Rheinhessen

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Gläschen

Karte 52: Gläschen. Drenda, Georg: Kleiner linksrheinischer Dialektatlas. Sprache in Rheinland-Pfalz und im Saarland, S. 124.[Bild: Georg Drenda (IGL)]

In der neuhochdeutschen Standardsprache gibt es die beiden Diminutivsuffixe (Verkleinerungssilben) ‑chen und ‑lein, vgl. z. B. MäuschenMäuslein, BettchenBettlein. Die stilistisch neutrale Form ist ‑chen, eher volkstümlich-altmodisch ist ‑lein. Die deutschen Dialekte weisen verschiedene Verkleinerungssilben mit folgender Verteilung auf (hier vereinfacht und in groben Zügen dargestellt): Im Niederdeutschen dominiert ‑ken, das dem standarddeutschen ‑chen entspricht, z. B. Vogelken ‘Vögelchen’, Fingerken ‘Fingerchen’. In Mecklenburg herrscht ‑ing vor, z. B. Vading ‘Väterchen’, Kining ‘Kindchen’. Jedoch sind in großen Teilen des Niederdeutschen (am Unterlauf der Weser und Elbe sowie in Schleswig-Holstein) Verkleinerungsformen kaum gebräuchlich. Im Westmitteldeutschen sowie im Nordwesten des Ostmitteldeutschen wird ‑chen verwendet. Der gesamte oberdeutsche Sprachraum und die südöstlichen Teile des Ostmitteldeutschen bilden die Verkleinerungsformen mit ‑(e)l, ‑le, ‑la, ‑li, z. B. Hiisel ‘Häuslein’ im nördlichen Elsass, Bieble ‘Büblein’ in großen Teilen Schwabens, Stickla ‘Stücklein’ in Franken zwischen Würzburg und Bayreuth, Blättli ‘Blättlein’ in der Schweiz. Vereinfachend lässt sich sagen, dass die nieder- und mitteldeutschen Dialekte die Verkleinerungsformen mit ‑chen bilden, die oberdeutschen hingegen auf der Basis des Typus ‑lein.

Der nordwestliche Abschnitt der Grenze, die das oberdeutsche l-Suffix vom mitteldeutschen chen-Suffix trennt, verläuft durch Rheinland-Pfalz. Die Karte zeigt exemplarisch anhand des Wortes Gläschen, dass der südöstliche Teil der Pfalz bis zu einer Linie westlich Pirmasens – südlich Worms die Verkleinerungsform mit ‑el bildet, wohingegen im übrigen Gebiet ‑chen dominiert. Es heißt also einerseits Glässel, Glääsel, Gleesel und andererseits Jlääsje, Gleesje, Glässje usw. (Nach s, z und sch wird ‑chen zu ‑jen.) Der Verlauf der ‑chen/‑el-Grenze variiert von Wort zu Wort. Für den Ausdruck Kleidchen zum Beispiel ist sie weiter südlich anzusetzen: östlich Pirmasens – Ludwigshafen. Es gibt also an Stelle einer festen Sprachgrenze, die ‑chen von ‑el trennt, ein gestaffeltes Linienbündel, das ein Übergangsgebiet zwischen den beiden Diminutivsuffixen bildet.

Ergänzend seien noch in aller Kürze folgende Hinweise hinzugefügt: Im chen-Gebiet unseres Dialektraums wird bei Wörtern, die auf k ausgehen, die Doppelform ‑elchen angehängt, es heißt z. B. Stickelche, was ins Standarddeutsche übertragen, Stückelchen lauten müsste. Mit der gleichen Endung werden Verkleinerungsformen von Wörtern gebildet, die auf ch enden, da ‑chen nicht angehängt werden kann, z. B. Tichelche, dem standardsprachlich Tüchelchen entsprechen würde. (Auch in der Hochsprache kann auf ch kein ‑chen folgen. Wortbildungen wie Tüchchen oder Dächchen sind nicht möglich. In diesen Fällen wird ‑lein verwendet: Tüchlein, Dächlein.)

Im Gegensatz zum Standarddeutschen wird in den meisten Dialekten unseres Gebietes der Plural (Mehrzahl) sprachlich gekennzeichnet. In der Hochsprache heißt es z. B. das Gläschendie Gläschen oder das Gläsleindie Gläslein. In den Dialekten des chen-Areals stehen sich gegenüber das Gläschendie Gläscher/die Gläsercher und im el-Gebiet das Gläseldie Gläsle/die Gläselcher/die Gläslich, um nur die häufigsten Pluralformen zu nennen. Lediglich zwischen Untermosel und Ahr werden Singular (Einzahl) und Plural nicht unterschieden, in beiden Fällen ist ‑chen die Endung.

Literaturverzeichnis

Die im Text erwähnte Literatur finden Sie hier (Literaturverzeichnis).

Hinweise zu den Karten

Lesen Sie hier Hinweise des Autors zum besseren Verständnis der Atlaskarten.

Mehr zum Thema

Der obenstehende Inhalt ist entnommen aus Georg Drenda (2008): Kleiner linksrheinischer Dialektatlas. Sprache in Rheinland-Pfalz und im Saarland. Stuttgart.

Zitierhinweis

[Begriff] (Kartennummer), in: Georg Drenda (2008): Kleiner linksrheinischer Dialektatlas. Sprache in Rheinland-Pfalz und im Saarland, digitalisierte Version auf Regionalgeschichte.net, < URL >, abgerufen am TT.MM.JJJJ.

z.B.: suchen (Karte 37), in: Georg Drenda (2008): Kleiner linksrheinischer Dialektatlas. Sprache in Rheinland-Pfalz und im Saarland, digitalisierte Version auf Regionalgeschichte.net, <https://www.regionalgeschichte.net/rheinhessen/sprache/dialektatlas-rlp-saar/begriffe-dialektatlas-rlp-saar/lautkarten/suchen.html>, abgerufen am 01.01.2022.