Die Wormser Stadtbefestigung
Die aus kleinen Kalksteinquadern gefügte römische Mauer des 3. Jahrhunderts ist am Lutherring noch in einer Höhe von ca. 3 Meter erhalten. Die Teile darüber sind mittelalterlich. In karolingischer Zeit (Mauerbauordnung des Bischofs Tietlach 891-914) wurde die Stadtbefestigung erneuert. Dabei wurde das südliche Drittel der Römerstadt aufgegeben, d.h. die Römerstadt, ein schräg zum Rhein liegendes Oval, wurde beim Wiederaufbau der Mauer im 9./10. Jahrhundert auf etwa zwei Drittel ihres Umfangs verkürzt und nur an der Rheinseite geringfügig erweitert. Ein weiterer Ausbau der Stadtbefestigung erfolgte in der Zeit Bischof Burchards (um 1000).
Die Mauer im Mittelalter
Im 13. Jahrhundert wurde ein zweiter Mauerring hinzugefügt, der die Vorstädte im Süden und Norden einbezog. Jetzt war das Vierfache der bisherigen Fläche vom Mauerring umschlossen. Im 14./15. Jahrhundert wurde das Stadtgebiet nochmals durch die Errichtung eines weiteren äußeren Mauerrings vergrößert. Dieser neue Ring fiel nur im Bereich der Rheinfront mit dem bisherigen Mauerring zusammen. Zahlreiche meist viereckige Türme und fünf, durch besonders starke Türme geschützte Toren (innerer Ring: sieben Tore und 27 Türme) wurden angelegt. Schon im 15./16. Jahrhundert schrumpfte die Stadt auf ihren frühmittelalterlichen Kern zusammen, über den sie erst in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts wieder hinauswuchs.
Die Mauer in der Neuzeit
Im 16. Jahrhundert wurde die Befestigung durch vorgebaute Schanzen verstärkt. Im Pfälzischen Erbfolgekrieg besetzten die Franzosen in den ersten Tagen des Oktober 1688 die Stadt. Zunächst sprengten sie die Befestigungswerke, die Tore und Türme. Dann zündeten sie die Stadt in einer planmäßigen Zerstörungsaktion am 31.Mai 1689 (Pfingstdienstag) an. Die Ruinen wurden in der Folgezeit als Steinbruch benutzt und verfielen immer mehr. Im Zuge der Stadterneuerung in den Jahren vor und nach dem Ersten Weltkrieg wurden Restaurierungs- und Wiederaufbauarbeiten an einzelnen Teilen geleistet.
Form und Aussehen
Die mittelalterliche Stadtmauer ist noch in ansehnlichen Resten erhalten. Der Verlauf des inneren Rings wird heute durch Grünanlagen bezeichnet (Andreasring, Lutherring, Martinsring, Martinsplatz, Nordanlage), vom äußeren Ring ist nur noch Westseite (Bahnlinie, Renzstraße, Altmühlstraße) und die Nordseite (Pfortenring, Liebfrauenring) im Stadtplan zu erkennen. Der äußere Mauerring, welcher die Vorstädte umfasste, ist in seinen mittelalterlichen Teilen verschwunden.
Die Mauer hatte einen hölzernen Wehrgang, der über spitzbogigen Blendarkaden angebracht war. Reste sind am Andreasring (mit dem 1928 wieder aufgebauten Christoffeltum), am Lutherring und entlang der Judengasse (Raschitor, 11. Jahrhundert, Nordabschluss der inneren Stadt, 1901 durchgebrochen, Wehrgang wiederhergestellt) zu besichtigen. Am Torturmplatz findet sich ein größeres wieder hergestelltes Mauerstück mit zwei ursprünglich überdachten Türmen (Torturm und Bürgerturm) und erneuerten Erkertürmchen über der Fischerpforte (Lutherpförtchen).
Plan des Mauerverlaufs
Von den 40 Türmen, welche die Mauern vor 1689 besaßen, sind noch zwei auf der Ostseite erhalten, nördlich der Bürgerturm und südlich der Torturm. An der Südwestecke der Stadt stand der Turm Luginsland. Er ist nur noch mit der inneren, nach der Stadt zu gerichteten Wand in Mauerhöhe erhalten. In diesem Turm wurde Heinrich, der Sohn des Staufferkönigs Friedrichs II., gefangen gehalten. Der Name soll der Sage nach daher rühren, dass der Königssohn dem Pfalzgrafen, der ihn gefragt, was er mache, geantwortet habe: "Da sitze ich und luge für die lange Weil ins Land". Die sieben mächtigen Tore sind gänzlich verschwunden.
Nachweise
Verfasser: Stefan Grathoff/Sarah Spieß
Zuletzt überarbeitet am 29.05.2009
Verwendete Literatur:
- Karl Heinz Armknecht: Die Wormser Stadtmauern. In: Der Wormsgau. Zeitschrift der Kulturinstitute der Stadt Worms und des Altertumsvereins Worms 9 (1970/71), S.54-65.
- Otto Böcher: Die Wormser Stadtmauer. In: Ärzteblatt Rheinland-Pfalz 8 (1992), S. 353-356 und 10 (1992), S. 453-456.
- Karl Johann Brilmayer: Rheinhessen in Vergangenheit und Gegenwart. Geschichte der bestehenden und ausgegangenen Städte, Flecken, Dörfer, Weiler und Höfe, Klöster und Burgen der Provinz Rheinhessen nebst einer Einleitung. Neudruck der Ausgabe 1905 Würzburg 1985.
- Georg Dehio: Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler. Hessen. Bearb. von Magnus Backes 2., bearb. Aufl. München 1982.
- Wolfgang Grün: Die Stadtmauer von Worms. Denkmal, Monument, Maßstab der ältesten Stadt in Deutschland. Worms 1998.
Aktualisiert am: 09.01.2015