Hunsrück

0.11. Formenlehre

0.1.11.2. Verb

0.2.11.2.6. Das Verb werden – Passiv und Kopula

Das Vorgangspassiv wird in einem großen Teil des Hunsrücks wie im Stan­darddeutschen mit einer Form von werden gebildet, z. B. Et Brot weead geback ʻDas Brot wird gebacken’. In unser Gebiet ragt allerdings ein von der Eifel kommendes, die Mosel zwischen Saarmündung und Cochem über­schreitendes Areal hinein, das ein anderes Hilfsverb für die Passivkonstruk­tion hat. Es ist dies geben, das in den Dialekten b-Ausfall aufweist und deshalb gen lautet. (Ausnahmen bilden die Koblenzer Gegend und der rheinfränkische Hunsrück mit geewe bzw. gewwe.) Der oben genannte Satz lautet dann im Dialekt z. B. Et Bröt git gebaach, was bei wörtlicher Über­tragung in die Standardsprache Das Brot gibt gebacken heißt. Nicht nur im Präsens, auch bei den anderen Zeitstufen wird konsequent geben gebraucht, also beispielsweise im Perfekt: Et Bröt is gebaach gen ʻDas Brot ist geba­cken worden’. Die Karte 46 dokumentiert die Verbreitung des sog. geben-Passivs in unserem Gebiet.

Es gibt einen weiteren Fall, bei dem geben statt werden vorkommt. In Sätzen wie Er wird Maurer oder Das kann teuer werden, in denen also wer­den mit einem Prädikatsnomen (Substantiv oder Adjektiv) verbunden ist, wird werden durch geben ersetzt. Die beiden Beispielsätze lauten auf Platt etwa: Ea git Maierer und Dat kann daier gen, wörtlich: Er gibt Maurer bzw. Das kann teuer geben. Auch die anderen Zeitstufen werden folgerichtig mit geben gebildet, z. B. das Perfekt: Dat is daier gen, wörtlich: Das ist teuer gegeben (ʻDas ist teuer geworden’). In der Funktion als Kopula (Verbin­dungsglied zwischen Subjekt und Prädikatsnomen) hat geben die gleiche Arealverteilung wie als Hilfsverb der Passivkonstruktion.


[vorheriges Kapitel] [nächstes Kapitel]