Burg Heppenheim an der Wiese - Eine fast vergessene "Burg" der Herren von Heppenheim. - von Werner Kropp
"Auf der südlichen Seite von Heppenheim befand sich eine Burg, von der aber nichts mehr vorhanden ist. Die Wiesen da selbst heißen noch jetzt die Burgwiesen und ein Weg der Burg-weg.", so schrieb Brilmayer (Anm.1) 1905. Heute, 97 Jahre später, wissen wir nicht sehr viel mehr über diese Burg und ihre Bewohner.
Es gibt jedoch zwei Quellen die den Schleier der über der Burg liegt etwas heben. Es sind dies eine alte Ortschronik (Anm.2) und eine Kartenhandschrift (Anm.3 ) aus den Jahren 1799/1800.
Der Pfarrer Karl Ludwig Mootz hatte 1864 folgendes zu berichten (Anm.4): "Daß eine Burg hier zu Heppenheim a/W. zu seiner Zeitgestanden hat dürfte über alle Zweifel erhaben sein. Die Stelle wo einst die Burgstand, hat jetzt noch eine Erderhöhung von circa 20-25 Fuß (Anm.5), liegt etwa 40 Schritte süd-süd-östlich von der Schach'schen Mühle in den Wiesen. Diese Wiesen werden auch die Burgwiesen immer noch benannt. Der Weg zur Burg, Burgweg noch jetzt benannt, ging durch die Mühle, was jetzt freilich Alles anders ist, ging durch das jetzt Heinrich Schenkel'sche Wohngebiet und den Garten und am Schlag den Weg hinauf, also erstlich, nach Offstein zu. Der Erdhügel, wo sich die Burg befand, enthielt früher viele Steine, besonders hart gebrannte Steine mit allerlei Arabesken welche ausgegraben wurden von den Wiesenbesitzern u. selbst verbraucht wurden, teils verkauft wurden, wie mir ein 72 jähriger Mann erzählte, der dieses Alles in seinen Kinderjahren (Anm.6) noch sah. Der Platz wird immer mehr geebenet, der Grundweg befahren, mit Gras besaamt und mit Obstbäumen angepflanzt, so daß in mehreren Jahren keine Spur mehr von der Erderhöhung mehr sichtbar sein dürfte. Der Grund und Boden gehört der malen dem Mühlenbesitzer Theodor Schach."
Die Angaben zur Lage werden von der o.g. Kartenhandschrift bestätigt. Danach lag der Mittelpunkt des (verbliebenen) Burghügels ca.29 Meter südlich der Dorfmühle (=Schach'sche Mühle). Auf der Karte ist ein dunkelbraun markierter, baumbestandener Hügel mit ca. 15 Meter Durchmesser zu erkennen.
Eine Frau (Anm.7) erzählte mir, daß ihr Ur-Ur-Großvater in jungen Jahren vom Burgplatz Steine geholt habe, die im Haus verbaut wurden. Auch andere Leute des Dorfes hätten das Gleiche getan. Das war wohl ca. Mitte des 19. Jhd. Somit werden die Angaben von Pfr. Mootz bestätigt. Weitere Hinweise für das Vorhandensein einer Burg ist die heute noch gültige Flurbezeichnung 'In den Burgwiesen', sowie der ehemalige Burgweg den Raimund Schmitt (Anm.8) wie folgt beschrieb: "Die Burgstraße bzw. Burgweg ging von dem Burgplatz aus in ziemlich gerader Richtung nach Westen durch die Mühlwiesen, in deren Mitte er mit dem Eisbach gleichzog, entlang diesem die sogenannte Wollgasse (Anm.9) überquerten, nachdem er ca. 250 Meter in westlicher Richtung verlief, im Winkel abbog und in nördlicher Richtung auf den Pfad (Dämmchen) hinter der jetzigen Neuen Schule stieß, wo er mit diesem vereint weiterging. Die nördliche Richtung des Weges betrug ungefähr 80 Meter, ehe er im Winkel abbog und nach ca. 60 Meter auf die Kirchgasse stieß. Mit dieser verlief er dann gemeinsam, überquerte die Wormser Straße, zog die Obere Bahnhof- und Bismarckstraße entlang und führte in westlicher Richtung weiter nach Offstein. "
Zu der Gewann "Burgwiesen" machen Schoell& Wilckens in ihrer Kartenhandschrift folgende Angaben : "Die Burgwiesen ziehen rücksichtlich der beiden Seitenlinien, wie die zweylezte Gewanden, nehmlich gegen Speier auf die alte Bach, gegen Bingen aber auf die Eisbach, gegen Wald auf den zwischen dieser und der Mühlwiesen Gewand, ohnweit des Burgplazes durchziehenden Weg, und gegen Rhein auf den Niedersteiger Weg".
Wenn auch, wie Wörner (Anm.10) 1887 schreibt, "die letzte Spur der ehemaligen Burg, ein kleiner Hügel, seit einigen Jahren verschwunden ist", bleibt kein Zweifel am Vorhandensein einer Burg südlich des Dorfes. Berichte (Anm.11) von Burgen an anderen Plätzen in der Heppenheimer Gemarkung sollte man hingegen außer acht lassen. Hier handelt es sich vermutlich um die Überreste ehemaliger römischer Höfe.
Daß eine Burg im geläufigen Sinne in Heppenheim gestanden hatte, darf man wohl ausschließen. Es ist naheliegend, im Wiesengrund ein befestigtes Haus in Form eines Wohnturmes zu vermuten. Solche Bauten waren im 10. -12. Jahrhundert weit verbreitet. Auf einem künstlich aufgeschütteten Hügel wurde ein runder oder auch viereckiger Turm errichtet. Das Baumaterial wurde wohl in den meisten Fällen der näheren Umgebung des Bauplatzes entnommen. Die Anlage wurde mit Palisaden geschützt. Zusätzlichen Schutz gewährte ein Wassergraben. Die beim Ausheben des Grabens gewonnene Erde lieferte das Material für die äußere Umwallung. Der Graben konnte aus dem nahegelegenen Eisbach gespeist werden. Feldsteine gab es in der Gemarkung reichlich und konnten mit Pflugschlitten herbei geschafft werden. Solche Anlagen nennt man Turmhügelburg oder auch 'Chateaux a motte'.
Die o.g. Maße des Burghügels (15 Meter Durchmesser und 6 Meter Höhe) muß man als Mindestmaße ansehen. Mehrere hundert Jahre Erosion sowie seine Nutzung als Lieferant für Baumaterial dürften dem Hügel arg zugesetzt haben, so daß seine ursprüngliche Ausdehnung mit einiger Sicherheit größer war. Auch dürfte der Mittelpunkt des, auf der Karte eingezeichneten, Hügels nicht identisch mit dem Mittelpunkt der ursprünglichen Anlage sein. Da die Entnahme von Baumaterial von der Mühle her bzw. über den Burgweg erfolgte, muß der erfasste Rest dem südöstlichen Segment des ehemaligen Burghügels angehören.
Leider verhindert das völlige Abtragen des Burghügels jede archäologische Arbeit, die über die Größe und das Aussehen der Burg Auskunft geben könnte. Sollte die Anlage tatsächlich von einem Wassergraben gesichert worden sein, so könnte man ihn auch heute mit archäologischen Mitteln nachweisen.
Zu ihrer Lage läßt sich nochfolgendes sagen: Sie lag südlich des Dorfes in einem feuchten Wiesengelände. Nach Norden hin wurde sie durch den Eisbach vom Dorf getrennt. Südlich der Burg könnte ein Arm des Eisbachs ebenfalls für einen natürlichen Schutz gesorgt haben. Regemorte weis tin seiner Kartenhandschrift (Anm.12) von 1725 einen solchen Wasserarm nach. Westlich davon gab es in früheren Jahrhunderten einen Weiher (Anm.13), der den Burgplatz von der Dirmsteiner Straße, einer wichtigen Landstraße, trennte. Östlich dürfte das Gelände der Burg von Sumpfgelände begrenzt worden sein.
Von den Bewohnern des befestigten Hauses gibt es keine Nachrichten, sie dürften wohl dem Niederadel angehört haben. Schmitt führt in seinem Buch (Anm.14) eine Liste von Rittern ab dem Jahr 1000 auf, aus der man allerdings nicht ersehen kann ob die Genannten in Heppenheim wohnten, oder lediglich Grundbesitz hatten bzw. in einem anderen Zusammenhang mit Heppenheim erwähnt wurden.
Anmerkungen
Die Anmerkungen zum Text finden Sie hier.
Nachweise
Redaktionelle Bearbeitung: mk
Verwendete Literatur:
- Brilmayer, Karl Johann: Rheinhessen in Vergangenheit und Gegenwart. Geschichte der bestehenden und ausgegangenen Städte, Flecken, Dörfer, Weiler und Höfe, Klöster und Burgen der Provinz Rheinhessen nebst einer Einleitung. Neudruck. Würzburg 1985.
- Schmitt, Raimund: Heppenheim an der Wiese. Grünstadt 1971.
- Wörner, Ernst: Kunstdenkmäler im Großherzogtum Hessen. Darmstadt 1887.
Aktualisiert am: 20.08.2014