Rheinhessen

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uns

Karte 12: uns. Drenda, Georg: Kleiner linksrheinischer Dialektatlas. Sprache in Rheinland-Pfalz und im Saarland, S. 42.[Bild: Georg Drenda (IGL)]

Das Personalpronomen (persönliche Fürwort) uns ist in unserem Dialektraum mit drei lautlichen Haupttypen vertreten, und zwar uns, uus und iis. Die erstgenannte Form, die mit der der Standardsprache zusammenfällt, findet sich in den rheinfränkischen Dialekten sowie um Koblenz. Das Moselfränkische hat (von der Koblenzer Gegend abgesehen) Varianten ohne n: iis in der Südwesteifel und an der Obermosel, ansonsten uus. Bezeichnenderweise stimmt der Verlauf der uus/uns- und der dat/das-Grenze (s. Karte 6) annähernd, stellenweise sogar exakt überein. Der (Fast-)Zusammenfall dieser markanten Sprachlinien, zu denen noch weitere hinzukommen, hat die Dialektologen veranlasst, hier eine Grenze zwischen zwei Dialektgroßräumen anzusetzen, nämlich die, die das Moselfränkische vom Rheinfränkischen scheidet. Die uus-Variante setzt sich über das Kartenfeld hinaus nach Norden fort. Sie nimmt, von einigen uns-Inseln abgesehen, den gesamten Nordwesten Deutschlands ein bis zu einer Linie etwa Bremerhaven – Helmstedt. Ein zweites großes Areal mit Formen ohne n (uus, üüs, aus usw.) findet sich im Südwesten des deutschen Sprachgebietes (Schwaben, Schweiz).

Das Pronomen uns wird in den moselfränkischen Dialekten als uus oder oos realisiert, wenn es im Satz betont ist. Im unbetonten Fall wird der Vokal (Selbstlaut) kurz ausgesprochen, also uss, oss. Die Entwicklung von u zu o ist ein typisches Kennzeichen der Dialekte vor allem nördlich der Mosel und an der Saar. Wörter wie z. B. Hut, Fuß, Lust, Hund sind dort als Hoot, Fooß, Lost, Hond belegt. Der Typus iis geht zurück auf die umgelautete uus-Form, die verhochsprachlicht üüs lauten müsste. Da außer im Norden unseres Gebietes die Umlaute ü und ö zu i bzw. e werden – vgl. z. B. miid ‘müde’, greeßer ‘größer’ –, heißt es entsprechend iis. (Zur Grenze zwischen ü und i vgl. exemplarisch die Karte 38 neu.) Analog zu der soeben beschriebenen Entwicklung von u zu o gibt es die von i zu e. Die Variante ees resultiert aus diesem Lautwandel (vgl. z. B. auch Veh ‘Vieh’).

Kommen wir nun zum n-Ausfall in den moselfränkischen Formen. In einer Vielzahl deutscher Dialekte ist n vor Konsonant (Mitlaut), besonders vor Frikativ (Reibelaut), wie z. B. s und f, ausgefallen. Die sprachhistorische Erklärung dieses Phänomens, das durchaus vielschichtig und noch nicht gänzlich erforscht ist, lässt sich nicht in wenigen Sätzen umreißen. Bereits eine nur andeutungsweise Darstellung des Themas würde weit über den Rahmen eines „kleinen“ Dialektatlasses hinausgehen. Ich beschränke mich daher auf die Nennung einiger Dialektbeispiele, die die n-Tilgung illustrieren mögen. Für Teile Hessens sind belegt: Gããs ‘Gans’, Fẽẽster ‘Fenster’, Wããd ‘Wand’ usw. Im Schwäbischen kommen u. a. vor: sããft ‘sanft’, Hããd ‘Hand’, dẽẽke ‘denken’. Die Tilde über den Vokalen zeigt an, dass diese „durch die Nase“ gesprochen werden. Die Näselung ist gewissermaßen der Restbestandteil des ausgefallenen Nasalkonsonanten n.

Im Moselfränkischen ist n-Ausfall lediglich vor s und f belegt, und das nur in einigen Wörtern. Es sind dies Reliktformen, die sich der allgemeinen Sprachentwicklung entzogen haben und den alten Lautstand bewahren. Das Pronomen uus/iis gehört dazu. Weiter wären zu nennen: Sees ‘Sense’, Hoof ‘Hanf’ (Beispiele aus der Gegend von Dillingen/ Saar) sowie saaft ‘sanft’, ääs ‘eins’ (Beispiele aus der Gegend um Wittlich). (Vgl. zum n-Ausfall auch die Karten 13 Fenster, 14 Wein, 15 gern sowie 54 Handschuh.)

Literaturverzeichnis

Die im Text erwähnte Literatur finden Sie hier (Literaturverzeichnis).

Hinweise zu den Karten

Lesen Sie hier Hinweise des Autors zum besseren Verständnis der Atlaskarten.

Mehr zum Thema

Der obenstehende Inhalt ist entnommen aus Georg Drenda (2008): Kleiner linksrheinischer Dialektatlas. Sprache in Rheinland-Pfalz und im Saarland. Stuttgart.

Zitierhinweis

[Begriff] (Kartennummer), in: Georg Drenda (2008): Kleiner linksrheinischer Dialektatlas. Sprache in Rheinland-Pfalz und im Saarland, digitalisierte Version auf Regionalgeschichte.net, < URL >, abgerufen am TT.MM.JJJJ.

z.B.: suchen (Karte 37), in: Georg Drenda (2008): Kleiner linksrheinischer Dialektatlas. Sprache in Rheinland-Pfalz und im Saarland, digitalisierte Version auf Regionalgeschichte.net, <https://www.regionalgeschichte.net/rheinhessen/sprache/dialektatlas-rlp-saar/begriffe-dialektatlas-rlp-saar/lautkarten/suchen.html>, abgerufen am 01.01.2022.