Worms in Rheinhessen

Das Haus "Zur Münze" in Worms

Die Münze vor ihrer Zerstörung 1689.[Bild: Stadtarchiv Worms]

Am Wormser Marktplatz, in direkter Nachbarschaft zum Dom St. Peter, zur evangelischen Dreifaltigkeitskirche und zum Rathaus, steht das Haus "Zur Münze". Der schlichte Bau aus dem Jahr 1963 beherbergt unter anderem die Stadtbibliothek. Nur wenige Wormser kennen allerdings die wechselvolle Geschichte dieses Ortes. Dass hier, wie früher vermutet, einmal die Kaiserpfalz Karls des Großen gestanden hat, gilt zwar heute nicht mehr als wahrscheinlich. Sicher ist aber, dass der Rathausbezirk, zu dem auch die "Münze" gehört, schon seit dem 13. Jahrhundert für kommunale Zwecke genutzt wurde. Nur einige hundert Meter von hier, in der Gegend des heutigen Bürgerhofes, kauften die Wormser Ratsherren um 1230 einen steinernen Wohnturm und funktionierten ihn zum Rathaus um. Bisher hatten sie ihre Beratungen im direkten Herrschaftsbereich des Bischofs auf dem Domareal abgehalten. Die Einrichtung eines eigenen Versammlungsortes ist deshalb als Emanzipationsversuch der Bürger von ihrem Stadtherren zu verstehen. Der Versuch misslang jedoch - das neue Rathaus wurde schon 1232 auf Betreiben des Bischofs abgerissen.

Erst im Jahr 1491 gelang es dem Rat wieder, sich ein repräsentatives Gebäude im Zentrum der Stadt zu sichern: das Haus "Zur Münze".  Dem Kauf war eine langwierige Auseinandersetzung der Wormser Zünfte mit der Hausgenossenschaft der Münzer vorangegangen, die schließlich mit dem Auszug dieses Berufstandes aus der Stadt geendet hatte. So konnte der Rat die freistehende "Münze" erwerben und nach seinen Vorstellungen umgestalten. Wie auf der obigen Zeichnung von Peter Hamann zu erkennen ist, handelte es sich bei dem neuen Rathaus um ein Ensemble aus drei Teilen: rechts die "Alte Münze", in der Mitte das seit langem vom Rat genutzte Gerichtshaus und links die "Neue Münze", ein wahrscheinlich um 1420 erbautes Backhaus, das in den neu entstandenen Komplex eingebunden wurde. Optisch wurden diese Teile durch eine ebenerdige Arkadenreihe und prächtige Ausmalungen zusammengehalten. In dieser Form diente die "Münze" fast 200 Jahre lang als Rathaus, bis sie 1689 den Verheerungen des Pfälzischen Erbfolgekrieges zum Opfer fiel. Der Wiederaufbau des völlig zerstörten Worms ging in den folgenden Jahrzehnten allgemein nur sehr schleppend voran. Die "Münze" war und blieb eine Ruine, da der Rat nach seiner Rückkehr im Jahr 1698 die eher schlichten Räumlichkeiten des Bürgerhofes in der Hagenstraße bezog. Der Bürgerhof, und nicht die "Münze", bildet deshalb das Zentrum des heutigen Rathauskomplexes.  Von der einstmals reichen Ausstattung des spätmittelalterlichen Rathauses hat sich bis auf einige Kaiserbildnisse, die im Museum Andreasstift aufbewahrt werden, kaum etwas erhalten.

Das Cornelianum

Fotostrecke zum Cornelianum[Bild: Stadtarchiv Worms]

Neben der ehemaligen Münze wurde 1725 mit der evangelischen Dreifaltigkeitskirche ein großes Bauvorhaben abgeschlossen, das den Wormser Marktplatz bis heute prägt.  An der Stelle des alten Rathauses klaffte aber noch bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts eine große Lücke, die erst im Jahr 1910 durch den Bau des Cornelianums geschlossen wurde. Bei diesem Gebäude handelte es sich um eine Stiftung des Wormser Industriellen Cornelius von Heyl und seiner Gattin Sophie, geb. Stein. In der Stiftungsurkunde erklärte sich der Wormser Reichstagsabgeordnete und Ehrenbürger von Heyl bereit,

"[...] zum sichtbaren Zeichen des Aufschwungs der Stadt Worms und der Teilnahme der Familie Cornelius von Heyl an demselben der Stadt die Mittel für den Wiederaufbau des in der Franzosenzeit bei dem Stadtbrand zerstörten freireichstädtischen Amtshauses [...] in Form einer Schenkung zuzuweisen. Es soll dieser Bau ein Symbol der von den Altvorderen übernommenen und in einer stolzen Geschichte sich offenbarenden Kraft des Wormser Bürgerturms darstellen."

Das nach seinem Stifter benannte Cornelianum schloss sich nahtlos an den ebenfalls in dieser Zeit erweiterten Rathauskomplex an. Neben einem großen Festsaal beherbergte es auch ein Trauzimmer - wie auf der nebenstehenden Abbildung zu sehen, befand es sich in dem Trakt, der zur Dreifaltigkeitskirche hin vorsprang. Entworfen wurde das Gebäude von dem Stuttgarter Architekten Theodor Fischer. Als ein typisches Beispiel für den neoromanischen Wormser "Nibelungenstil" enthielt es zahlreiche motivische Anspielungen auf die Sage. So war der Nibelungensaal mit goßformatigen Gemälden des Stuttgarter Künstlers Schmoll von Eisenwerth ausgeschmückt, die Schlüsselszenen des Epos zeigten. Der erst 1923 vor dem Cornelianum aufgestellte Siegfriedbrunnen geht ebenfalls auf eine Heylsche Initiative zurück. Wie der gesamte Rathausbezirk wurde das Cornelianum während des Zweiten Weltkriegs schwer beschädigt, wenn auch nicht völlig zerstört. Erst 1959 entschloss man sich dazu, die Ruine abzureißen.

Die neue "Münze"

Fotostrecke zur neuen "Münze".[Bild: Torsten Schrade]

Im Jahr 1963 begann die dritte und vorerst letzte Etappe der Bebauungsgeschichte. An die Stelle des historisierenden Cornelianums trat nun ein schlichter Zweckbau, der die Geschichte seiner Vorgänger allerdings in mehr als einer Hinsicht spiegelt.  Bewußt entschied man sich dafür, die neue Stadtbibliothek "Zur Münze" zu nennen, um die Erinnerung an die Vergangenheit des Ortes wachzuhalten. Zudem wurden zwei Details des Cornelianums, die den Bombenkrieg überstanden haben, als Spolien verbaut. So befindet sich das von Georg Wrba für das Cornelianum geschaffene Sandsteinfries "Siegfrieds Einzug in Worms" heute im Eingangsbereich der "Münze". An der Ecke zur Hagenstraße wurde die Figur des Volker von Alzey an ihren alten Platz in der Fassade versetzt.

Nachweise

Verfasser: Sarah Spieß

Verwendete Literatur:

  • Gerold Bönnen: Das Wormser Rathaus und der Rathausbezirk vom Mittelalter bis heute. Herausgegeben vom Stadtarchiv Worms aus Anlass des 50-jährigen Bestehens des neuen Rathauses. Worms 2008.
  • Georg Swarzenski: Denkschrift zur Einweihung des neuen Rathauses insbesondere des Cornelianums, Worms, 15. Dezember 1910. Darmstadt 1910.
  • Faltblatt "Zur Besichtigung des Rathauses und des Cornelianums". Worms [ca. 1912].

Erstellt am: 05.05.2009

Aktualisiert am: 19.12.2014