0.10. Sprachlaute und Tonakzente
0.1.10.2. Vokale
0.2.10.2.5. Senkung
Foß, Bodder, Leed, Kend
Zahlreiche Ausdrücke, die in der Standardsprache langes i oder u aufweisen wie z. B. Brief, Lied, Fuß und Stuhl, haben in manchen Dialekten stattdessen langes e bzw. langes o. Es heißt dementsprechend Breef, Leed, Foß und Stohl. Diesen Lautwandel nennt man Senkung, weil bei der Artikulation von e und o die Zunge bezogen auf ihre Position bei der Produktion von i bzw. u gesenkt werden muss. Die Senkung ist ein typisches Kennzeichen des Mittelfränkischen und seit dem 12. Jahrhundert nachweisbar. Im Hunsrück sind nicht alle Dialekte von dem Lautwandel betroffen, sondern vor allem diejenigen nordwestlich einer Linie etwa Wadern – Kastellaun – Koblenz, also die rein moselfränkischen (vgl. Karte 5). Es gibt aber Wechsel zwischen i und e einerseits sowie zwischen u und o andererseits von Fall zu Fall. Für manche Wörter wie z. B. Spiegel und Huf ist Senkung kaum belegbar. Es scheint, dass die ursprünglich wohl im gesamten Moselfränkischen gesenkten e und o durch i bzw. u von Süden her in die Eifel zurückgedrängt werden. Auf der Grundlage der aktuellen Sprachverhältnisse lässt sich nicht zuverlässig sagen, ob bestimmte konsonantische Umgebungen die Wiedereinführung von i und u begünstigen. Nur so viel steht fest: Vor r ist die Senkung besonders weit verbreitet, vgl. etwa verleere ‘verlieren’. Sprachhistorisch betrachtet, gehen die gesenkten Vokale auf mittelhochdeutsch ie, üe, uo zurück. Der Diphthong üe ist in den Dialekten durch Entrundung (vgl. Kap. 10.2.4.) mit ie zusammengefallen, so dass im Hunsrück beispielsweise für ‘Hüte’ Hiit (ohne Senkung) und Heet (mit Senkung) belegt sind.
Wenn die mittelhochdeutschen Kurzvokale i, ü, u im Dialekt gedehnt wurden, ist keine Senkung eingetreten, vgl. etwa Schliire ‘Schlitten’, Wies ‘Wiese’, Mihl ‘Mühle’ und Kuul/Kuuchel ‘Kugel’. Ausnahmen bilden häufig Fälle mit r als Folgekonsonant (das zu einem lautlich reduzierten a (= a) vokalisiert ist), vgl. z. B. Keeasch ‘Kirsche’, Beeascht ‘Bürste’ und Dooascht ‘Durst’.
Bei den erhaltenen Kürzen aus mittelhochdeutsch i, ü, u sind die Verhältnisse relativ unübersichtlich. Einiges scheint hier im Fluss zu sein. Es spricht vieles dafür, dass frühere Senkungen zu e bzw. o in den letzten Jahrzehnten vielfach wieder Rückgängig gemacht wurden. Der Prozess läuft anscheinend nicht regelhaft ab. Insbesondere die Dialekte im südwestlichen und nordöstlichen Teil des Gebietes (Hochwald bzw. nördlicher Rhein-/nordöstlicher Moselhunsrück) weisen Senkungen auf. Belege für Senkungsfälle sind: Kend ‘Kind’, Fesch ‘Fisch’, met ‘mit’, Schlessel ‘Schlüssel’, fenef ‘fünf’, Bodder ‘Butter’, Zogger ‘Zucker’, Hond ‘Hund’, Loft ‘Luft’. Keine Senkung hingegen haben beispielsweise: Strick, bis, Millich ‘Milch’, Stiggche ‘Stückchen’, Dibbe ‘Düppen’, Nuss, Fuchs und Lust. Die Karten 12 (Hund) und 22 (Kind) dokumentieren exemplarisch die areale Verteilung der Senkung.