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Handschuh
Die Karte zeigt die Verbreitung der Dialektformen des Wortes Handschuh. Es fällt auf, dass im gesamten Gebiet bis auf ein Areal östlich einer Linie östlich Pirmasens – südlich Mainz der Bestandteil ‑schuh lautlich stark reduziert ist. Er lautet ‑sche (z. B. Hän(d)sche) oder auch nur ‑sch (z. B. Hän(d)sch); d ist eingeklammert, da es Belege mit und ohne diesen Konsonanten (Mitlaut) gibt. Die Reduktion resultiert aus den Betonungsverhältnissen. Da die erste Silbe von Handschuh den Wortakzent trägt, wird die unbetonte zweite lautlich abgeschwächt. Aus ‑schuh mit dem vollen Vokal (Selbstlaut) u wird ‑sche mit dem Murmelvokal e. In einem weiteren Reduktionsschritt kann das End-e abfallen. Phänomene dieser Art lassen sich in den Dialekten allenthalben beobachten (auch außerhalb unseres Gebietes). Man vergleiche etwa Bagges ‘Backhaus’ (Karte 42), Ims ‘Ameise’ (Karte 62) oder Arwet ‘Arbeit’. Bereits im Mittelhochdeutschen ist neben den Vollformen hantschuoch und hentschuoch die Kurzform hentsche belegt. In dem Areal mit reduziertem zweitem Wortbestandteil verteilen sich die auf ‑sch ausgehenden Varianten (Häisch, Hän(d)sch usw.) auf den Westen, den Rest der Fläche nehmen Formen mit ‑sche am Ende (Heesche, Hän(d)sche usw.) ein.
Im südöstlichen Teil des Kartengebietes kommen verbreitet Formen auf ‑ing (Hän(d)sching, Hängsching) vor. Deren Entstehung ist noch nicht befriedigend geklärt. Denkbar ist folgende Entwicklung: Aus mittelhochdeutsch hentschuoch ist in den Dialekten durch lautliche Abschwächung des zweiten Wortbestandteils (s. o.) zunächst *Hentschech entstanden. Durch Einfluss des nachfolgenden Konsonanten (Mitlautes) ch hat sich anschließend aus dem reduzierten e der Laut i entwickelt, was die Form Händschich ergibt (vgl. auch die Karte 43 Samstag). Diese Variante ist tatsächlich vereinzelt für die Pfalz und darüber hinaus verbreitet für den
Odenwald belegt. Eine parallele Entwicklung ist für den Ausdruck Knoblauch festzustellen, der in Teilen der Pfalz als Knowlich begegnet. Das Segment ‑ich in Händschich wurde – so kann man vermuten – als Wortbildungselement aufgefasst und mit einem anderen, nämlich ‑ing vertauscht, so dass aus Händschich die Form Händsching entstand. In den pfälzischen Dialekten gibt es Parallelfälle, die die Annahme eines solchen Wechsels stützen: Der Pfirsich heißt Persching, die Mennige Menning. Die Endung ‑ing ist neben ‑ung ein in der Pfalz weit verbreitetes Wortbildungselement, vgl. z. B. Stääching ‘Versteigerung’, Brääring ‘Breite’, Trockening ‘Trockenheit’.
Neben Hän(d)sching kommt auch die lautlich leicht abgewandelte Variante Hängsching vor. Südöstlich von Saarbrücken ist in einem kleinen Areal Hän(d)schinge vertreten. Offensichtlich ist in diesem Fall die Endung des Plurals (Mehrzahl) auf den Singular (Einzahl) übergetreten (vgl. auch die Karte 23 Schuh).
Im Norden unseres Gebietes liegen Varianten ohne n vor: Heesche, Haisch usw. Vor gewissen Konsonanten – zu ihnen zählt auch d – fällt in verschiedenen Dialekten in manchen Wörtern n aus. Ein n-Rest findet sich dann teilweise bei dem vorangehenden Vokal, der nasaliert (genäselt) ausgesprochen wird. Beispiele aus Naunheim (Oberhessen): Hããd ‘Hand’, Sããd ‘Sand’, aus dem Schwäbischen: Hããd ‘Hand’, Wẽẽd ‘Wände’. Der n-Ausfall bewirkt Dehnung des vorangehenden Vokals. (Vgl. auch die Karte 12 uns.) Bei den Belegen Heesche, Hääsche usw. liegt zwar Dehnung, aber keine Nasalierung des Vokals vor, sie ist generell im Moselfränkischen nicht vorhanden. Der Konsonant d ist offensichtlich aus Gründen leichterer Aussprache geschwunden. Länge des Vokals trotz erhaltenem n (Hään(d)sch) ist zwischen Bitburg und Daun belegt.
Der Vokal des ersten Bestandteils des zusammengesetzten Wortes Handschuh ist in unserem Gebiet überwiegend ein e-Laut, selten tritt i auf. Ein e findet sich bereits in der mittelhochdeutschen Vorgängerform hentschuoch, die neben hantschuoch belegt ist (s. o.). Das e ist aus a durch Umlautung entstanden, man vergleiche auch standardsprachlich Hand – Hände. Für die großen Städte am Rhein (Mainz, Worms usw.) sowie vereinzelt für deren Umland sind standardnahe Formen wie z. B. Hondschuh belegt. Sie sind nicht kartiert, da sie keine Flächen bilden. Nordwestlich von Koblenz hat sich der Vokal e zu ö entwickelt: Hön(d)sch(e). In den Gebieten, in denen die Umlaute ü und ö in den Dialekten erhalten bleiben und nicht zu i bzw. e werden (vgl. z. B. schön an der Ahr mit scheen um Simmern) kann i zu ü und e zu ö werden, vgl. z. B. würd ‘wird’ (Karte 45) Tröpp ‘Treppe’ (Karte 39) sowie für den Kölner Raum Lödder ‘Leder’, nömme ‘nehmen’ und für Ruhla (Westthüringen): würd ‘wird’, ümmer ‘immer’.
Der Dialekt der jüngeren Sprecher zeigt ein anderes Bild. Vor allem in Rheinhessen, in der Pfalz und im südlichen Saarland verbreiten sich massiv die durch die Standardsprache gestützten Formen Handschuh und Hondschuh auf Kosten von Hän(d)sche und Hänsching/Hängsching.
Literaturverzeichnis
Die im Text erwähnte Literatur finden Sie hier (Literaturverzeichnis).
Hinweise zu den Karten
Lesen Sie hier Hinweise des Autors zum besseren Verständnis der Atlaskarten.
Der obenstehende Inhalt ist entnommen aus Georg Drenda (2008): Kleiner linksrheinischer Dialektatlas. Sprache in Rheinland-Pfalz und im Saarland. Stuttgart.
Zitierhinweis
[Begriff] (Kartennummer), in: Georg Drenda (2008): Kleiner linksrheinischer Dialektatlas. Sprache in Rheinland-Pfalz und im Saarland, digitalisierte Version auf Regionalgeschichte.net, < URL >, abgerufen am TT.MM.JJJJ.
z.B.: suchen (Karte 37), in: Georg Drenda (2008): Kleiner linksrheinischer Dialektatlas. Sprache in Rheinland-Pfalz und im Saarland, digitalisierte Version auf Regionalgeschichte.net, <https://www.regionalgeschichte.net/rheinhessen/sprache/dialektatlas-rlp-saar/begriffe-dialektatlas-rlp-saar/lautkarten/suchen.html>, abgerufen am 01.01.2022.