Hunsrück

0.10. Sprachlaute und Tonakzente

0.1.10.3. Konsonanten

0.2.10.3.5. Wandel von st u scht und rs zu rsch

Schweschter, fescht, Gediersch

Im Standarddeutschen wird die Buchstabenfolge st am Wortanfang scht ge­sprochen. Man schreibt stellen, Stamm, spricht aber schtellen, Schtamm. Das gilt auch für entsprechende Zusammensetzungen wie aufstellen und Baum­stamm. Im Wortinnern und am Wortende auftretendes st wird st gesprochen z. B. bei Schwester und fest. Dieser Regel folgen ebenfalls die Hunsrücker Dialekte, jedoch nicht alle. Südlich der Hochfläche wird st auch im Innern und am Endes eines Wortes scht gesprochen. Schwester, Meister und fest lauten dementsprechend Schweschter, Määschter und fescht. Auch die Fle­xions­endungen der Verben sind betroffen (du) hast, fällst, holst erscheinen als (dou) hoscht, fällscht, hoolscht. Ausnahmen bilden aber Verben, deren Stamm auf ‑(s)s ausgeht, so heißen z. B. (du/er/sie/es) liest (Stamm: les‑) und (du/er/sie/es) küsst (Stamm: küss‑) im Dialekt (dou) leest bzw. kesst.

Die Karte 30 demonstriert am Beispiel des Wortes fest die Verteilung von st und scht im Hunsrück. Die beiden getrennt erscheinenden fescht-Areale hängen zusammen. Die Verbindung ist südlich der Nahe, also außer­halb unseres Untersuchungsraums gegeben. Die farbige Linie zeigt den ex­ternen Verlauf der fest/fescht-Grenze. Man sieht, dass das fest-Gebiet die Nahe zwischen Kirn und Idar-Oberstein nur geringfügig nach Süden über­schreitet. Wie fescht verhalten sich auch die anderen Fälle: Schweschter, Määschter, hoscht usw.


Die scht-Aussprache setzt sich vom Hunsrück nach Süden fort und nimmt den gesamten Südwesten des deutschen Sprachraums ein. Sie reicht über die Pfalz und Schwaben bis in die Schweiz. Durch unser Dialektgebiet verläuft also die Nordgrenze der fest/fescht-Isoglosse.

Es gibt in unserer Region noch einen weiteren Wandel von s zu sch. Betroffen ist in diesem Fall die Verbindung rs, die zu rsch wird. Die Laut­veränderung ist im gesamten Hunsrück vertreten. Wörter wie Durst und (der) erste lauten z. B. Dooascht bzw. (de) eeascht. Mit Gediersch – ver­hochdeutscht: Getiers – bezeichnen die Hunsrücker (mit negativem Neben­sinn) die Tierwelt. Auch bei Namen tritt der Wandel ein: Der Ort Dom­mershausen (Verbandsgemeinde Kastellaun) beispielsweise heißt im lokalen Dialekt kurz Dommersch (vgl. auch Kap. 14.2.).

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