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Schulter
Vergleicht man die Dialektformen des Wortes Schulter mit dem standardsprachlichen Pendant, so zeigen sich vor allem folgende markante Differenzen: 1. Statt des Vokals (Selbstlauts) u kommen verbreitet i, e, ü oder ö vor, z. B. Schilla, Schülla. 2. Der Konsonant (Mitlaut) t ist über weite Strecken ausgefallen, z. B. Schulla, Schilla. Wenden wir uns zunächst dem Konsonanten t zu. In unserem Gebiet (und weit darüber hinaus) fällt in den Lautverbindungen lt und ld, aber auch nt und nd, sofern ein Vokal folgt, t bzw. d aus. Unter bestimmten Bedingungen tritt die gleiche Entwicklung teilweise auch ein, wenn die Lautverbindung am Wortende steht. So erscheint in den Dialekten Schulter als Schulla, schuldig als schullig, unten als unne, finden als finne usw. Es gibt Wörter, bei denen in unserem Gebiet diese Lautentwicklung durchgängig vollzogen ist, wie z. B. bei finden, und solche, die d/t in Teilarealen bewahren. Hierzu gehören z. B. Hände sowie Schulter. Die Karte zeigt, dass östlich einer Linie etwa Zweibrücken – südlich Mainz das t in Schulter erhalten bleibt, wobei der Laut zu d „erweicht“ wird: Schulder. Im übrigen Gebiet finden sich ausschließlich Formen mit t-Ausfall, also Schuller, Schiller usw.
Betrachten wir nun den Vokal der ersten Silbe von Schulter: Die Varianten mit u (Schulla, Schulda) bedürfen keiner Erklärung. Der Fall mit o (Scholla) ist das Resultat einer Lautentwicklung, die typisch für das Moselfränkische ist, wo u zu o wird, wie das auch die Wörter Loft ‘Luft’, domm ‘dumm’, bont ‘bunt’ usw. belegen. Die auffälligen Varianten mit i, e, ü oder ö sind aus einer historischen Vorgängerform entstanden, die statt u den Vokal ü aufweist, also Schülter lautet. In Dialekten, in denen die Umlautvokale ü und ö als solche gesprochen werden, also im Norden unseres Gebietes (vgl. hierzu die Karte 38 neu), kommt die Variante Schülla vor. Da ü zu ö werden kann – man vergleiche etwa Schlössel ‘Schlüssel’ oder Köch ‘Küche’ – entsteht aus Schülla die Form Schölla. Dialekte, die ü und ö zu i bzw. e verändern, also Formen wie Schlissel ‘Schlüssel’, Kepp ‘Köpfe’ usw. aufweisen, haben dementsprechend Schilla. Analog zu der Entwicklung von u zu o (s. o.) kann i zu e werden (vgl. z. B. Repp ‘Rippe’, brengen ‘bringen’), was Schella ergibt. Die Verteilung der verschiedenen Varianten im Raum kann der Karte entnommen werden.
Für die Pfalz gibt es neben Schulda- vereinzelt auch (nicht kartierte) Schilda-Belege, die auf Schülter (mit der Entwicklung von ü zu i) zurückzuführen sind (s. o.). Vor allem im Süden und im Osten der Pfalz ist an Stelle von Schulter das Wort Achsel verbreitet.
Literaturverzeichnis
Die im Text erwähnte Literatur finden Sie hier (Literaturverzeichnis).
Hinweise zu den Karten
Lesen Sie hier Hinweise des Autors zum besseren Verständnis der Atlaskarten.
Der obenstehende Inhalt ist entnommen aus Georg Drenda (2008): Kleiner linksrheinischer Dialektatlas. Sprache in Rheinland-Pfalz und im Saarland. Stuttgart.
Zitierhinweis
[Begriff] (Kartennummer), in: Georg Drenda (2008): Kleiner linksrheinischer Dialektatlas. Sprache in Rheinland-Pfalz und im Saarland, digitalisierte Version auf Regionalgeschichte.net, < URL >, abgerufen am TT.MM.JJJJ.
z.B.: suchen (Karte 37), in: Georg Drenda (2008): Kleiner linksrheinischer Dialektatlas. Sprache in Rheinland-Pfalz und im Saarland, digitalisierte Version auf Regionalgeschichte.net, <https://www.regionalgeschichte.net/rheinhessen/sprache/dialektatlas-rlp-saar/begriffe-dialektatlas-rlp-saar/lautkarten/suchen.html>, abgerufen am 01.01.2022.