Aspekte der Wormser Stadtgeschichte
von Gerold Bönnen
0.1.Die Anfänge
Die Stadt Worms, für die die archäologische Forschung eine sehr hohe Siedlungskontinuität nachweisen konnte (seit etwa 5000 v. Chr.), liegt verkehrsgünstig und in einer fruchtbarenLandschaft an einer hochwasserfreien Uferstelle des oberrheinischen Grabens. Seit der augusteischen Zeit (27 v. - 14 n. Chr.), für die in Worms ein Kastell anzusetzen ist, gehörte Worms und sein Umland zum römischen Herrschaftsbereich. Der älteste, durch antike Zeugnisse überlieferte Name für die Stadt ist die keltische Bezeichnung 'Borbetomagus' bzw. 'Bormitomagus'; die keltische Keimzelle der römischen Stadt lag nördlich der Pfrimm. Über die genaue Lage, den Umfang und die Ausstattung der nach dem in der Region ansässigen Volk offiziell 'Civitas Vangionum' geheißenen Stadt bzw. des spätantiken Kastells herrscht in der Forschung keine Klarheit; hinsichtlich der Verwaltung und Funktionen von Worms ist aber von einer städtischen Siedlung auszugehen. Das Ende der römischen Herrschaft wird auf die Zeit um 450 datiert, nachdem die Stadt zu Beginn des 5. Jahrhunderts Sitz eines kurzlebigen Burgunderreiches gewesen sein soll (413 Ansiedlung von Burgunden als Föderaten im Wormser Raum). Über die Zeit der Völkerwanderung ist ebensowenig Gesichertes bekannt wie über das frühe Mittelalter. Nach der Zeit um 500 und damit nach der Niederwerfung der Alamannen begann die fränkische Besiedlung im südlichen Rheinhessen. Der Name Warmatia ist seit dem 7. Jahrhundert belegt.
0.2.Bischofsstadt
Vermutlich seit der Mitte oder dem Ende des 4. Jahrhunderts war Worms Sitz einer Bischofskirche, wobei die Historizität des angeblichen Bischofs Victor (346) umstritten ist; gesichert ist die Bischofsreihe erst ab Bertulf (614). Schenkungen an die zur Erzdiözese Mainz gehörige Bischofskirche setzen mit dem späten 9. Jahrhundert ein. Worms entwickelte sich zum Hauptort eines kleinen, zwischen Kaiserslautern und dem Neckartal sichelförmig sich erstreckenden Bistums, das um 1500 ca. 250 Pfarreien umfaßte. Frühchristliche Gräberfelder vor der Stadt weisen - wie in anderen Kathedralstädten auch - auf die spätantiken Wurzeln des Christentums hin. Die dem Apostelfürsten Petrus geweihte Bischofskirche (daneben bestand eine Taufkirche St. Johannis und spätestens seit dem 11. Jahrhundert die Palastkapelle St. Stephan) befand sich an der Stelle des römischen Forums; ein erster Bau wird auf die Zeit um 600 datiert. Zur Zeit Karls des Großen, vor allem ab 803, wurde Worms zum bevorzugten Pfalzort.
Burg – Mauer – bischöfliche Stadtherrschaft
Seit dem 9./10. Jahrhundert war die Stadt Sitz der mächtigen Herzogsfamilie der Salier, die über eine 1002 erstmals quellenmäßig faßbare Burg verfügten und im Dom ihre Grablege besaßen. Sie hatten offenbar eine dominierende Position in der Stadt und dem Wormsgau inne. Die in die Zeit um 900 datierende Mauerbauordnung des Bischofs Thietlach setzt eine intakte Stadtbefestigung im Umfang von ca. 45 Hektar voraus. Seit dem 10. Jahrhundert erfolgte durch die Unterstützung des ottonischen Königtums ein um 980 abgeschlossener Ausbau der bischöflichen Stadtherrschaft, die u.a. auf Verfügungsrechten über Gerichtsbarkeit, Münze und Zoll beruhte. Die Stadtherrschaft gelangte in der Zeit von Bischof Burchard (1000-1025) zu ihrer vollen Ausprägung. Zu seinen zahlreichen Leistungen gehören große stadtplanerische Maßnahmen und Bauprojekte, darunter in erster Linie der Neubau des Domes, die Förderung bzw. Neuerrichtung der für die allgemeine Stadtentwicklung, die Absicherung der Stadtherrschaft und das kirchliche Leben gleichermaßen wichtigen Kollegiatstifte, die Festlegung eines Hofrechts für den sich rechtlich und sozial zunehmend differenzierenden, an die Domkirche gebundenen Personenverband, seiner 'familia' und eine bedeutende Sammlung kirchenrechtlicher Vorschriften. Von den Stiften, denen jeweils (vermutlich karolingerzeitliche) Kirchen zugeordnet wurden, besaßen neben St. Andreas, St. Martin und dem in seinen Anfängen als Gotteshaus (St. Dionysius) in die Merowingerzeit zurückführbaren, nordwestlich der Stadt gelegenen St. Cyriakus in Neuhausen (Stift seit der Mitte des 9. Jahrhunderts) vor allem St. Paulus Bedeutung, das von Bischof Burchard an der Stelle der bisherigen Salierburg ab 1002/1016 errichtet wurde.
Die jüdische Gemeinde
Wesentlichen Anteil an der hervorragenden Entwicklung der Stadt während des hohen Mittelalters hatte die spätestens seit der Jahrtausendwende bestehende, in enger Beziehungzum Königtum (1090, 1157 Privilegien) stehende und während des hohen Mittelalters aufgrund der Tätigkeit ihrer Mitglieder im Fernhandel ökonomisch blühende jüdische Gemeinde (1034 Bau einer ersten Synagoge, erhebliche Erweiterung 1174/75, Kultbad 1185/86, Frauensynagoge 1212/13, Friedhof vor 1076/77), die insbesondere auch aufgrund ihrer geistig-religiösen Bedeutung und Ausstrahlung zu den bedeutendsten Niederlassungen im deutschen Reichsgebiet gehört hat. Eine jüdische Gemeinde bestand trotz Verfolgungen (vor allem 1096 und 1349), Vertreibungsversuchen (1487, 1558, 1615) und sich während des späten Mittelalters stark verschlechternden Lebensumständen bis in die NS-Zeit. Als autonome Gemeinde stand sie seit einer vertraglichen Regelung vom Jahre 1312 unter der Leitung eines Judenrates und eines vom Bischof, später von der Stadt bestätigten Judenbischofs.
Rat und Zünfte
Der formell von den Bischöfen eingesetzte Rat erhielt im Gefolge von Konflikten um die Ungelderhebung um 1300 (dritte Rachtung) ein aus den allmählich erstarkenden Zünften (bereits 1106/06 Erbfischerzunft) sich rekrutierendes bürgerschaftliches Pendant. Die Zünfte konnten im Laufe des 14. Jahrhunderts im Gefolge innerstädtischer Unruhen ihren Anspruch auf politische Mitwirkung gegen die sich geburtsständisch abschließenden Geschlechter durchsetzen (Vierte Rachtung 1366: Ergänzung des 15-köpfigen Rates durch vier sog. Bischofsmänner, vom Bischof jährlich ernannte Ratsherren), während die bereits von Kaiser Friedrich I. im Jahre 1165 privilegierten Münzerhausgenossen ihren bevorzugten Gerichtsstand und bestimmte Steuervorteile bis zum Ende des 15. Jahrhunderts bewahren konnten. Das späte Mittelalter war gekennzeichnet von periodisch sich verschärfenden Konflikten zwischen dem mächtigen Stiftsklerus und der Bürgerschaft, wobei es - wie in anderen Kathedralstädten auch - vor allem um die letztlich kaum angetastete Steuerfreiheit des Klerus und die geistlichen Sonderrechte ging (1407 'Große Pfaffenrachtung'). Bereits seit dem Jahre 1392 zogen erneute Zugeständnisse des Rates an die Zünfte weitere Änderungen der Ratsverfassung nach sich. Die Stadt war langfristig erfolgreich um die auf Kosten der geistlichen Gerichte erfolgende Ausweitung ihrer Gerichtshoheit bemüht. Im späten Mittelalter besaßen die städtischen Gerichte, gestützt auf königliche Gerichtsstandsprivilegien, faktisch eine selbständige Stellung; seit dem Jahre 1360 ist ein eigenständiges Gerichtssiegel bezeugt, dessen Gültigkeit jedoch umstritten war. Im Jahre 1348 waren der Stadt die königlichen Rechte an den Wormser Juden übertragen worden, so daß auch sie dem städtischen Gericht unterstanden. Der Rat baute ab 1491 das bürgerliche Zentrum um die 'Münze' repräsentativ aus, erlangte aber während des Mittelalters keine wirklich obrigkeitliche Stellung gegenüber der Gemeinde. Auch gelang keine Ausbildung eines städtischen Territoriums.
Worms und die Pfalzgrafen bei Rhein
Herrschaftsansprüche gegenüber der Stadt bestanden seitens des Königtums, der bis gegen 1500 mit relativ starken Rechten ausgestatteten, seit dem späten Mittelalter auch im ca. 30 Kilometer südöstlich von Worms am Neckar gelegenen Ladenburg residierenden und nur über ein kleines Hochstift verfügenden Bischöfe (u.a. Ratseinsetzung und Huldigungseide) und der mit diesen eng verbundenen Pfalzgrafen. Diese waren seit dem 13. und 14. Jahrhundert zu den in der Region eindeutig dominierenden Territorialherren mit vielfältigen Einwirkungsmöglichkeiten auf die Stadt aufgestiegen; ihre Beziehungen zur Stadt wurden seitdem 15. Jahrhundert in Schirm- und Vogteiverträgen geregelt. Stets mußte der Rat hier auf Ausgleich bedacht sein, zumal sich Kurpfalz auch im direkten Wormser Umland immer stärker festzusetzen vermochte. Um 1500, in der Zeit des bedeutenden Humanisten und Wormser Bischofs Johann von Dalberg (1483-1503) und danach, als Worms sehr häufig als Ort von Reichstagen gewählt wurde, gelang es der Stadt, in enger Bindung an das Königtum nun immer stärker betonten Status als freie Reichsstadt definitiv gegen die meisten bischöflichen Ansprüche durchzusetzen. Die Mediatisierungsversuche von Bischöfen und Pfalzgrafen konnten abgewehrt werden.
Reichsstadt Worms
Nach dem Jahre 1495 wurde Worms aufgrund der Beschlüsse des Reichstages Kaiser Maximilians für kurze Zeit Sitz des königlichen Kammergerichts; es wurde zudem zum Vorort des Oberrheinischen Reichskreises bestimmt. Auch der 'Ewige Landfriede' und der 'Gemeine Pfennig', eine Reichssteuer, wurden 1495 in Worms beschlossen. 1498/99 wurde mit der sog. Wormser Reformation ein unter starkem römisch-rechtlichem Einfluß stehendes Stadtrecht kodifiziert und gedruckt. Nach 1505/08 erfolgte die Einführung neuer Siegel, die die Reichsfreiheit der Stadt in den Vordergrund stellten. In seiner Blütezeit um und kurz nach 1500 besaß Worms neben zahlreichen Stiften und Klöstern neun Pfarreien und ca. 15 Kapellen sowie Spitäler und Klosterhöfe. Die Stadt zählte um diese Zeit vermutlich etwa 6000 und bis in das 19. Jahrhundert keinesfalls mehr als 7000 Einwohner; davon umfaßte die jüdische Gemeinde um 1500 ca. 250 Personen. Eine seit dem 13./14. Jahrhundert vorgenommene erhebliche Erweiterung der Stadtmauern (ca. 170 ha) wurde bei weitem nicht ausgefüllt.
Rat und Stadtgericht
Ergebnis der heftigen Konflikte um die Verfassung der Stadt war die nach Kämpfen um die Stadtherrschaft 1513/14 (Aufstand gegen die überkommene Ratsherrschaft) festgelegte sogenannte 'letzte Rachtung' von 1519, die noch einmal 1526 korrigiert wurde und dann bis zum Ende der reichsstädtischen Zeit (1798) als reichsrechtlich sanktionierte Stadtverfassung in Kraft blieb. Geregelt wurde hier unter anderem die Besetzung von Rat und Stadtgericht. Festgeschrieben wurde 1526 zunächst die Stellung des kurz zuvor (1522) wohl nach Straßburger Vorbild neu in die Stadtverfassung eingeführten sog. Dreizehnerkollegs, das zunächst als Ausschuß und Exekutivorgan des gesamten, zu schwerfälligen Rates ins Leben gerufen wurde und sich rasch zum politisch entscheidenden Gremium fortentwickelte. Der auf Lebenszeit gewählte Dreizehnerrat, an dessen Spitze ein jährlich wechselnder Stättmeister stand, hat bis zum Ende des Alten Reiches die Geschicke der Stadt in seiner Hand gehabt. Zugeordnet wurde diesem Gremium ein verkleinerter (wechselnder oder gemeiner) Rat von jährlich wechselnden zwölf Ratsherren. Stättmeister und Schultheiß als wichtigste Ämter sollten aus dem Dreizehnerrat besetzt werden, während der Bürgermeister aus dem wechselnden Rat genommen werden mußte. Die Wahl des der Theorie nach nur noch mit Zünftigen (es bestanden in der Neuzeit 17 Zünfte) besetzten wechselnden Rates wurde von dem formal in seiner Stadtherrschaft kaum angetasteten, tatsächlich jedoch nachrangig gewordenen Bischof aus einer von seiten der Stadt zu erstellenden Vorschlagsliste vorgenommen. Jährlich wurde der Rat auf die Rachtungen von 1519 und 1526 vereidigt. Bezüglich des wechselnden Rates setzte sich bald die Praxis durch, daß nach Ablauf der vorgesehenen Frist von drei Jahren, innerhalb derer keine Neuwahl in den Rat erlaubt war, dieselben Personen wieder in den Rat entsandt wurden, so daß sich ein fester Rat mit 36 Angehörigen herausbildete.
Die Reformation
Einfluß auf die Stadtverfassung erlangte auch die komplexe Regelung der seit den 1520er Jahren virulenten konfessionellen Fragen, bei der sich eine Mehrkonfessionalität herausgebildet hat. Ab 1521, als Martin Luther auf dem Reichstag vor Kaiser Karl V. den Widerruf seiner Lehre verweigerte, überwog im Rat die schließlich bis etwa 1527 eingeführte lutherische Lehre. Mit der Magnuskirche, der Pfarrkirche des Andreasstifts, stand den Anhängern der neuen Lehre zwar bald ein Gotteshaus zur Verfügung, jedoch blieb es umstritten. Der Rat richtete im vormaligen Franziskanerkloster 1527 eine städtische Lateinschule ein und bestellte einen Prediger der neuen Lehre. Die Existenz der Bischofskirche samt ihres Immunitätsbezirkes und des Dom- und Stiftsklerus wurde trotz dieser religiösen Neufestlegung nicht und das Weiterbestehen der alten geistlichen Institutionen kaum angetastet bzw. blieb, wie bei den Bettelorden, nicht eindeutig bestimmt. Neben der lutherischen Mehrheit bestand demnach dauerhaft eine durch Reichsrecht geschützte katholische Minderheit in der Stadt, deren Angehörige jedoch seit 1552 von der Ratsmitgliedschaft ausgeschlossen waren. Der Bischofssitz wurde bis zur Aufhebung des Bistums 1801 von den Mainzer bzw. Trierer Erzbischöfen mit verwaltet. Das Bistum hörte aufgrund der Auswirkungen der Reformation in den umliegenden Territorien (v.a. in Kurpfalz) nahezu zu bestehen auf, das Hochstift schrumpfte immer weiter zusammen. Das Domkapitel und die katholisch gebliebenen geistlichen Institutionen bestanden dabei fort. Im Jahre 1606/07 ließen sich die Jesuiten in Worms nieder. Erst 1699, nach der Stadtzerstörung, konnten die im 17. Jahrhundert bereits sporadisch in der Stadt ansässigen Reformierten, für die von 1644 bis 1650 eine Militär- und Flüchtlingsgemeinde bestand, das Recht auf Bildung einer Gemeinde, Abhaltung ihres Gottesdienstes und auf Zulassung zum Bürgerrecht erlangen. Neben den infolge von Sozialunruhen kurzzeitig 1615 vertriebenen Juden, deren Zahl im 16. Jahrhundert stark gestiegen war (um 1667 umfaßte die Gemeinde mindestens 500 Personen) und deren rechtliche Stellung durch städtische Judenordnungen geregelt wurde, bildeten sie die vierte in der Stadt lebende Religionsgemeinschaft. Fast zeitgleich mit den Reformierten wurden durch einen Vertrag von 1699 auch die Juden wieder zur Ansiedlung in der Stadt zugelassen. Katholiken, Juden und Reformierte blieben jedoch vom Rat und damit von politischer Tätigkeit ausgeschlossen.
Stagnation und Abstieg
Mit dem 16. Jahrhundert ging die Blütezeit der Stadt allmählich zu Ende und es begann ihr langer, stetiger Abstieg, der bis nach der Mitte des 19. Jahrhunderts angedauert hat. Dem Aufblühen der benachbarten kurpfälzischen Exulantenstadt Frankenthal (ab 1562/77) und vor allem dem rasanten Aufstieg von Mannheim (ab 1607) steht eine dauerhafte Stagnation der Reichsstadt in Verfassung, Wirtschaft und Bevölkerung gegenüber. Auf das kurpfälzische 'Angebot' des Jahres 1659, die Stadt zeitweilig zur Residenzstadt des Territoriums zu machen, ging man in Worms nicht ein, zumal dem auch eine Reihe unüberwindlicher Schwierigkeiten entgegengestanden hätte. Die Zeit des Dreißigjährigen Krieges brachte neben Einquartierungen vor allem Zerstörungen der Vorstädte mit sich. Zu den baulichen Schäden und finanziellen Belastungen trat 1666/67 eine schwere Pestepidemie hinzu, die einen Tiefstand der Bevölkerung von nur noch etwa 3000 Personen zur Folge hatte. Schließlich beschleunigte die verheerende Stadtzerstörung im Pfälzischen Erbfolgekrieg 1689 nochmals den Niedergang und die politische Marginalisierung der Reichsstadt. Wichtigstes Symbol des beginnenden Wiederaufbaues und einer ganz allmählichen Konsolidierung im Laufe des 18. Jahrhunderts wurde die von 1709 bis 1725 als Reformations-Gedächtniskirche errichtete lutherische Stadtkirche (Dreifaltigkeitskirche).
Nach 1689 wurde die alte Ratsverfassung wieder hergestellt, nachdem der Rat 1697 aus seinem Frankfurter 'Exil' zurückgekehrt war. Zu einer dringend nötigen Neuordnung der rechtlich-verfassungsmäßigen und wirtschaftlichen Verhältnisse kam es nicht. Der Versuch, das Dreizehnerkolleg und die Zahl der Mitglieder des wechselnden Rates an die tatsächlichen Verhältnisse der Stadt anzupassen, d.h. sie zu verringern und ihre Funktionsfähigkeit zu steigern, mißlang aufgrund eines bischöflichen Einspruchs beim Kaiser und fehlender Reformbereitschaft auf seiten der alten Eliten. Auf diese Weise blieben der komplizierte Verfassungsaufbau und die umständliche Verwaltungsgliederung sowie die konfessionellenund rechtlichen Schranken innerhalb der Bewohnerschaft, deren Aufrechterhaltung viele Kräfte band, erhalten. Zudem standen der Klerus und das Personal der Hochstiftsverwaltung außerhalb aller politischen Mitwirkungsmöglichkeiten. Die oligarchische Struktur des inständigem Konflikt mit der bischöflichen Verwaltung, dem Klerus und den katholisch gebliebenen geistlichen Institutionen stehenden Gemeinwesens bestand bis zum Ende des Alten Reiches fort. Obwohl der Rat in seiner Mehrzahl aus Mitgliedern der Krämerzunft bestand, blieben sogar die Interessen der Handeltreibenden unberücksichtigt. Die wirtschaftlichen Funktionen der Stadt inbesondere im Handel erlahmten und entsprachen immer weniger den durch die günstigen geographischen Faktoren gegebenen Möglichkeiten. Das Besitzstandsdenken der führenden Familien verband sich mit der Ausklammerung der Stadt aus den größeren umliegenden Territorien. Die Ideen der Aufklärung blieben in Worms fast unwirksam; trotz eines ausgebauten Schulwesens erwuchs aus der Bürgerschaft keine Schicht von Bildungsträgern, die über den provinziellen Rahmen hinaus für geistige Neuerungen aufgeschlossen gewesen wäre. Daran konnte auch die seit 1776 gegebene Existenz einer Zeitung nichts Wesentliches ändern. Auch während des 18. Jahrhunderts lasteten auf der Stadt erhebliche militärische Anforderungen in Form von Einquartierungen, Kontributionszahlungen und ähnlichem, wobei Worms vor allem von den Folgen des Siebenjährigen Krieges (1756-1763) betroffen wurde.
Französische Besetzung
Die reichsstädtische Epoche der Stadt Worms fand nach einer mit der ersten französischen Besetzung durch die Revolutionstruppen im Oktober 1792 beginnenden rechtlich verfassungsmäßigen Übergangszeit im Januar 1798 ihr endgültiges Ende. Zu diesem Zeitpunkt wurde die Stadt infolge des Friedens von Campo Formio (1797) völkerrechtlich Teil der französischen Republik, der reichsstädtische Magistrat hörte endgültig zu bestehen auf. Worms, das zu diesem Zeitpunkt weniger als 5000 Einwohner zählte, gehörte fortan als Kantonshauptort und Garnisonstadt zum Arrondissement Speyer innerhalb des Departements Donnersberg (Mont Tonnere) mit Sitz in Mainz. Im September 1802 wurde in den linksrheinischen Departements die französische Verfassung eingeführt, mithin folgte auch die Verwaltung der Gemeindeangelegenheiten dem französischen Vorbild. Als Exekutivorgan fungierte der staatlich ernannte Maire, dem die gesamte Gemeindeverwaltung aufgetragen war; unterstützt wurde er von zwei Adjoints. Der Maire war Mitglied und Präsident des Munizipalrats, dessen Kompetenzen jedoch angesichts des streng zentralistischen Systems und der staatlich dominierten Gemeindeverfassung sehr begrenzt blieben. Wie auch in anderen Städten, so war der Übergang zur französischen Herrschaft mit umfassenden rechtlichen Neuerungen in nahezu allen Lebensbereichen verbunden. Aufgrund der Auflösung der für Sozialstruktur, Wirtschaft und Stadtgestalt gewichtigen geistlichen Institutionen, des Verschwindens des an diese gebundenen Klerus und des endgültigen Endes von Worms als Bischofssitz (1801) kam es in den Jahren kurz nach 1800 zu einem tiefgreifenden Wandel der Stadtgestalt. Die geistlichen Häuser und Grundstücke wechselten im Zuge der Nationalgüterversteigerung ihre Besitzer; von dem Bereich um die Kathedralkirche und die frühere Bischofspfalz blieb nur der Dom erhalten. Veränderungen brachte die Zeit um 1800 auch für die Angehörigen der jüdischen Gemeinde, deren Getto geöffnet wurde und für die sich neue Betätigungsmöglichkeiten ergaben, ohne daß den Juden jedoch die vollen bürgerlichen Freiheitsrechte zugestanden worden wären. Im 19. Jahrhundert dominierte in der jüdischen Gemeinde eine starke liberal-reformerische Richtung; von 1849 bis 1852 amtierte mit Ferdinand Eberstadt erstmals ein Wormser Bürgermeister jüdischen Glaubens.
Worms im Großherzogtum Hessen
Nach einer Übergangszeit unter der 'Gemeinsamen österreichisch-baierischen Landesadministrationskommission' mit Sitz in Worms bzw. Kreuznach (1814 - 1816), die jedoch für die Gemeindeverfassung folgenlos blieb, kam die Stadt gemäß den Beschlüssen des Wiener Kongresses mit dem Besitzergreifungspatent Großherzog Ludwigs I. von Hessen-Darmstadt für die neue Provinz Rheinhessen (Bezeichnung seit 1818) von Juli 1816 zum Großherzogtum Hessen. Grundlage der Gemeindeverwaltung war fortan die ein Jahr nach der hessen-darmstädtischen Verfassung vom Jahre 1820 erlassene hessische Gemeindeordnung vom 30.6.1821, die der Gemeindevertretung wenig Raum für selbstverantwortliches Handeln ließ. Mit ihr wurde das bis dahin fortgeltende französische Gemeinderecht außer Kraft gesetzt, wohingegen der Fortbestand der besonderen Verfassungseinrichtungen aus französischer Zeit (Zivilstandsgesetzgebung, Code civil, Friedensgerichte u.a.) garantiert wurde. Der durch die Gemeindeordnung geschaffene Rechtszustand, der dem napoleonischen Vorbild u.a. mit der Trennung von Exekutiv- und Beschlußorgan folgte, galt hinsichtlich der Vorgaben über die Gemeindevertretung bis zum Beginn des Jahres 1852 fort, als die gesetzlichen Bestimmungen zur Kommunalverfassung in wichtigen Punkten stark verändert wurden. In der Rechtswirklichkeit verstärkte sich während der Zeit des Vormärz die staatliche Oberaufsicht über die Gemeinden, die seit der in Rheinhessen 1835 erfolgten Einführung der Kreise durch das Kreisamt repräsentiert wurde. Die überaus starke Position der Kreisämter blieb im Grunde bis zur Städteordnung von 1874 bestehen. Das Beschlußorgan der Gemeinde war der Gemeinderat, der sich aus dem Bürgermeister und 15 Gemeinderäten mit beratender und mit aufsehender Funktion zusammensetzte. Zu Beginn der Revolution von 1848/49 erfuhr der Gemeinderat eine vorübergehend beachtliche Aufwertung. Vorsitzender der Gemeindevertretung und Leiter der Verwaltung war der von der Regierung aus der Mitte des Gemeinderates ausgewählte und vom Großherzog ernannte Bürgermeister. Die politische Entwicklung im Vormärz stand im Zeichen des Kampfes um die rheinhessischen Sonderrechte und Institutionen innerhalb des Großherzogtums. Zu einer der führenden politischen Gestalten wurde dabei Heinrich von Gagern (1799-1880), dessen parlamentarische Tätigkeit 1832 begann und der auch Worms in der zweiten Kammer der hessischen Landstände vertrag, bevor er als Präsident der Nationalversammlung nach Frankfurt ging. Während der Ereignisse seit den ersten Märztagen 1848, die zunächst die Erfüllung elementarer liberaler Forderungen (1. März 'Wormser Adresse') brachte, bildete sich rasch ein 'Bürgerkomitee', das neben den gewählten Gemeinderat unter Bürgermeister Renz trat. Zu den wichtigsten lokalen Diskussionspunkten gehörte 1848 die Frage der Volksbewaffung bzw. der Bürgerwehr. Seit April schritt die Vereinsbildung voran, in deren Verlauf sich ein republikanischer 'Demokratischer Verein' und ein konstitutionell-monarchischer 'Bürgerverein' bildeten. Die Revolutionsphase fand mit dem gegen die Freischaren unter ihrem Anführer Ludwig Blenker gerichteten Einmarsch preußischer Truppen Mitte Juni 1849 bzw. einem Hochverratsprozeß gegen führende Persönlichkeiten aus Worms und Rheinhessen im Jahre 1850 ein äußeres Ende. Im Januar 1852 trat das Gesetz, 'die Bildung des Ortsvorstandes und die Wahl des Gemeinderates betreffend' in Kraft, das tiefgreifende Veränderungen des bestehenden Kommunalrechts mit sich brachte. Diese betrafen die verstärkte staatliche Beteiligung an der Besetzung des Bürgermeisteramtes, Einschränkungen des aktiven Wahlrechts und die Einführung eines Drei-Klassen-Wahlsystems, durch das der Einfluß der Begüterten auf die Gemeindeverwaltung ausgeweitet wurde. Bei der Kommunalwahl des Jahres 1852 besaßen so nur noch 961 Personen in Worms das Wahlrecht, während es im November 1849 noch etwa 2200 Personen gewesen waren.
Das 19. Jahrhundert
Seit den 1830er Jahren hatte die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt neue Impulse erhalten. Bis um die Mitte des 19. Jahrhunderts lag das Hauptgewicht der wirtschaftlichen Betätigung der Stadtbevölkerung noch eindeutig im landwirtschaftlichen Sektor; von einiger Bedeutung war der Handel (u.a. Wein- und Fruchthandel). Schließlich kam es zur Gründung der ersten Lederfabriken (Heyl & Martenstein 1834/39, Doerr & Reinhart 1840), womit die Keimzelle für die spätere Industrialisierung gelegt wurde. Im südlichen Vorstadtgebiet bildete sich ein erster Industrieschwerpunkt heraus, im Norden der Stadt siedelte sich eine später recht bedeutende Textilindustrie an. Die Stabilisierung der wirtschaftlichen Verhältnisse wird auch markiert durch die 1838 erfolgte Einrichtung einer in städtischer Regie geführten Sparkasse, der Gründung einer Wormser Handelskammer im Jahre 1842 und eines Vorschuß- und Kreditvereins auf genossenschaftlicher Basis im Jahre 1860, der späteren Volksbank. Die 50er und 60er Jahre brachten für Worms spürbare Fortschritte im Hinblick auf eine weitere wirtschaftliche Festigung: So erfolgte 1853 der Anschluß an die hessisch-bayerische Ludwigsbahn Mainz-Worms-Ludwigshafen, 1855 wurde eine Schiffsbrücke über den Rhein errichtet, womit die Stadt erstmals über einen festen Rheinübergang verfügte. Um dieselbe Zeit war die Bevölkerungszahl der Stadt auf ca. 10.000 Personen angestiegen. Seit etwa 1860 begann ein immer rascheres Wachstum der Stadt, wobei die Hauptausdehnungsrichtung nach Westen ging. Äußeres Zeichen dieses Hinauswachsens aus den jahrhundertelang bestimmenden Umgrenzungen war die Errichtung des 1868 fertiggestellten Lutherdenkmals vor dem westlichen Stadtmauerbereich. Sowohl die Anfänge der späteren Sozialdemokratischen Partei als auch die Formierung des ab 1870/71 in Worms politisch bestimmenden Nationalliberalismus mit betont deutsch-nationaler Grundstimmung (1867 Nationalliberaler Verein) unter ihrer bestimmenden Figur Cornelius Wilhelm (von) Heyl (1843-1923) fallen in die 1860er Jahre.
Die Städtordnung von 1874
Einen wesentlichen Einschnitt in der Geschichte der hessischen Kommunalverfassung bedeutete das Inkrafttreten einer von den hessischen Städten seit Jahren geforderten neuen Städteordnung vom 13.6.1874 ('Gesetz, betreffend die Städte-Ordnung für das Großherzogthum Hessen'). Mit ihr wurde eine Ausweitung der kommunalen Selbständigkeit erreicht, die schon angesichts der wachsenden Aufgabenfülle der u.a. mit den Folgen der Industrialisierung konfrontierten Städte unumgänglich geworden war. Von nun an vertraten der Bürgermeister und die aus 18 Personen bestehende Stadtverordnetenversammlung, die an die Stelle des vorherigen Gemeinderates trat, die Stadt. Die Hälfte der Stadtverordneten mußte aus dem höchstbesteuerten Drittel der passiv Wahlberechtigten stammen. Das neue Wahlrecht führte zu einer Ausweitung der Wählerschaft. Im September 1874 wurde der Notar Friedrich Heimburg zum ersten hauptamtlichen Bürgermeister in Worms gewählt. In seiner Zeit kam es unter anderem zu einer Neuordnung und Modernisierung der mit 60 Bediensteten (1882, einschließlich der 1880 eingeführten Schutzmannschaft) noch recht kleinen Stadtverwaltung und dem Ausbau der kommunalen Polizei. Daneben wurde die räumliche Situation des Rathausbezirks durch eine Gesamterneuerung und Erweiterung der Baulichkeiten in den Jahren 1883 bis 1885 verbessert.
Wirtschaftlicher Aufschwung
Die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt stand ganz im Zeichen der bald zu Weltgeltung aufsteigenden Wormser Lederindustrie, die für die Wirtschaftsstruktur der Stadt bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs klar dominierend blieb. Der enorme wirtschaftliche Aufschwung der Stadt in den Jahrzehnten von 1880 bis 1914, der in erster Linie auf dem beispiellosen Aufstieg dieser Industrie, vor allem in Gestalt der dominierenden Firmen Cornelius Heyl und Doerr & Reinhart, aber auch anderen Industriezweigen, u.a. einer starken Textilindustrie beruhte, läßt sich an den Fortschritten im Kommunalbau und der rasanten Ausweitung der Tätigkeit der Stadt eindrucksvoll ablesen. Zu den wichtigsten öffentlichen Bauprojekten gehörten der Umbau des Rathauses (1883-1885), der Bau der Gewerbeschule (1887), das neue Stadtkrankenhaus (1888), die Errichtung des Spiel- und Festhauses (1889), das Gas- und Wasserwerk (1889), die Hafen- und Uferbauten (1890-1893), der Wasserturm im neu erschlossenen Westend (1888-1890), die Straßenbrücke über den Rhein (Ernst-Ludwig-Brücke, 1900), der neue städtische Friedhof auf der Hochheimer Höhe (1902), der Hauptbahnhof (1902-1904), der Neubau des humanistischen Gymnasiums (1905), der Schlachthof (1912) und das Gebäude der städtischen Sparkasse (1913). Als Oberbürgermeister amtierte von 1882 bis zu seinem Weggang nach Darmstadt, wo er 1898 Finanzminister wurde, der Nationalliberale Wilhelm Küchler, eine herausragende Gestalt in der Abfolge der Wormser Stadtoberhäupter. Wesentliche Impulse für die Stadtentwicklung des 'neuen Worms' gab der von 1886 bis 1897 tätige Stadtbaumeister Karl Hofmann (1856-1933), der sich neben einem umfassenden, 1889 vorgelegten Stadtbauplan und seinen Einzelobjekten auch große Verdienste bei der aufwendigen Restaurierung des Wormser Domes erwarb. Schon an den Einwohnerzahlen läßt sich eine rasante Aufwärtsentwicklung ablesen: 1871 besaß die Stadt ca. 14.500 Einwohner, im Jahre 1900 wurde bereits die 40.000 Einwohner-Marke überschritten. Am Vorabend des Ersten Weltkriegs lebten in Worms 50.000 Einwohner, 1925 waren es 47.000; bis 1939 war die Zahl auf gut 49.000 angewachsen. Ausdehnungsmöglichkeiten für Wohngebiete und Gewerbe schufen die freiwilligen Eingemeindungen des Jahres 1898 (1.4.1898 Neuhausen; 1.10.1898 Pfiffligheim und Hochheim), durch die die Einwohnerzahl und die Gemarkungsfläche der Stadt stark ausgeweitet wurde.
Politische Zustände zu Beginn des 20. Jahrhunderts
Politisch wurde die Stadt in der Zeit von ca. 1870 bis nach dem Ersten Weltkrieg von den Nationalliberalen unter Führung der Lederindustriellenfamilie von Heyl dominiert, wobei deren politische Ausrichtung seit ca. 1890 zunehmend nach rechts ging ('Wormser Ecke'). Hier ist insbesondere die Gestalt von Cornelius Wilhelm (von) Heyl (zu Herrnsheim) (1843-1923) zu nennen, der neben seiner Tätigkeit als Industrieller als langjähriger, einflußreicher Reichstagsabgeordneter, in der ersten Kammer des Hessischen Landtages und in zahlreichen Gesellschaften, Vereinen und Vereinigungen in herausragender Position tätig war. Dem im Jahre 1886 durch den Großherzog in den erblichen Adelsstand erhobenen, 1899 zum Wormser Ehrenbürger ernannten von Heyl verdankte die Stadt neben seinen sozialpolitischen und mäzenatischen Leistungen u.a. die Stiftung des 1910 fertiggestellten 'Cornelianum', eines an hervorragender Stelle errichteten Repräsentationsbaues mit Ausstellungsräumen und einem Festsaal. Das in seiner Architektur von der seit ca. 1880 allgemein starken Rückbesinnung auf die Stadtgeschichte und die Heldensage geprägte Gebäude wurde nach 1945 nicht wiederaufgebaut. In den Jahren um 1880 nahmen die Kulturpflege und dabei vor allem die Beschäftigung mit der Stadtgeschichte einen starken Aufschwung (1879 Altertumsverein, Gründung von Paulusmuseum und Paulusbibliothek etc.). Zugleich wurde das bereits früh begründete firmeneigene Sozialwesen der Fa. Cornelius Heyl immer weiter ausgebaut (Siedlungs- bzw. Wohnungsbau, soziale Sicherung, Kindergärten, Fortbildungseinrichtungen etc.), was dazu führte, daß die von Heyl stets bekämpfte sozialdemokratische Partei in Worms relativ spät und schwächer Fuß zu fassen vermochte.
Die Zeit des Nationalsozialismus
Die bis in die NS-Zeit gültige Rechtsgrundlage der kommunalen Selbstverwaltung war die im Jahre 1913 in Kraft getretene, 1919 geänderte Städteordnung vom 8.7.1911 (Gesetz, die Städteordnung betreffend). Die Zeit nach 1918 brachte - auch infolge der bis Mitte 1930 andauernden französischen Besetzung des linken Rheinufers - schwere wirtschaftliche und politische Belastungen (Separatistenputsch 1923/24) mit sich. Politisch wurde Worms bis zum Ende des Ersten Weltkrieges von den Nationalliberalen (mit einer nach rechts gerichteten Tendenz) und damit vornehmlich dem Besitzbürgertum dominiert. Bei den nach der Änderung der Bestimmungen der Städteordnung (Gesetz vom 15.4.1919) durchgeführten Kommunalwahlen vom 9.11.1919 wurde die SPD mit gut 40% stärkste Partei in der42-köpfigen Stadtverordnetenversammlung. Der nationalliberale, nach 1918 der DVP angehörende Oberbürgermeister Heinrich Köhler, seit 1910 Oberbürgermeister auf Lebenszeit und seit 1911 auch Präsident der Zweiten Hessischen Kammer, blieb bis zu seinem Tode am 2.6.1924 im Amt. Auf ihn folgte bis 1933 der ebenfalls der DVP angehörige Wilhelm Rahn.
Nach 1930 kam es in Worms zu einer tiefgreifenden Veränderung der politischen Kräfteverhältnisse, in deren Gefolge die NSDAP, deren Gründung in Worms in das Jahr 1922 datiert, immer stärker an Boden gewann, wenngleich bis Anfang 1933 die durch die Kommunalwahl vom November 1929 bestimmte Stadtverordnetenversammlung in ihrer Funktion blieb. Bei der Reichstagswahl vom 5.3.1933 erlangte die NSDAP in Worms 40,9%, die SPD 22,7%, die KPD 15,6%, das Zentrum 10,7% und die DVP 4,3%, sonstige 5,8%. Bis zum August 1933 wurde die Stadtverordnetenversammlung in eines reines NSDAP-Gremiumum gewandelt. Kommissarischer Oberbürgermeister wurde am 16.8.1933 der Kreisleiter Otto Schwebel, der am 1.2.1934 zum neuen Kreisdirektor ernannt wurde. Ihm folgte (zunächst bis Anfang 1935 kommissarisch) aufgrund einer Intervention des Gauleiters und Reichsstatthalters Jakob Sprenger der aus Gießen stammende Werkzeugmeister Heinrich Bartholomäus (bis 1945). Unweit von Worms wurde bereits Anfang März 1933 von örtlichen SA- und SS-Kräften in Osthofen ein zunächst 'wildes' Konzentrationslager eingerichtet, das durch Erlaß des Staatskommissars für die politische Polizei, Werner Best, am 1.5.1933 als erstes offizielles KZ des Volksstaates bestätigt wurde; es bestand bis Juli 1934. Zu den schrecklichsten Folgen der NS-Zeit für Worms gehört die Auslöschung der 1933 ca. 1100 Personen umfassenden jüdischen Gemeinde und die Zerstörung ihrer ehrwürdigen, 1934 neunhundert Jahre bestehenden Alten Synagoge durch Brandstiftung im November 1938 mit anschließender Zerstörung ihrer stehengebliebenen Mauern. Die jüdische Bevölkerung hatte im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert hervorragenden Anteil an der Aufwärtsentwicklung der Stadt, was sich etwa in dem 1911 errichteten Bau einer neuen Trauerhalle auf dem israelitischen Teil des neuen städtischen Friedhofes, der Beteiligung am kulturellen und bürgerlichen Vereinsleben sowie der wirtschaftlichen Aktivität der jüdischen Familien in der Stadt ausdrückt, die nach 1933 ein apruptes Ende fand. Durch ein Gesetz vom 9.8.1938 wurde Worms, wie zum gleichen Zeitpunkt auch Darmstadt, Offenbach und Mainz, mit Wirkung vom 1.11.1938 als Stadtkreis verselbständigt und schied aus dem Kreisverband aus. Im Oktober 1937 war der neu konstituierte Erbhöfeweiler Rosengarten aus Teilen der Gemarkungen Bürstadt, Hofheim und Lampertheim gebildet und zur Stadt Worms geschlagen worden. Der 745 Hektar umfassende neue Stadtteil kam 1945 mit der Grenzziehung zwischen der französischen und amerikanischen Besatzungszone zum Land (Groß)-Hessen. Mit Wirkung vom 1. April 1942 wurden die bis dahin selbständigen Gemeinden Herrnsheim, Horchheim, Leiselheim und Weinsheim nach Worms eingemeindet. Damit lag die Einwohnerzahl der Stadt bei knapp 58.000 Personen, eine Zahl, die durch die schweren Kriegsfolgen vor allem in Gestalt der verheerenden Bombenangriffe vom 21.2. und 18.3.1945 erst im Jahre 1953 wieder erreicht wurde. Die vornehmlich im Innenstadtgebiet wirksamen Zerstörungen waren ein schwerer und irreparabler Eingriff in die Stadtgestalt.
Die Nachrkriegszeit
Am 20.3.1945 beendete der Einmarsch der amerikanischen Truppen die Gewaltherrschaft des Nationalsozialismus in Worms. Die Besatzungsmacht ernannte bereits am 23.3. den Lederindustriellen Ludwig Cornelius Freiherr von Heyl mit der Bezeichnung 'Stadtältester' zum Leiter der Stadtverwaltung. Er wurde jedoch bereits am 18./21.5. durch den 'amtierenden Bürgermeister' Dr. Erich Kilb (SPD) ersetzt, der nach einer schweren Erkrankung am 6.1.1946 starb. Inzwischen waren im April 1945 die städtischen Ämter neu besetzt worden, wobei es zu einer Reihe politisch bedingter Entlassungen gekommen war. Die Wiederaufnahme der städtischen Verwaltungstätigkeit wurde durch die Zerstörung des Rathauses an der Hagenstraße am 21.2.1945 stark beeinträchtigt. Am 10.7.1945 folgte der Übergang der Besatzungshoheit auf die französische Seite. Am 25.3.1946 wurde der am 12.3.1946 vom Oberregierungspräsidium Hessen-Pfalz in Neustadt ernannte parteilose Oberbürgermeister Prof. Dr. Christian Eckert in sein Amt eingeführt. Zweiter und dritter Bürgermeister wurden Heinrich Völker und Friedrich Schmitt. Worms hatte nach dem Ergebnis der Volkszählung vom 29.10.1946 47.000 Einwohner.
Das im September 1945 auf Anordnung der Besatzungsmacht zusammengetretene Gemeinderatskomitee (konstituierende Sitzung am 30.11.1945), das, da Parteien noch nichtwieder zugelassen waren, mit Vertretern antifaschistischer Organisationen besetzt war, wählte im Januar 1946 zehn Ausschüsse. Das Komitee wurde nach den ersten Gemeinderatswahlen am 15.9.1946 durch den gewählten Stadtrat abgelöst, der den Oberbürgermeister Eckert bestätigte und insgesamt 14 Ausschüsse, Deputationen und Kommissionen (später Rats- undVerwaltungsausschüsse) wählte. Die nächsten Kommunalwahlen fanden dann 1948, 1952 und 1956 statt. Am 7.1.1949 wurde der Buchdrucker Heinrich Völker (SPD, 1900-1975), zeitweilig Häftling im KZ Osthofen und nach 1945 Abgeordneter und Vizepräsident des rheinland-pfälzischen Landtages, als Oberbürgermeister in sein Amt eingeführt, das er bis Ende 1967, als er wegen seiner Verdienste um den Wiederaufbau der Stadt zum Ehrenbürger ernannt wurde, ausübte. Worms war 1946/47 zum neu gebildeten Land Rheinland-Pfalz (Regierungsbezirk Rheinhessen, seit 1969 Rheinhessen-Pfalz) gekommen. Für die Kommunalverfassung maßgeblich war seither die rheinland-pfälzische Gemeindeordnung vom 27.9.1948, die sich an der rheinischen Bürgermeisterverfassung orientierte. Zeugnisse für den Neuaufbau der Stadtverwaltung sind der an die Vorkriegsberichte anknüpfende, 39019 Seiten starke Verwaltungsbericht der Stadt Worms für das Rechnungsjahr 1956 und der Neubau des Ende 1958 bezogenen neuen Rathauses am Marktplatz. Der aus heutiger Sicht teilweise problematische (und bislang nur unzureichend untersuchte) Wiederaufbau der Stadt nach 1945 erfolgte in einigen Punkten nach bereits 1941 vorgelegten Plänen des von den 30er Jahren bis 1956 tätigen Stadtbaurates Walter Köhler (1890-1977). Dabei nahm man mittels Straßendurchbrüchen und anderer Maßnahmen erhebliche Eingriffe in die historische Stadtstruktur vor. Einen vorläufigen Abschluß der Phase des Neu- bzw. Wiederaufbaues von Worms (1953 neue Straßenbrücke, 1958 Rathaus, 1959 Dreifaltigkeitskirche, 1959-1961 Wiederaufbau der Alten Synagoge) markiert der 1966 fertiggestellte Neubau des Spiel- und Festhauses, wobei auch danach noch etliche Kriegswirkungen nicht beseitigt waren. Insbesondere die Stadtsanierung der 70er Jahre im Bereich des früheren Judenviertels und der nordöstlichen Altstadt hat in starkem Maße zur Rettung und Neunutzung historischer Substanz beigetragen und das Gesicht der Stadt verbessert. Zu den größeren kommunalen Bauvorhaben der 70er Jahre gehören das Bildungszentrum und das neue Stadtkrankenhaus auf der Herrnsheimer Höhe. Seit 1949 bestand in Worms eine Pädagogische Akademie (1960 Pädagogische Hochschule), die spätere Erziehungswissenschaftliche Hochschule (EWH, 1969, seinerzeit 800 Studenten), in deren Räumlichkeiten seit der Konzentration dieser Hochschulen auf Landau und Koblenz 1977/78 die Fachhochschule (zunächst als Teil der Fachhochschule Ludwigshafen, inzwischen eigenständig) untergebracht ist. Wirtschaftlich hat die Stadt die Folgen des Niedergangs der Lederindustrie nur unter großen Mühen kompensieren können. Dominierende Wirtschaftszweige der heute vielfältig auf den Rhein-Neckar-Raum hin ausgerichteten Stadt sind die chemische und kunststoffverarbeitende Industrie, die Möbelherstellung und die Bereiche Metall, Maschinenbau und Elektrotechnik; Bedeutung besitzen nach wie vor auch Weinbau und -handel. Ausgehend vom reichen geschichtlichen Erbe der Stadt gelang der Stadt in den vergangenen Jahren eine stärkere Hinwendung zum Tourismus. Veränderungen im Gebietsstand der Stadt ergaben sich infolge der Verwaltungs- und Gebietsreform der späten 60er Jahre. Dadurch kam es neben der 1969 vollzogenen Zusammenlegung der Kreise Worms und Alzey zum Kreis Alzey-Worms mit Sitz der Kreisverwaltung in Alzey im selben Jahr zur Eingemeindung neuer Stadtteile. Am 7.6.1969 wurden die Gemeinden Abenheim, Heppenheim a. d. Wiese, Ibersheim, Pfeddersheim (seit 1954 wieder Stadt), Rheindürkheim und Wiesoppenheim in das Stadtgebiet von Worms eingegliedert (Fläche 1996: 10.873 ha). Die Stadt hatte Ende 1994 gut 82.000 Einwohner.