0.Evangelische Gustav-Adolf-Kirche
Die evangelische Gustav-Adolf-Kirche von Horchheim liegt auf einer Erhebung im nördlichen Ortsgebiet. Die Anlage ist im Jugendstil gestaltet und umfasst die Kirche, das Pfarrhaus sowie eine Grünanlage. Sie wurde 1907/08 nach Plänen des Architekten Friedrich Becker erbaut. Die Kirche ist ein genordeter Saalbau mit Satteldach und Dachreiter. Im Giebel der Kirchenfront befindet sich eine Uhr. Im Osten schließt das eingeschossige Pfarrhaus mit Loggia und Veranda an. Das Jugendstilensemble der Gustav-Adolf-Kirche ist in dieser Form einzigartig in der Umgebung von Worms.
Im Zuge der Reformation ist in Horchheim erstmals eine protestantische Gemeinde nachgewiesen, die zwischen 1548 und 1625 aktiv war. Nach dem Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) war Horchheim jedoch wieder vollständig katholisch. Erst seit dem 18. Jahrhundert nahm die Anzahl protestantischer Bürger:innen in Horchheim wieder zu, dennoch dauerte es bis 1873 bis die Gemeinde Horchheim zu einer Filialgemeinde Heppenheim erhöht wurde. Im Jahr 1898 wurde Horchheim zu einer eigenständigen Pfarrei erhoben, zu der auch die Filiale Weinsheim gehörte. Die Protestant:innen von Wiesoppenheim waren hingegen der Gemeinde Horchheim eingepfarrt. Zur Reformation und der frühen Geschichte der Pfarrei von Horchheim siehe auch Reformation und frühe Pfarrgeschichte.
3.1.Der Bau der Gustav-Adolf-Kirche
Das anhaltende Wachstum der evangelischen Gemeinde sorgte bald auch für räumliche Probleme. Die Kapelle in der ehemaligen Synagoge bot schon bald nicht mehr genug Platz. Statt einer Erweiterung der Kapelle wurde schließlich der Neubau einer evangelischen Kirche beschlossen. Im Mai 1895 wurde das Baugrundstück in der Oberen Hauptstraße Nr. 5 für 6.700 Mark erworben. Das Gelände wurde 1904 für 7.000 Mark wieder verkauft, da es für den geplanten Kirchenbau nicht passend geschnitten war. Stattdessen wurde im November 1904 das Grundstück der ehemaligen Wachterschen Wirtschaft, Obere Hauptstraße Nr. 23, für 14.200 Mark erworben.
Die Planung des Kirchenbaus erfolgte durch den hessischen Regierungsbauführer Friedrich Becker. Der Plan wurde nach Überarbeitungen durch den Darmstädter Oberbaurat Hofmann im Juni 1906 angenommen. Trotz einer hohen Finanzierungslücke wurde entschieden, nicht auf den Bau eines Pfarrhauses zu verzichten. Die Anschaffung einer Orgel sollte hingegen zunächst zurückgestellt werden, konnte jedoch durch Spendensammlungen bis zur Einweihung ermöglicht werden.
1907 begann der Bau der evangelischen Kirche Horchheim begonnen. Es entstand eine Gesamtanlage mit Kirche, Dachreiter und Pfarrhaus in Formen des Jugendstils. Der genordete Saalbau besitzt ein Tonnengewölbe und einen eingezogenen Chor. Der Innenraum wurde durch den Wormser Maler Fritz Muth (1865–1943) im Jugendstil ausgemalt. Als Kirchenfenster wurden Buntglasfenster angeschafft, die durch Stiftungen finanziert wurden. Die Orgel mit 15 Registern wurden von den Orgelbauern Gebrüder Link aus Giengen gebaut. Am 6. September 1908 wurde die Gustav-Adolf-Kirche feierlich eingeweiht. [Anm. 1]
Im April 1908 stimmte der Kirchenvorstand dem Verkauf der Kapelle zu, der jedoch erst 1911 erfolgte. Das Gebäude wurde für 2.000 Mark an die jüdische Gemeinde Heppenheim auf Abbruch verkauft und in Heppenheim in alter Form wieder als Synagoge aufgebaut. [Anm. 2]
3.2.Die Kirche während der Weltkriege
Der Erste Weltkrieg beeinträchtigte auch das Gemeindeleben in Horchheim. Durch den Krieg nahm der Gottesdienstbesuch stark ab, da die verbliebenen Arbeitskräfte immer stärker benötigt wurden. Der hohe Schuldenstand der Gemeinde durch den Kirchenbau konnte während des Krieges kaum verringert werden.
Durch die Explosion des Oppauer (heute Ludwigshafen) Stickstoffwerkes am 21. September 1921 wurden die östlichen Fenster der Gustav-Adolf-Kirche zerstört. Die Schäden konnten zunächst nur notdürftig repariert werden. Nachdem sich die finanzielle Situation Mitte der 1920er Jahre etwas entspannt hatte, wurde 1928 das Gelände der Oberen Hauptstraße Nr. 25 erworben. Dort sollte langfristig ein Gemeindehaus errichtet werden und ab 1932 wurde im dortigen Wohngebäude ein Gemeinderaum eingerichtet.
Der langjährige Pfarrer von Horchheim Otto Horst (1876–1936) polarisierte und spaltete bereits seit November 1908 die Gemeinde. Auch seine Versetzung im Juni 1929 konnte die Situation in der Gemeinde nicht verbessern. Die Gottesdienste seines Nachfolgers Heinrich Blank (1881–1965) wurden hauptsächlich von den Gegnern des versetzten Vorgängers besucht. Auch die Renovierung des Pfarrhauses wurde durch den anhaltenden Streit innerhalb der Gemeinde verzögert.
Im Zuge des Zweiten Weltkrieges wurde Horchheim am 21. Februar 1945 von alliierten Flugzeugen bombardiert. Mehrere Horchheimer:innen verloren dabei ihr Leben und zahlreiche Gebäude wurden zerstört. Die Gustav-Adolf-Kirche und das zugehörige Pfarrhaus wurden dabei vergleichsweise leicht beschädigt. Der Luftdruck der Bombeneinschläge zerstörte die Fenster der Kirche. Dennoch war das Gotteshaus bald wieder benutzbar.
3.1.Die Kirche bis heute
Die schwierige Situation der Nachkriegszeit beeinflusste auch das Gemeindeleben in Horchheim. So konnten im Winter aufgrund fehlender Brennstoffe erst wieder ab 1950 regelmäßig Gottesdienste gefeiert werden. Am 20. Mai 1948 wurde durch den Kirchenvorstand der Beitritt zur Gesamtgemeinde Worms entschieden. [Anm. 3]
In der Nachkriegszeit wurden bereits 1947 die Fenster der Gustav-Adolf-Kirche neuverglast und 1949 das Dach der Kirche repariert. Im Oktober 1952 wurde schließlich mit dem Bau des Gustav-Adolf-Gemeindesaals in unmittelbarer Nachbarschaft der Kirche begonnen, der am 4. Januar 1953 eingeweiht werden konnte. Zudem wurde 1952 ein Grundstück an der Höhlchenstraße erworben und dort bis 1964 das evangelische Gemeindezentrum Horchheim mit Kindergarten errichtet. [Anm. 4]
Die Gustav-Adolf-Kirche wurde 1958 umfassend renoviert. Dabei wurde das ovale Chorfenster durch vier Rundbogenfenster ersetzt, die Orgelempore verbreitert und die Orgel generalüberholt. Die westliche Kirchentür wurde zugemauert und an der Stelle eine Gedenkstätte für die Toten des Zweiten Weltkrieges errichtet, die am Volkstrauertag 1959 eingeweiht wurde. [Anm. 5]
1977 wurde das Dach und der Dachreiter repariert und das Ziffernblatt der Uhr erneuert. Nach Abschluss der Arbeiten wurde festgestellt, das das Türmchen beim Läuten der Glocken stark schwankte, weshalb weitere Arbeiten ausgeführt werden mussten.
Ende der 1980er Jahre wurde der Innenraum der Kirche renoviert, der wieder in seinen Ursprungszustand einschließlich der Jugendstil-Ausmalung zurückgeführt werden sollte. Im Zuge der Renovierung wurden das ovale Chorfenster wiederhergestellt, der Orgelspieltisch zurückgeführt, eine neue Lautsprecheranlage und ein Lesepult angeschafft. Die Gustav-Adolf-Kirche wurde am 12. April 1992 wieder feierlich eingeweiht. [Anm. 6]
Heute bildet die evangelische Gemeinde Horchheim zusammen mit den Gemeinden in Weinsheim und Wiesoppenheim eine Pfarrei im Dekanat Worms-Wonnegau der Propstei Rheinhessen und Nassauer Land in der Evangelischen Kirche Hessen-Nassau.
3.1.Glocken
Die ersten Glocken der neuerrichteten Gustav-Adolf-Kirche wurden am 28. März 1908 in der Frankenthaler Glockengießerei Andreas Hamm gegossen. Die größte Glocke (e-Ton) wog 1.750 kg und zeigte das Bild Martin Luthers. Sie trug die Inschriften „Eine feste Burg ist unser Gott“ und „Sehet, welch eine Liebe hat uns der Vater erzeiget, daß wir Gottes Kinder sollen heißen!“.
Die 1.000 kg schwere Glocke (g-Ton) wurde von der evangelischen Gesamtgemeinde Worms gestiftet und zeigte das Bild des Reformators Huldrych Zwingli. Sie trug die Inschriften „Des Menschen Sohn ist kommen, zu suchen und selig zu machen, was verloren ist.“ und „Herr nun selbst den Wagen halte, bald abseits geht sonst die Fahrt.“
Die Gustav-Adolf-Glocke (a-Ton) wog 700 kg und zeigte das Bild des namensgebenden schwedischen Königs sowie die Inschriften „Verzage nicht du Häuflein klein“ und „Fürchte Dich nicht, Du kleine Herde, denn es ist Eures Vaters Wohlgefallen, Euch das Reich zu geben.“
Die Glocken wurden am Karsamstag 1908 eingeweiht. [Anm. 7]
Während des Ersten Weltkriegs wurden die Zwingli- und Gustav-Adolf-Glocke für die Kriegswirtschaft beschlagnahmt und eingeschmolzen. Nach dem Krieg wurden 1924/25 zwei neue Glocken bei der Glockengießerei Pfeifer in Kaiserslautern in Auftrag gegeben. Die neue g-Glocke wurde zum Dank für die langjährige Förderung der evangelischen Gemeinde durch die Familie Heyl Mathilde genannt, nach der Ehefrau des 1923 verstorbenen Freiherrn Cornelius Wilhelm von Heyl zu Herrnsheim (1843–1923). Die neuen Glocken wurden am 8. März 1925 in einem Festgottesdienst geweiht. [Anm. 8]
Im Zuge des Zweiten Weltkriegs wurden erneut die Glocken der Horchheimer Kirche beschlagnahmt. Die beiden größeren Glocken, darunter die Luther-Glocke, die den Ersten Weltkrieg überstanden hatte, wurden eingeschmolzen. Nach Kriegsende konnte die kleine a-Glocke nach Horchheim zurückgeholt werden.
Im Dezember 1951 erhielt die Kirchengemeinde eine h‘-Glocke von 1613 aus Pommern als Dauerleihgabe. Die 327 kg schwere Glocke trägt die Inschrift „Ein erbar Rath der Stadt Greifenhagen als Herrschaft dieses Dorfes Schilderstorf [Schillersdorf] Peter Brüggemann und Paul Helorich als Vorsteher dieser Kirchen haben mich durch M. Roloff Klassen zu Stettin gießen lassen. Den 6. Mai Anno 1613“.
1955 wurde eine neue, 673,5 kg schwere Luther-Glocke (fis‘-Ton) bei der Glockengießerei Gebrüder Rincker in Sinn in Auftrag gegeben und das Geläut vervollständigt. Sie trägt die Inschrift „O Land, Land, Land, höre des Herrn Wort +Jeremia 22,20 Ich schäme mich des Evangeliums von Christo nicht +Römer 1,15 Gestiftet v. d. ev. Gemeindegliedern von Horchheim, Weinsheim und Wiesoppenheim“. [Anm. 9]
Verwendete Literatur:
- Diehl, Wilhelm: Pfarrer- und Schulmeisterbuch für die Provinz Rheinhessen und die kurpfälzischen Pfarreien der Provinz Starkenburg. Darmstadt 1928. Online verfügbar unter: https://www.dilibri.de/stbmz/content/titleinfo/1977300 (aufgerufen am: 02.12.2024).
- Heuser, Edmund: Horchheim, Weinsheim. Worms 1978.
- Heuser, Edmund: Worms-Horchheim – Chronik. Worms-Horchheim 2005.
- Spille, Irene: Worms-Horchheim. In: Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland. Kulturdenkmäler in Rheinland-Pfalz. Hrsg. im Auftrag des Kulturministeriums vom Landesamt für Denkmalpflege. Bd. 10 Stadt Worms. Worms 1992. S. 234–241.
- Zuber, Michael: Zur Geschichte der Evangelischen Kirchengemeinde Horchheim, Weinsheim, Wiesoppenheim. Hrsg. von der Evangelischen Kirchengemeinde Worms-Horchheim mit Weinsheim und Wiesoppenheim. Worms-Horchheim 1998.
Anmerkungen:
- Vgl. Zuber 1998, S. 25–36. Zurück
- Vgl. Heuser 1978, S. 110–113; Zuber 1998, S. 45; Heuser 2005, S. 76–77; Spille 2005, S. 405–406. Zurück
- Vgl. Zuber 1998, S. 55. Zurück
- Vgl. Zuber 1998, S. 59–61; Heuser 2005, S. 78–79. Zurück
- Vgl. Zuber 1998, S. 62–64. Zurück
- Vgl. Heuser 1978, S. 112–114; Zuber 1998, S. 70–72; Heuser 2005, S. 79–80. Zurück
- Vgl. Zuber 1998, S. 29. Zurück
- Vgl. Zuber 1998, S. 46–48; Heuser 2005, S. 76. Zurück
- Vgl. Zuber 1998, S. 53–58; Heuser 2005, S. 78. Zurück