Frei-Laubersheim in Rheinhessen

Der Verkauf der Frei-Laubersheimer Hofgüter des Klosters Tholey

Das in einer päpstlichen Urkunde von 1248 zum ersten Mal erwähnte ehemalige Hofhaus des Klosters Tholey in Frei-Laubersheim.
Foto: Zeiler

1. Widersprüchliche Aussagen

Mit dem Niedergang des Klosters Tholey in der zweiten Hälfte des 18.Jh. und der Aufhebung der Abtei am 7. Juli 1794 [Anm. 1] stellt sich auch die Frage, was mit den Gütern des Klosters und dem Hofhaus in Frei-Laubersheim geschehen ist.

Die Aussagen dazu sind in der Literatur und den Dokumenten sehr unterschiedlich. So schreibt z.B. Ludwig Hellriegel in seinem Buch über diese Zeit: „ Am 23. Mai 1773 waren die Tholeyer Güter versteigert“.[Anm. 2] Er nennt für diese Aussage jedoch keine Quelle! Der ev. Pfarrer Linß schreibt in der von ihm 1856 angelegten Chronik der ev. Gemeinde Frei-Laubersheim: „Die [Orts]Gemeinde hat durch Vernichtung aller Zehnten und Zinsen sowie durch den Verkauf aller Klostergüter, welche sie nach und nach erwarb, pekuniär wesentlich gewonnen“.[Anm. 3] Gegen diese Behauptung wehrte sich die Ortsgemeindeverwaltung vehement im Jahre 1954 in einem Rechtsstreit mit der ev. Kirchenleitung. Die Gemeinde hätte „weder Klostergüter noch Kirchenvermögen in der Zeit nach 1797 erworben."[Anm. 4]Im Ort selbst ist mündlich überliefert, dass das Bankhaus Sahler in Kreuznach am Kauf der Klostergüter beteiligt gewesen sein soll.

Vor allem anhand bisher nicht bekannter Dokumente aus dem Nachlass der Familie Sahler sowie aus dem Ortsarchiv Frei-Laubersheim kann das tatsächliche Ende dieser Beziehung zwischen Frei-Laubersheim und der Abtei Tholey nun relativ gut nachgezeichnet werden.

 

2. Die Entwicklung des Klosters Tholey in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts

2.1. Salabert wird „Kommendatarabt“

Im Jahre 1766 war Lothringen, wozu Tholey gehörte, wieder an Frankreich gefallen. Zwei Jahre später starb der regulär von der Tholeyer Klostergemeinschaft (Convent) gewählte Abt Maximin Motté. Diese Situation nutzte der französische König Ludwig der XV, um auf Fürsprache Herzog Christians IV von Zweibrücken, mit dem er seit seiner Jugend freundschaftlich verbunden war[Anm. 5], Salabert zum Kommendatarabt zu ernennen.[Anm. 6] Kommendatarabt von Tholey zu sein bedeutete, dass Salabert „Pfründeneinehmer“ wurde, und zwar ohne Aufgaben zu übernehmen! Bezüglich der Einnahmen des Klosters Tholey ordnete der französische König an, dass die Einkünfte in 3 Teile zu teilen seien, wovon Salabert 2 Teile und dem Kloster Konvent selbst nur noch ein Teil zufallen sollte. Was dies für Frei-Laubersheim bedeutete, enthält ein Schreiben des Notar Dahn an das Oberamt in Kreuznach. Dahn vertrat die Rechte Salaberts in Frei-Laubersheim.[Anm. 7] Dahn schreibt, dass das Oberamt aus seinem Bericht ersieht, dass er „"die 2/3 Zehnten für Herrn de Salabert beziehen, 1/3 zur Zahlung der Besoldungen frey gebe und so etwas übrig bleibt, den Herrn Geistlichen [ gemeint waren der kath. und der reformierte Pfarrer] … belassen, die Hoff früchten in so weith sie zur Pacht gehören einnehmen, die Zinsen beziehen etc." " befugt sei. Salabert konnte also 2/3 (!) der bisherigen Einnahmen des Klosters für seinen privaten Lebenswandel verwenden. Mit dem Verlust von 2/3 der bisherigen klösterlichen Einnahmen beschleunigte sich der bereits begonnene Niedergang der Abtei. Und dieser Niedergang war nicht nur wirtschaftlicher Art, sondern war auch begleitet von einem sittlichen Verfall, was bei einem „Vorbild“, wie es der Kommendatarabt Pierre de Salabert war, nicht verwundert!

[Bild: W. Zeiler]

2.2. Pierre de Salabert - der Sultan von Blieskastel

Pierre de Salabert wurde in Südfrankreich um 1735 als Sohn eines Metzgers[Anm. 8] geboren. Nach Abschluss seiner Ausbildung wurde er zunächst Vikar in Paris. Der Pfarrer der dortigen Pfarrei empfahl dem Herzog Christian IV. von Zweibrücken, Salabert als Erzieher seiner beiden Söhne zu berufen[Anm. 9]. Damit begann sein ungewöhnlicher sozialer Aufstieg, der bis zur Erhebung in den Adelsstand führte.

Salabert war eine äußerst schillernde Persönlichkeit. Er besaß zwar den Titel eines Geistlichen, war aber auch dem „frivolen höfischen Treiben durchaus zugewandt“[Anm. 10]. Er sei „französisch gebildet, gewandt und listig“ gewesen und habe sich, als er in Blieskastel (heute Saarland) lebte „wie hier zu Lande üblich, einen Harem gehalten, weshalb er auch hämisch „Sultan von Blieskastel“ genannt wurde“[Anm. 11]. „Seine geistliche Würde hinderte ihn nicht daran auf der Zweibrücker Gesellschaftsbühne Theater zu spielen und sich von der illustren Gesellschaft feiern zu lassen.“[Anm. 12] Für seinen luxuriösen Lebenswandel brauchte er Geld, viel Geld. Die Streitigkeiten Salabert´s mit dem Pfarrer bzw. Probst Martin Sieher von Frei-Laubersheim um die Tholeyer Güter wurden vor allem dadurch verursacht. Martin Sieher fasste dies in dem Satz zusammen:“ Inter nos [unter uns] der Bursche Salabert braucht dringend Geld“[Anm. 13].

 

2.3. Salabert und seine Frei-Laubersheimer Einnahmequellen

Nach der Ernennung Salaberts zum Kommendatarabt hatte der Konvent von Tholey Klage vor dem königlichen Parlament in Nancy eingereicht, um eine Rücknahme der Ernennung Salaberts zu bewirken, da diese Ernennung „gegen bestandenes Herkommen“ gewesen sei[Anm. 14]. Das Parlament von Nancy entschied jedoch zugunsten von Salabert und entzog den Mönchen des Klosters für die Zukunft das Recht auf eine Abtwahl. Trotz dieser rechtsverbindlichen Entscheidung machte man offenbar dem von Salabert angestellten Einnehmer in Frei-Laubersheim bei der Ausführung seiner Tätigkeit weiterhin Schwierigkeiten. In einem Schreiben vom 5. August 1771 erteilte die kurfürstliche Regierung in Mannheim dem Oberamt in Kreuznach die Anweisung , „den von dem Abten zu Tholey Salabert angestellten Verwalter bestmöglich zu handen zu gehen und ihme den landesfürstlichen Schutz angedeyen zu lassen“[Anm. 15] . Der Kurfürst anerkannte demnach die neue Rechtslage bezüglich der Tholeyer Einnahmen und forderte das Oberamt in Kreuznach auf, sich entsprechend zu verhalten.

Salaberts Ziel war es, die ihm zur Nutzung überlassenen Einnahmequellen maximal auszuschöpfen. Dazu wurde der Notar Dahn gebeten, einen unparteiischen, glaubhaften Mann“[Anm. 16],der die Abgaben zu notieren und die Einlagerung in den Scheunen zu überwachen hatte, anzustellen. Dieser Angestellte sollte weiterhin darauf achten, dass der Hofmann des Hofgutes, „dem Geistlichen von Laubersheim keinerlei Früchte und Naturalien“ übergab, da der Hof nicht von der Pfarrei, sondern von der Abtei abhinge[Anm. 17]. Sollte irgendeine Unterschlagung zu befürchten sein, war Dahn angewiesen, unverzüglich alles zu beschlagnahmen, was der Hofmann „in Händen hat“.

Neben der exakten Überwachung der Abgaben hatte Salabert die alten Pachtverträge gekündigt und die Güter an neue Pächter versteigert - nicht verkauft! Auch dem Hofmann Johannes Dopp war gekündigt worden, dieser war aber nicht bereit einem neuen Pächter zu weichen und führte Klage bei Gericht gegen die Aufhebung seines Pachtvertrages. In einem Schreiben an das Oberamt in Kreuznach vom 20. Mai 1774 wird festgestellt, dass die neuen Pächter (!) der Hoffelder die Pacht nicht antreten wollten, so lange Johannes Dobb noch Hofmann und seine Klage nicht entschieden sei.

1773 und 1774 waren also neue Pachtverträge geschlossen worden, wahrscheinlich im Wege der „Versteigerung“, also derjenige, der am meisten bot, erhielt einen Pachtvertrag. Ein Verkauf aller tholeyischen Güter im Jahre 1773, wie dies Hellriegels Aussage vermuten lässt, kann nach den vorliegenden Dokumenten daher nicht stattgefunden haben. Der Historiker Johannes Nauman bestätigt dies, indem er schreibt:“ Salabert durfte nur die Nutzung auf Zeit an Gütern versteigern, nicht die Güter selbst. Dies war ihm wegen des Kirchenrechts verboten.“[Anm. 18] Diese Aussage findet auch ihre Bestätigung in den Frei-Laubersheimer Grundsteuerbüchern.

Grundsteuerbuch, linke Buchseite
Grundsteuerbuch, rechte Buchseite
Grundsteuerbuch, linke Buchseite
Grundsteuerbuch, rechte Buchseite

3. Die Grundsteuerbücher von 1802/03

Im Ortsarchiv von Frei-Laubersheim befinden sich 4 Grundsteuerbücher, die zwischen 1802/03 angelegt wurden, zu einer Zeit also, in der Frei-Laubersheim ein französisches Dorf war. Die gesamte Gemeindefläche wurde dazu in 4 Sektionen eingeteilt und die einzelnen Grundstücke und Gebäude nach diesen Sektionen getrennt erfasst. Eine Zuordnung nach „Fluren“, wie dies noch in den früheren Frei-Laubersheimer Morgenbüchern üblich war, sahen die vorstrukturierten Seiten der Bücher nicht vor, erfolgte aber zusätzlich vom Gemeindeschreiber am Rand - wahrscheinlich zur besseren Orientierung.

Die 4 Bücher enthalten insgesamt mehrere Tausend einzelne Einträge. An zwei Ausschnitten aus dem Grundsteuerbuch der Sektion A sollen diese Eintragungen verdeutlicht werden:

Die Eintragungen für ein Gut beginnen immer auf der linken Seite mit den Spalten: Veränderungen, Nummer des Gutes und Eigentümer. Auf der gegenüberliegenden rechten Seite folgen die Spalten: Beschaffenheit des Gutes, Größe in Ruthen und Schätzung in Francs und Centimes.

Anhand der 4 Abbildungen soll dies veranschaulicht werden. (Zum Vergrößern der Abbildungen bitte auf die jeweilige Abbildung klicken!)

Bei Gut Nr. 2 (erste und zweite Abbildung) handelt es sich um das reformierte Pfarrhaus, deren Eigentümer die reformierte Gemeinde war; das Gebäude war zweistöckig mit Hofreithe und Garten, wobei das Haus eine Größe von 3,5 Ruthen, der übrige Teil 78 Ruthen, gemeint sind Quadratruthen, umfasste. Anschließend erfolgte die Steuerschätzung. Veränderungen in den Eigentumsverhältnissen gab es bei diesem Gut bis zum Abschluss der Bücher gegen Ende der 30iger Jahre des 19.Jh.´s keine

Bei Nr. 60 ½ (dritte und vierte Abbildung) handelte es sich um die Zehntscheune. Eigentümer war die „Republik Tholey“. Hier gab es Veränderungen bei den Eigentümern. 1820 erwarb Philipp Breitenbach die Scheuer, 1830 wurde Valtin Breidenbach Eigentümer.

Bei 78 Parzellen und Gebäuden wurde als Eigentümer „Republik Tholey“ oder vor allem „Tholeyisches Nationalgut“ dokumentiert[Anm. 19]. Aus einer Bestandsaufnahme der Hofgüter aus dem Jahre 1626 ist bekannt, welche Gesamtgröße die Tholeyer Hofgüter in Frei-Laubersheim in diesem Jahre hatten. Eine Summierung aller Flächen, die im Grundsteuerbuch mit Tholeyer Nationalgut bzw. Republik Tholey bezeichnet sind, ergab nun, dass der Bestand fast exakt dem Bestand von 1626 entsprach.

Jahr / Gesamtfläche der Hofgüter / Zahl der einzelnen Parzellen

1626 / ca. 110 Morgen / ca. 75

1800 / ca. 108 Morgen / ca. 78

Zwischen beiden Erhebungen liegen fast 200 (!) Jahre. Unter Einbeziehung von Mess- und Umrechnungsungenauigkeiten kann man mit großer Sicherheit annehmen, dass bei Anlage der Grundsteuerbücher noch keine Hofgüter verkauft waren.

4. Die Privatisierung der Tholeyer Güter durch Versteigerung

4.1 Das Tholeyer Gut - eine Krondomäne

 Wie aus den Frei-Laubersheimer Grundbüchern zu erkennen ist, wurden die Tholeyer Güter durch die Säkularisierung französisches Staatseigentum ( Nationalgüter) und mit dem Aufhebungsbeschluss der Konsuln vom 9. Juni 1802 wurde dies auch besiegelt.[Anm. 20] Die ebenfalls ehem. Tholeyischen Pfarr- und Schulgüter in Frei-Laubersheim waren zwar zunächst ebenfalls enteignet worden, wurden aber an die Pfarreien zurückgegeben, da sie ihre Aufgaben ohne diese wirtschaftliche Basis nicht erfüllen konnten.

Der Großteil der 25.000 säkularisierten bzw. mediatisierten Güter war dem französischen Finanzministerium unterstellt. Die Tholeyer Güter gehörten jedoch zu einer zahlenmäßig kleineren Gruppe von Nationalgütern, die als „Kron-Domänen“[Anm. 21] bezeichnet wurden und „der unmittelbaren Verfügung des Kaisers unterstellt waren".[Anm. 22] Die Erträge aus der Bewirtschaftung dieser Güter flossen Napoleon direkt zu. Ziel der französischen Regierung war jedoch nicht, Pachteinkommen zu erwirtschaften, sondern die Nationalgüter zu privatisieren. Mit dem Konsularbeschluss vom 25. November 1802 wurde dafür die gesetzliche Grundlage geschaffen. Denn Napoleon brauchte für die Unterhaltung seiner „Grande armée“ und für die Durchführung seiner Expansionspolitk enorme Summen an Geld. Dazu versteigerte der französische Staat die enteigneten Güter der 4 neuen linksrheinischen Departements zwischen 1803 und 1813 – und auch das Tholeyer Hofgut musste dazu seinen Beitrag leisten!

 

4.2. Die Vorbereitung der Versteigerung

4.2.1. Der Schätzpreis der Güter

Für die Versteigerung wurde von der französischen Verwaltung ein Mindestgebot ermittelt. Dazu wurden Gutachter eingesetzt, die sich bei ihrer Schätzung am Verwaltungsbeschluss vom 5. Mai 1802 bzw. vom 25. Februar 1804 zu orientieren hatten. Nach diesem Ertragswertverfahren waren die Grundstücke mit dem zwanzigfachen der Summe aus dem Ertrag des Jahres 1790 zuzüglich der Zehntabgaben anzusetzen. Bei Wohn- und landwirtschaftlich genutzten Gebäuden galt der zwölffache Betrag der Einnahmen aus dem Bezugsjahr 1790 zuzüglich der Zehntabgabe als Schätzwert. Bei fehlenden Unterlagen aus dem Jahr 1790 konnte auch der aktuelle Pachtvertrag die Grundlage für die Schätzung bilden.[Anm. 23] Die Gutachter kamen bei ihrer Schätzung für die Tholeyer Güter auf einen Betrag von 3.000 Francs. An Pacht wurde nach Angaben der französischen Verwaltung ein Betrag von jährlich 92 Francs gezahlt. Dieser Betrag kann allerdings nicht die Grundlage für die Schätzung gewesen sein, denn unabhängig davon, wie man nun die Aufteilung des Pachtbetrages zwischen Hofhaus und landwirtschaftlicher Fläche vornimmt, ist der Schätzbetrag von 3.000 Francs so nicht erreichbar. Man muss also annehmen, dass die Gutachter den Pachtbetrag aus dem Bezugsjahr 1790 bei ihrer Berechnung verwendeten . Der Pachtbetrag von 1790 müsste dann jedoch um mehr als 2/3 über dem Betrag von 1811 gelegen haben! Schieder weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Gutachter keine eigenen Abmessungen der Güter vornahmen, sondern dass sie dabei auf alte Unterlagen oder die Mithilfe der Betroffenen (!) angewiesen waren. Auch die Umrechnung von Morgen in Hektar stellt für Schieder eine weitere Fehlerquelle dar.[Anm. 24] Es ist daher nicht verwunderlich, dass die französische Verwaltung weder für die ermittelte Größe noch für den Ertrag der Güter garantierte.

Mit einem zweisprachigen Plakat ("affiche") wurde die Versteigerung der ehemaligen Klostergüter bekannt gemacht.
Kopiervorlage: Landesarchiv Speyer

4.2.2. Die Bekanntmachung der Versteigerung

Zur Ankündigung der Versteigerungen verteilte die Verwaltung gedruckte Plakate , die sogenannten „affiches“, die in französischer und deutscher Sprache abgefasst waren. Die Bekanntgabe der Versteigerung des Tholyer Gutes erfolgte am 10.Januar 1811[Anm. 25]. Außer dem Frei-Laubersheimer Hofgut sollten an diesem Tag 11 weitere Güter versteigert werden. Z.B. das Gut des Kurfürsten von der Pfalz in Sponsheim und der Hegenheimer Hof des Fürsten von Salm in Eckelsheim. Als Bieter waren nur solche Personen zugelassen, die einen Wohnsitz nachweisen konnten und Grundsteuern zahlten. Personen, „die offenbar in einem Zustande von Trunkenheit sind, werden von der Versteigerung ausgeschlossen“, hieß es im „affiche“. Das Tholeyer Gut wurde von der französischen Verwaltung nur als Ganzes angeboten. Die bisherigen Pächter kleiner Parzellen, die gehofft hatten, diese Parzellen als Eigentum erwerben zu können, hatten dazu keine Möglichkeit. Dazu bedurfte es kapitalkräftiger Bieter. Als Termin für die Versteigerung wurde der 5. Februar 1811 festgelegt. Um 10 Uhr sollte an diesem Tag im „Hotel der Präfektur“ in Mainz in Gegenwart des Präfekten zur „endlichen Versteigerung […] geschritten werden“[Anm. 26]

 

4.2.3. Der Ablauf der Versteigerung

Nach dem Aufruf des Versteigerungsobjektes „Ehemaliges Tholeyisches Hofgut“ wurde vom Versteigerer die erste Kerze entzündet. Bis zum Erlöschen der Kerze konnten Gebote abgegeben werden. Danach wurde die zweite Kerze entzündet und es konnten wieder Gebote bis zum Erlöschen abgegeben werden. Der Zuschlag erfolgte nicht eher, „als bis ein letzteres Licht angezündet worden, und erloschen ist, ohne daß während dessen ein Gebot gethan worden, jedoch dürfen in keinem Fall weniger als drei Lichter angezündet werden, wenn gleich das zweite erloschen wäre, ohne daß dabei ein Gebot gethan worden“. Wie viele Kerzen bei der Versteigerung des Hofgutes entzündet werden mussten, ist nicht bekannt. Das Protokoll der Versteigerung weist nur darauf hin, dass „plus de trois feux“, also mehr als 3 Kerzen entzündet und in dieser Zeit mehrere Gebote abgegeben worden waren. Den Zuschlag erhielt „frédéric freyburger demeurant à Spire“ - Friedrich Freyburger, wohnhaft in Speyer. Er hatte 40.700 francs geboten, eine im Vergleich zum Schätzwert von 3.000 francs unglaublich hohe Summe. Für das Departement Rhein-Mosel konnte Schieder ermitteln, dass die Kaufpreise dort im Durchschnitt 57% über den Schätzwerten lagen. Man wird sicherlich die Verhältnisse in den Departements nicht gleichsetzen können, aber eine Abweichung von weit über 1000% (!) ist unerklärlich. Es kann sich auch nicht um einen Schreibfehler handeln, denn die Quittungen über die geleisteten Zahlungen sind vorhanden. Entweder war der Schätzwert viel zu niedrig angesetzt und die Bieter wussten dies oder die Bieter hatten, wobei die Gründe allerdings nicht bestimmbar sind, ein sehr großes Interesse daran gehabt, gerade dieses Gut zu ersteigern. Vielleicht trifft in diesem Fall beides zu.

Gemäß den Versteigerungsbedingungen konnte die Zahlung des Kaufpreises in 5 Teilbeträgen erfolgen, wobei die erste Zahlung zinslos in den ersten drei Monaten nach der Steigerung geleistet werden musste. Die verbleibenden Zahlungen mussten jährlich mit jeweils 5% auf den Restwert verzinst werden.

 

Das ehemalige Bankhaus Sahler in der Hochstraße 25 in Kreuznach. Fundstelle: Adressbuch von Stadt und Kreis Bad Kreuznach 1910

4.2.4. Die Mitwirkung des Bankhauses Sahler in Kreuznach

Freyburger wird in den Dokumenten als „aubergiste“( Gastwirt bzw. Hotelier) bezeichnet. In einer Auflistung der 13 häufigsten Berufe der Steigerer für das Departement Rhein-Mosel stehen die „aubergisten“ an 6. Stelle.[Anm. 27] Es ist also keineswegs ungewöhnlich, dass ein „aubergiste“ an dieser Versteigerung teilnahm. Überraschend ist jedoch, dass Freyburger bereits innerhalb der Dreimonatsfrist, in der die erste Rate zu zahlen war, mit Christoph Sahler vom Kreuznacher Bankhaus Sahler einen notariellen Vertrag schloss, in dem er Sahler eine umfangreiche Vollmacht übertrug. Sahler konnte danach im Namen Freyburgers das erworbene tholeyische Gut zu Preisen und Konditionen verkaufen, wie er es für angemessen erachtete ( qu ´il jugera convenable).[Anm. 28]

Ob sich Sahler und Freyburger schon vor der Versteigerung kannten oder ob Sahler sogar selbst an der Versteigerung des tholeyischen Hofgutes aktiv teilgenommen hatte, ist nicht bekannt. Sahler hatte bereits vorher im Departement Rhein-Mosel 10 Objekte im Wert von 156.392 Francs erworben und gehörte damit zu den „Großkäufern mit Kapitaleinsatz von über 100.000 Francs“. [Anm. 29]Christoph Sahler hatte auch am 1. März 1811 das in Volxheim gelegene Ruppertsberger Gut des Convents Eibingen, das flächenmäßig noch größer war als das Tholeyer Gut, für 23.500 Francs ersteigert. Den Zuschlag für dieses Gut hatte zwar zunächst der aus Kreuznach stammende Jude Isaak Heymann erhalten. Es wurde auch der Kaufvertrag auf dessen Namen ausgestellt. Dieser Vertrag wurde jedoch nachträglich annulliert und Christoph Sahler als Käufer eingesetzt. Die Gründe hierfür sind nicht bekannt.

Johann Christoph Sahler hatte im Jahre 1805 in dem schon früher von ihm erbauten Haus Hochstraße 25 seinen Handelsbetrieb unter dem Namen „Sahler und Co.“ eröffnet. Aus dem Handelsbetrieb für Landesprodukte und Wein entwickelte sich allmählich das Bankhaus Sahler.[Anm. 30]Familiäre Bindungen bestanden z.B. zu den Familien Puricelli, Karcher und Beinbrech.

 

4.2.5. Die Zahlung des Kaufbetrages für das Tholeyer Gut

Gemäß dem notariellen Vertrag zwischen Friedrich Freyburger und Christoph Sahler konnte Sahler über die Güter frei verfügen. Sahler zahlte die erste der fünf Raten in Höhe von 8.140,28 Francs (einschl. Quittungsmarke von 28 Centimes) an den „receveur des domaine“ (Domäneneinnehmer) in Bingen am 4. Mai 1811 selbst, und zwar genau einen Tag vor Ablauf der 3-Monats-Frist für das erste Ziel. Auch die zweite Rate in Höhe von 9.788,28 Francs (einschl. Zinsen) zahlte Sahler am 4. Mai 1812 selbst ein. Die dritte Rate bezahlte ein Herr Nicolas Turkheim „im Auftrag und für Rechnung“ Sahlers rechtzeitig am 1. Mai 1813. Die vierte Zahlung Sahlers erfolgte mit erheblicher Verspätung erst am 19. August 1814. Wegen dieser verspäteten Zahlung hatte Sahler zusätzlich Verzugszinsen in Höhe von 5% auf den ausstehenden Betrag zu leisten. Man muss annehmen, dass diese verspätete Zahlung kein Versehen Sahlers war, denn er hielt auch die Zahlung für das in Volxheim gelegene Ruppertsberger Gut zurück und zahlte ebenfalls erst im August, nachdem er durch Mahnung dazu aufgefordert worden war. Vielleicht wollte Sahler die weitere politische Entwicklung abwarten und keine Zahlungen an den „falschen“ Adressaten leisten. Die letzte Rate zahlte Johann Michael Brandt vorzeitig bereits im April 1815 im Namen Sahlers und zwar nicht in bar, sondern, wie bereits im Vorjahr, „an Zahlungs statt“ mit einem Ablieferungsschein für Fourage-Lieferungen.[Anm. 31] Johann Michael Brandt war der Schwager Johann Christoph Sahler`s. Brandt hatte dessen Schwester Anna Helene Jakobine 1803 in Kreuznach geheiratet. Brandt arbeitete als Handelsherr in der Firma Sahler und Co.. Vermutlich war er Teilhaber dieser Firma.

4.3. Die Kapitalaufbringung zum Kauf der Güter

Christoph Sahler hatte, wie bereits erwähnt, schon früher Nationalgüter für 156.392 Francs im Departement Rhein-Mosel ersteigert. Zusammen mit dem Ruppertsberger Hof in Volxheim und dem Tholeyer Gut in Frei-Laubersheim, für das er auch die Zahlungen leistete, ergibt sich ein Schuldbetrag von über 220.000 Francs. Da die Kaufverträge der Nationalgüter des Arrondissments Mainz im Donnersberg-Departement bei einem Brand des Hessischen Staatsarchivs während des Zweiten Weltkrieges vernichtet wurden, können weitere Erwerbungen durch Sahler in unserer Region nicht mehr nachgewiesen werden, sind aber durchaus vorstellbar. Es ist nicht anzunehmen, dass Sahler die notwendigen Kapitalbeträge für die erworbenen Güter allein aufbrachte. Einen Hinweis gibt Armknecht, der über Christoph Sahler schreibt:„ In Gemeinschaft mit seinem Schwiegervater Wiederhold und den Besitzern der Rheinböllerhütte Utsch bzw. Puricelli, sowie dem Herrn von Recum erwarb er zur Zeit der Säkularisierung des kirchlichen Besitzes durch die Franzosen ausgedehnte Güter und Waldungen“.[Anm. 32] Sicher ist, dass auch sein Schwager J.M. Brandt an der Kapitalaufbringung zumindest für das Tholeyer Gut beteiligt war, da später Güter auf seinen Namen im Grundsteuerbuch von Frei-Laubersheim eingetragen wurden. Es bleibt festzuhalten, dass Frei-Laubersheimer Bürger bei der Versteigerung der Tholeyer Güter nicht zum Zuge kamen. Nach außen trat das Bankhaus Sahler als Käufer in Erscheinung. Tatsächlich aber standen hinter Sahler wohlhabende Bürger als Kapitalgeber, die sich durch spätere Parzellierung der großen Güter hohe Gewinne erhofften.

 

4.4. Der Weiterverkauf des ehem. Tholeyer Gutes

Der Verkauf der Tholeyischen Güter durch das Bankhaus Sahler begann laut den Eintragungen in den Grundsteuerbüchern im Jahr 1820. Eine Parzellierung der Hofgüter war nicht erforderlich, da das Gut schon vor der Säkularisierung in 78 Parzellen aufgeteilt war, die von verschiedenen Pächtern bewirtschaftet wurden. Von den 78 Parzellen verkaufte das Bankhaus 37 Parzellen an – wahrscheinlich – Frei-Laubersheimer Bürger. Einige der Käufer erwarben mehrere Parzellen. Ob die Käufer auch die bisherigen Pächter waren, ist anhand der Grundsteuerbücher nicht feststellbar.

Am 4. Juli 1827 wurde das am Röhrenbrunnen gelegene zweistöckige Hofhaus mit Hofreithe und Garten „im Namen Freyburgers“ durch Sahler an Wilhelm Waller versteigert und diese Eigentumsänderung 1829 im Grundsteuerbuch erfasst.

1830 wurden die restlichen 40 Parzellen zwischen Johann Michael Brandt&Co und Friedrich Alexander Sahler, dem jüngsten Sohn Johann Christoph Sahler`s, aufgeteilt. Jeder erhielt exakt die Hälfte der Restfläche von 7.453 Ruthen als Eigentum. Die Gesellschaft Brandt&Co verkaufte alle ihre Parzellen 1832 an Frei-Laubersheimer Bürger weiter. Sahler dagegen verkaufte in den Folgejahren nur einige Parzellen, den Großteil behielt er noch über längere Zeit als Eigentum. Die Rolle des eigentlichen Steigerers, Friedrich Freyburger, bleibt unklar. Ob er nur durch Provisionen am Weiterverkauf verdiente oder auch selbst zu den nicht genannten Kapitalgebern gehörte, ist nicht bekannt. Wie hoch die Gewinne der beteiligten Kapitalgeber aus dem Verkauf der Güter waren, ist wegen fehlender Kaufverträge ebenfalls leider nicht mehr nachweisbar.

Fest steht jedoch, dass die Behauptung des Pfarrers Linß, die Ortsgemeinde Frei-Laubersheim habe am Verkauf „pekuniär“ gewonnen, nicht zu trifft. Die Gewinner waren, sofern Gewinne angefallen waren, kapitalkräftige Bürger aus Kreuznach und seiner Umgebung.

 

Dipl.-Hdl. Wolfgang Zeiler

2015

Anmerkungen:

  1. http://www.abtei-tholey.de/geschichte_wiederbesiedlung.htmleingesehen am 29.10.2013  Zurück
  2. Hellriegel,Ludwig: Benediktiner als Seelsorger im linksrheinischen Gebiet des ehemaligen Erzbistums Mainz; Münster Westfalen 1980, S.144; der von Hellriegel hier ohne weitere Erläuterung verwendete Begriff "versteigert" wird vom Leser wohl als "verkauft" interpretiert werden. Zurück
  3. Zitiert nach dem Schreiben des Pfarrers Rohrbach vom 18.7.1954 an die Ortsgemeinde Frei-Laubersheim Seite 4; Ortsarchiv Frei-Laubersheim; Kirchenangelegenheiten  Zurück
  4. Ortsarchiv Frei-Laubersheim; Kirchenangelegenheiten, Stellungnahme der Gemeinde zu Frei-Laubersheim. Betr. Baulast an Kirche und ev. Pfarrhaus zu Frei-Laubersheim. Bezug: Schreiben der Kirchenleitung der Evang. Kirche in Hessen u. Nassau datiert, den 7.Sept. 1954 an das Landratsamt Alzey. Zurück
  5. http://www.saarland-lese.de/index.php?article_id=409 eingesehen am 23.10.2013 Zurück
  6. Stadtarchiv Bad Kreuznach 763 Nr. 14: Die Beziehung zwischen dem Herzog von Zweibrücken und dem französischen König ging offenbar über eine freundschaftliche Beziehung hinaus, denn Ludwig der XV bezeichnet in einem Schreiben, das sich im Stadtarchiv Bad Kreuznach befindet, den „duc des deux ponts“, also den Herzog von Zweibrücken als „notre très cher et aimé cousin“ (unseren sehr teuren und geliebten Cousin“).  Zurück
  7. Stadtarchiv Bad Kreuznach a.a.O Zurück
  8. Lager, Dr., Domkapitular: Die ehemalige Benediktiner-Abtei Tholey; in: Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens und seiner Zweige, 1900 XXI 2-3; S. 268 Zurück
  9. ebd. S. 268 Zurück
  10. http://www.saarland-lese.de/index.php?article_id=409 eingesehen am 23.10.2013 Zurück
  11. ebd. Zurück
  12. ebd. Zurück
  13. Hellriegel, Ludwig, a.a.O. S. 143 Zurück
  14. Stadtarchiv Bad Kreuznach a.a.O Zurück
  15. Stadtarchiv Bad Kreuznach a.a.O Zurück
  16. Stadtarchiv Bad Kreuznach a.a.O Zurück
  17. Stadtarchiv Bad Kreuznach a.a.O Zurück
  18. e-mail des Historikers Johannes Naumann vom 08.10.2013 an den Verfasser Zurück
  19. Anmerkung von Johannes Naumann, Tholey, durch e-mail vom 24.12.2013: Die Tholeyer Republik muss gelesen werden „Tholey, Republik“. Es gab keine Republik Tholey, aber das Nationalgut gehörte der Republik Frankreich, also dem Fiskus. Nach dem Fall Napoleons also dem neuen Souverän / Landesherrn. Der Verbleib der alten Titulatur mag damit zusammenhängen, dass Tholey dem Departement Moselle zugeordnet wurde und nach 1815 zu Preußen kam. Zurück
  20. Schieder, Wolfgang und Alfred Kube: Säkularisierung und Mediatisierung, Band IV, Boppard 1987, S. 15 Zurück
  21. StA KH, Nachlass Sahler, Quittung vom 14.Aug.1814 Zurück
  22. Schieder, a.a.O.: S. 18 Zurück
  23. Schieder, a.a.O. S. 19 Zurück
  24. Schieder, a.a.O. S.20 Zurück
  25. Landesarchiv Speyer; Signatur G 11 Nr. 113 Abt. VI Nr. 8 Zurück
  26. ebd. Zurück
  27. Schieder, a.a.O. S.99 Zurück
  28. Stadtarchiv Bad Kreuznach: Nachlass Sahler Zurück
  29. Schieder, a.a.O. S. 90 Zurück
  30. Armknecht, K.H.: Die Kurpfälzer Familie Sahler, Berlin-Schöneberg, Brandenburgische Buchdr.und Verlagsanstalt, 1937, S. 23 Zurück
  31. StAKH Nachlass Sahler; Quittung vom 19.August 1815 Zurück
  32. Armknecht, a.a.O., S. 23 Zurück