Rheinhessen

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Backhaus

Backhäuser waren in früherer Zeit im gesamten Gebiet des heutigen Rheinland-Pfalz und Saarlandes verbreitet. In ihnen buk die bäuerliche Bevölkerung ihr wichtigstes Nahrungsmittel, das Brot. Es lassen sich zwei Organisationsformen der Backhausbewirtschaftung unterscheiden: 1. das Gemeinde- bzw. Bannbackhaus und 2. das private Backhaus. Gemeindebackhäuser waren Einrichtungen, die der gesamten Einwohnerschaft eines Dorfes zur Verfügung standen. In der Regel hatte eine Gemeinde ein Backhaus, große Dörfer auch deren zwei. Die Backreihenfolge wurde durch Los bestimmt, wobei eine zusätzliche Backordnung harte Ungerechtigkeiten abgemildert hatte. Gemeindebackhäuser fanden sich in der Eifel, z. B. um Daun und Mayen, im Westerwald, im östlichen Hunsrück, an der Mosel und in Rheinhessen. In Teilen der Pfalz (z. B. in Lohnweiler bei Lauterecken und in Ebernburg) gab es sogenannte Bannbackhäuser, die für einen ganzen Gemeindebezirk bestimmt waren. In der Westeifel, im westlichen Hunsrück, im Saarland sowie gebietsweise in der Pfalz (z. B. in Wilgartswiesen und Stelzenberg) war die private Backeinrichtung verbreitet. Jeder Bauer besaß sein eigenes Backhaus, das entweder an das Bauernhaus angebaut war oder separat stand.

Für die Pfalz lassen sich die ältesten Backhäuser bis in das 14. Jahrhundert zurückverfolgen. Um 1910 wurden dort die letzten Einrichtungen dieser Art geschlossen. Im Zuge teils einer nostalgischen Vergangenheitsverklärung, teils eines konservatorisch-denkmalpflegerischen Impulses werden mancherorts im Lande die alten Backhäuser – sofern sie in ihrer Substanz noch erhalten sind – wiederhergestellt und vielfach folkloristisch funktionalisiert.

Karte 42: Backhaus. Drenda, Georg: Kleiner linksrheinischer Dialektatlas. Sprache in Rheinland-Pfalz und im Saarland, S. 102.[Bild: Georg Drenda (IGL)]

Die Karte zeigt die Verteilung der dialektalen Varianten des Wortes Backhaus mit einer hervorstechenden Zweiteilung des Gebietes. Nördlich einer Linie etwa Trier – Worms liegt die lautlich reduzierte Form Backes vor, südlich davon die Vollform Backhaus. Die Verkürzung von Backhaus zu Backes ist auf die Akzentverhältnisse in dem zusammengesetzten Wort zurückzuführen. Weil die zweite Silbe unbetont ist, kann ‑haus zu ‑es lautlich abgebaut werden (z. B. Bagges). Ein Parallelfall liegt bei dem Ausdruck Rathaus vor, der in verschiedenen Dialekten zu Rodes verkürzt wird. Es lassen sich noch weitere Beispiele für Lautreduktion nennen: Das Wort Schornstein wird zu Schoorschde u. ä. in Teilen des Hunsrücks sowie zu Schornschde u. ä. mancherorts in der Pfalz. Der Handschuh heißt über weite Flächen Händsche (vgl. Karte 54). Man denke zudem an die zahlreichen Ortsnamen, die auf ‑heim enden. Im Dialekt wird z. B. aus Ensheim Ensem und aus Dexheim Dexem. Weitere Beispiele für lautliche Abschwächung bieten u. a. die Karten 55 Wahrheit, 56 barfuß und 62 Ameise. Im Standarddeutschen findet sich Vokalreduktion äußerst selten. Sie liegt z. B. in dem Wort Viertel vor, das aus althochdeutsch fiorteil hervorgegangen ist.

Lautabschwächungen in den Dialekten sind nicht obligatorisch, d. h. es lassen sich auch Formen belegen, die volle Vokale aufweisen. Neben der Karte Backhaus zeigt das auch die Karte 55 Wahrheit. Im Falle von Schornstein liegen ungekürzte Varianten z. B. in Daun/ Eifel (Schorschdeen u. ä.) sowie in Kusel (Schornschdee) vor.

Im Backhaus-Areal gibt es etliche Ortsdialekte, in denen dieser Ausdruck fehlt. Stattdessen sagt man Backofen, wenn man das, was andernorts Backhaus heißt, meint. (Die verstreuten Backofen-Belege sind nicht kartiert.) Die Südpfalz hat in einigen Orten die Verkleinerungsform Backhäusel.

Zur Aussprache der Varianten: Bei der dialektalen Realisierung von Backes wird k überwiegend zu g (Bagges). Es ist ein Kennzeichen westmitteldeutscher Dialekte (und nicht nur dieser), dass die „harten“ Konsonanten p, t, k häufig zu b, d, g „erweicht“ werden: Papa wird zu Baba, bitter zu bidder, Bäcker zu Bägger usw. Im Westen des Moselfränkischen ist der Vokal a gedehnt: Baages. Bei der Form Backhaus haben wir es bei dem Bestandteil Back- mit den gleichen Lautphänomenen zu tun. Hinzu kommt die teilweise auftretende „Verdumpfung“ von a zu o: Bogghaus). Über die Entwicklung von k zu ch (Baachhaus) unterrichtet die Karte 49 gebacken. Aus ‑haus wird häufig ‑hous, in Teilen der Pfalz und nordöstlich Saarlouis auch ‑häos (Bagghous, Bogghäos). Backhäusel wird im Dialekt Bogghaisl ausgesprochen und Backofen erscheint als Baggowe, Boggouwe, Baggowwe usw.

Literaturverzeichnis

Die im Text erwähnte Literatur finden Sie hier (Literaturverzeichnis).

Hinweise zu den Karten

Lesen Sie hier Hinweise des Autors zum besseren Verständnis der Atlaskarten.

Mehr zum Thema

Der obenstehende Inhalt ist entnommen aus Georg Drenda (2008): Kleiner linksrheinischer Dialektatlas. Sprache in Rheinland-Pfalz und im Saarland. Stuttgart.

Zitierhinweis

[Begriff] (Kartennummer), in: Georg Drenda (2008): Kleiner linksrheinischer Dialektatlas. Sprache in Rheinland-Pfalz und im Saarland, digitalisierte Version auf Regionalgeschichte.net, < URL >, abgerufen am TT.MM.JJJJ.

z.B.: suchen (Karte 37), in: Georg Drenda (2008): Kleiner linksrheinischer Dialektatlas. Sprache in Rheinland-Pfalz und im Saarland, digitalisierte Version auf Regionalgeschichte.net, <https://www.regionalgeschichte.net/rheinhessen/sprache/dialektatlas-rlp-saar/begriffe-dialektatlas-rlp-saar/lautkarten/suchen.html>, abgerufen am 01.01.2022.