellung des Quellenmaterials für die Geschichte der Territorien der beiden Regierungsbezirke Koblenz und Trier in kurzen Auszügen. 4 Bde. Koblenz 1876-1879.
Erstellt am: 29.05.2020
Anmerkungen:
- Regesta Imperii Nr. 145. In: Regesta imperii online URI: http://www.regesta-imperii.de/id/0772-04-01_1_0_1_1_0_466_145 Zurück
- Struck, Stift St. Lubentius S. 44f. Zurück
- Struck, Stift St. Lubentius S. 52f. Zurück
- Regesta Imperii 4 Nr. 1938. In: Regesta Imperii Online URI: http://www.regesta-imperii.de/id/1018-00-00_1_0_2_4_1_809_1938 Zurück
- Regesta Imperii 1 Nr. 175. In: Regesta Imperii Online URI: http://www.regesta-imperii.de/id/1031-07-20_1_0_3_1_0_308_175 Zurück
- Goerz, Mittelrheinische Regesten II. Nr. 20 Zurück
- Goerz, Mittelrheinische Regesten II Nr. 151, 152, 153 und 157. Zurück
- MG SS XXIV 380. Zurück
- Goerz, Mittelrheinische Regesten II Nr. 493; MG SS XXIV 382 Zurück
- Goerz, Mittelrheinische Regesten II Nr. 795. Zurück
- MRUB III. Nr. 545. Zurück
- MRUB III. Nr. 33 zu 1222 und MRUB III Nr. 188. Zurück
- Gesta Arnoldi In: Gesta Treverorum MG SS XXIV S. 410 Zurück
- Goerz, Mittelrheinische Regesten III. Nr. 1050 und 1286 Zurück
- Gesta Henrici Archiepiscopi Treverensis In: Gesta Treverorum MG SS XXIV, hier S. 460. Zurück
- Goerz, Mittelrheinische Regesten III Nr. 2846. Zurück
- Gensicke, Landesgeschichte S. 236. Zurück
- Dominicus, Baldewin S. 185f. Zurück
- Quellenbelege bei Gensicke, Landesgeschichte S. 237. Zurück
- Die vorstehenden Ausführungen folgen im Wesentlichen Hellmuth Gensicke: Das Erzstift und Kurfürstentum Trier, in seiner Landesgeschichte S. 235-239 sowie der Adaption dieser Vorlage durch Ulrich Reuling: Die territoriale Entwicklung des Kurfürstentums Trier an Rhein und Lahn. Zurück