Alzey in Rheinhessen

Redaktioneller Hinweis: Der nachfolgende Text stammt aus der Publikation "Rheinhessen in Vergangenheit und Gegenwart" von Karl Johann Brilmayer, die 1905 erschienen ist. Brilmayer gab keine Belege an und die Aussagen sind auch nicht von der Redaktion überprüft worden. Im Allgemeinen gilt Brilmayer aber als recht zuverlässig. Bei einer Benutzung Brilmayers für eine Veröffentlichung sollten die Angaben im Detail überprüft werden.


Alzey bei Karl Johann Brilmayer

Alzey ist wahrscheinlich keltischen Ursprungs, gewiss aber zählt es zu den ältesten Städten in Deutschland. Der römische Name lässt auf eine Ableitung aus dem Keltischen schließen, so dass wir annehmen müssen, der Name, welchen die keltischen Ureinwohner ihrer Niederlassung verliehen, habe sich auch bei den nachfolgenden Römern und Germanen erhalten. In den Nibelungen heißt es Alzye, in den Urkunden des 14. Jahrhunderts und später Alezei. Die erste sichere Nachricht von dem Vorhandensein Alzeys erhalten wir aus einem Altarstein, der im Jahre 1783 aufgefunden wurde. Seine lateinische Inschrift lautet in deutscher Übersetzung: "Zu Ehren des göttlichen Kaufes setzten den Nymphengottheiten die Einwohner des Bikus Ultiaia diesen Altar unter der Obhut des Ostonius, Freigelassenen des Ostonius Cassius, am 22. November, unter den Konsulen Maximus und Uelianus". Es ergibt sich aus dieser Zeitangabe, dass Alzey bereits 223 Jahre nach Christi Geburt als römischer Wohnsitz vorhanden war. Eine bedeutende Rolle hat der Flecken Alzey wohl zur Römerzeit nicht gespielt; doch wollte es der Zufall, dass einst ein römischer Kaiser, Valentinian I., auf seinem Feldzug gegen die Burgundionen hier Rast hielt und am 4. April 376 daselbst eine Verordnung erließ.

Als die Völkerwanderung der römischen Herrschaft am Rhein ein Ende bereitete und Worms zum Hauptsitz des kleinen burgundischen Reiches wurde, finden wir auch Alzey wieder erwähnt und das Nibelungenlied pries als einen der tapfersten Vasallen König Gunthers den kühnen Ritter, den Fiedler Volker von Alzey, dessen sagenhafte Gestalt leider die einzige Erinnerung ist, welche uns von dem Alzey jener Periode Kunde gibt. Allein auch das burgundische Reich sank in Trümmern und erlag dem Andrang der Horden Attilas. Es erscheint kaum zweifelhaft, dass damals auch der kleine Flecken Alzey durch diese sengende und mordende Bande in Trümmer fiel. Eine Sage erzählt, dass zu dieser Zeit die flüchtigehn Bewohner der Umgebung auf den Donnersberg zogen und in einer der Schluchten desselben, welche das Volk heute noch die Mordkammer nennt, von den wütenden Hunnen niedergemetzelt wurden. Auch hier setzte die Schlacht von Zülpich den Wirren der Völkerwanderung ein Ziel und nicht nur das Gebiet des früheren Burgundenreiches, sondern auch das gesamte, der alemannischen Herrschaft unterworfene Gebiet bis hierüber zum Neckar fiel den Franken anheim. Alzey und sein Gau gehörten unter dem Frankenreich zum Nahegau und in jene Zeit fällt auch wohl die Wiederherstellung von Alzey nach der Völkerwanderung.

Pipin ließ um das Jahr 758 die Stadt wieder aufbauen und jedenfalls war es, mitten in einer reichen fruchtbaren Gegend gelegen, ein nicht unbedeutender Sitz der fränkischen Herrschaft. Alzey scheint unter dem Frankenreich rasch aufgeblüht zu sein, denn beriets 1074 finden wir es als Stadt erwähnt. Um jene Zeit war es auch, wo nach Abt Tritheim von Spanheim ein nicht genauer bezeichneter Rheingraf die Burg in Alzey erbaute oder, was wahrscheinlicher ist, die bereits vorhandene Burg weiter ausbaute. Etwa ein Jahrhundert später kam Alzey in den Besitz der Pfalzgrafen. Genau ist nicht zu bestimmen, wann es an dieselben kam, höchst wahrscheinlich ist es jedoch, dass es zur Zeit des Herzogs Konrad von Hohenstaufen, des Bruders von Kaiser Friedrich I., geschah, als dieser dem ersteren die Pfalzgrafenwürde verlieh und ihn mit der Pfalzgrafschaft im Jahre 1155 belehnte. Dass dies wenigstens schon zu Anfang des 13. Jahrhunderts der Fall war, lässt sich annehmen, denn Pfalzgraf Heinrich zählte des Truchsessen von Alzey urkundlich 1209 zu seinen Getreuen und Lehenträger und dieser erscheint 1211 als Dienstmann des Pfalzgrafen. Im Jahre 1229 hielt Pfalzgraf Otto in Alzey Hof und Otto war es auch, der den König Heinrich II. auf Befehl seines Vaters, des Kaisers Friedrich II., in der Burg zu Alzey in Gefangenschaft halten musste.

Ungefähr um dieselbe Zeit sehen wir auch die Truchsessen von Alzey in den Vordergrund treten. Sie traten dem Städtebund bei, allein bereits einige Jahre später standen sie ihm wieder feindlich gegenüber und namentlich mit Worms gerieten sie in öftere Fehden, welche einen unglücklichen Ausgang nahmen und zur Folge hatten, dass Alzey, "weil alle Landstreicher und bösen Buben Aufenthalt darinnen hatten", von dem Bischof von Worms und seinen Verbündeten, dem Erzbischof Werner von Mainz, dem Bischof von Speyer und mehreren Edelleuten, darunter Diether von Katzenellenbogen, auf St. Margaretenabend "schier in Boden auf den Grund hinweggerissen " wurde. Dies geschah im Jahre 1260. Nach diesem Unglück blühte übrigens Alzey, nicht nur der Sitz der pfälzischen Truchsesse, sondern auch eines zahlreichen Adels, rasch wieder empor und vornehmlich ist es die Gunst der Pfalzgrafen, welche sich dem Städtchen mehr und mehr zuwandte. Ludwig II. von der Pfalz ernannte den Wildgrafen Emicho zu Alzey zu seinem Burggrafen daselbst und bald darauf suchte er bei König Rudolf um Verleihung reichstädtischer Freiheit für die Stadt nach. Der König gewährte diese auch. "In Anbetracht der Treue und Unterwürfigkeit", heißt es in der am 24. Oktober 1277 in Wien ausgefertigten Urkunde, "durch welche sich der Pfalzgraf gegen König und reich auszeichne", verordnete er, dass die genannte Stadt alle Freiheiten und Vorrechtungen, Rechte und ehrbare Gewohnheiten, welche die Städte des Reiches leisten müssten, besitzen solle; es müsse jedoch die Stadt Alzey dem Pfalzgrafen zu den gewöhnlichen und schuldigen Dienstleistungen verpflichtet bleiben. Allein die neuen Freiheiten scheinen den Alzeyern keinen Segen gebracht zu haben. Unter den Burgmännern waren Raub, Mordbrennerei und Todschlag an der Tagesordnung und die Bürgerschaft Alzeys machte gemeinsame Sache mit denselben.

Als Albrecht von Österreich in Mainz im Jahre 1298 zum Gegenkaiser erklärt worden war, erbaten die Mainzer Ratsherren seine Hilfe gegen die pfalzgräfischen Dienstmannen, von welchen sie auf offener Straße überfallen worden waren. Dem Kaiser schien die Gelegenheit günstig, sich an dem Schwiegersohn seines Gegners, dem Pfalzgrafen, zu rächen, er zog mit der wohlgerüsteten Mainzer Bürgerschaft vor Alzeys Mauern, eroberte die Stadt und ließ sie in einen Aschenhaufen verwandeln; nur die Burg war durch ihre starken Umfassungsmauern und die tapfere Abwehr der Ritterschaft, welche sich mit ihren Reisigen hineingeworfen hatte, vor gleichem Schicksal bewahrt worden. Albrecht zeigte sich im darauffolgenden Jahre wieder gnädig gegen die zerstörte Stadt und bestätigte ihr all die Freiheiten, die sie von seinem Vater, dem Kaiser Rudolf, erhalten hatte. Bald stand die Stadt wieder in ihrem vorigen, glücklichen Zustande. Dieser blühende Zustand der Stadt und der Burg war vielleicht die Ursache, dass sie sich eine Verpfändung musste gefallen lassen.

Am 27. Juni 1317 verpfändete nämlich Pfalzgraf Ludwig, der im Jahre 1314 zum römischen König und deutschen Kaiser erwählt worden war, die Stadt an den Erzbischof Peter von Mainz und befahl den Burggrafen und den Burgmännern, wie den Schultheißen, dem Bürgermeister, den Schöffen und sämtlichen Bürgern, dass sie dem genannte Erzbischof huldigen, ihm auch Burg und Satdt mit allen Rechten, Nutzbarkeiten, Gefällen usw. zuweisen und übergeben sollten. Die Kosten für Unterhaltung und Bewachung der Burg verpflichtet sich Ludwig aus eigenen Mitteln zu bestreiten. Infolge dessen gelobte Raugraf Geor, Amtmann zu Alzey, 1319, dass er die Burg und Satdt Alzey auf Verlangen jderzeit dem Erzbischof Peter von Mainz überantworten wolle und dieser nach Gefallen einen anderen Amtmann setzten könne. Die Verpfändung war jedoch nicht von langer Dauer, denn im Jahre 1329 verlieh Ludwig nach dem Vertage von Pavia Stadt und Burg Alzey mit der ganzen Pfalzgrafschaft wieder seinen Verwandten, den Söhnen Rudolfs I.

Die Zwistigkeiten, welche nach dem Tod Rudolf I. und unter Ruprecht dem Älteren und Ruprecht dem Jüngeren wegen der Erbschaftsteilung ausgebrochen waren, schlichtete König Ludwig mit Hilfe der Erzbischöfe Wilhelm von Köln und Gerlach von Mainz dahin, dass Alzey dem jungen Herzog Ruprecht zugeteilt wurde. Während sein Oheim Kurfürst Ruprecht I. noch lebte, erhielt er jedoch auch noch die ganze Pfalzgrafschaft. In gleicher Weise wurde in einm Vertrag vom Jahre 1368 bestimmt, dass Stadt und Burg Alzey immer bei der Pfalz und in der Gewalt der Kurfürsten und Pfalzgrafen verbleiben sollten. Dieser Vetrag wurde in der Rupertinischen Konstitution im Jahre 1378 bestätigt. Nach dem Tode Ruprechts im Jahre 1410 teilten seine Söhne das gesamte Erbe und es erhielt bei der Teilung der älteste, Ludwig III., Kurfürst und Pfalzgraf, namentlich Alzey, Schloss und Stadt. Kurfürst Ludwig starb frühzeitig und es wurde hierauf Satdt und Schloss Alzey, wie überhaupt die Pfalz, Friedrich dem Siegreichen zur Verwaltung übergeben. Dieser kluge Fürst hatte sich bald die Kurwürde zu erschaffen gewusst und bei den Bürgern der Stadt Alzey so in Achtung gesetzt, dass sie im Jahre 1452 sich unaufgefordert an den Kaiser wendeten und ihn baten, die Pfalzgrafschaft auf ihn selbst zu übertragen. Ihrem Wunsche wurde willfahrt und am 3. Mai 1452 nahm Friedrich die Huldigung der Stadt Alzey entgegen. Nachdem Friedrich als Kurfürst eingesetzt worden war, bestimmte er, dass Alzey mit dem Schlosse niemals mehr von dem Kurfürstentum der Pfalz getrennt werden solle und so verblieb von da ab Alzey stets im Besitz der Kurfürsten, wenn es auch vorübergehend in andere Hände geriet. So ward es am Anfag des 16. Jahrhunderts im bayerisch-pfälzischen Erbfolgekrieg von dem Landgraf Wilhelm von Hessen in kaiserlichem Auftrag erobert. Mit Brandschatzung und Kriegslast jeglicher Art wurden damals die Bürger der Stadt heimgesucht. Auch das 17. Jahrhundert brachte der Satdt großes Unheil und vielfache Not. Besonders war es der Dreißigjährige Krieg, der ihr Leiden und Drangsale aller Art verursachte. Gleich zu Beginn des Krieges, 1620, wurde sie von den Spaniern unter Spinola erobert, dann kamen die Schweden, dann wieder die Spanier, dann die Bayern und zuletzt die Franzosen. Vierundzwanzig Jahre musste die Stadt den Übermut und die Bedrängnis der fremden Unterdrücker ertragen und nur vorübergehend ward sie von ihnen befreit. Erst 1651 zogen die Franzosen ab.

Das furchtbarste Unglück musste aber Alzey in den Jahren 1688 und 1689 in dem Orleanschen Krieg erdulden. In der ersten Hälfte des Oktober 1689 zündeten die Franzosen die Stadt an allen Ecken an und brannten sie fast bis auf den Grund nieder, so dass kaum 40 Häuser erhalten blieben; ebeso sprengten sie die Mauern und den Turm des Schlosses, das nun nur noch als Ruine dastand. Der Aufbau der in Asche gelegten Stadt kam nur sehr langsam zustande und der größte Teil der Straßen wurde erst im 18. Jahrhundert neu aufgebaut. Alzey war der Sitz eines Oberamtes, zu dem 66 Ortschaften gehörten, außerdem unterstanden ihm das Unteramt Freinsheim mit 15 und das Unteramt Erbes-Büdesheim mit 8 Ortschaften. Alzey bleib bei Kurpfalz bis zu den Wirren des 18. Jahrhunderts.