Pfalz

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Karte 45.1 ‘Dachrinne’, Georg Drenda: Wortatlas für Rheinhessen Pfalz und Saarpfalz, S. 196. [Bild: Georg Drenda (IGL)]

Dachrinne

Bei den Bezeichnungen für die Dachrinne ist durchgängig, wenn man von einer Ausnahme absieht, das Wort Kandel beteiligt. Es kommt entweder als einfaches oder als zusammengesetztes Wort vor, und das jeweils in zwei phonetisch unterschiedlichen Formen, nämlich einer unumgelauteten und ei­ner umgelauteten: Kandel (dialektal Kannel u. ä.) sowie Kändel (dialektal Kännel u. ä.). Die Varianten mit Umlaut sind auf den Norden des Untersuchungsareals beschränkt. Alle Dialektbelege weisen kein ‑d- auf, eine Ausnahme stellt Worms dar, das neben Dachkannel und Kannel die Varianten Dachkandel und Kandel meldet.

Kandel ist ins Althochdeutsche aus lateinisch canālis ‘Röhre, Rinne, Wasserrinne’, einer Ableitung von lateinisch canna ‘kleines Rohr, Schilfrohr’, entlehnt worden. Dieses geht auf griechisch kánna ‘Rohr, Rohrgeflecht’ zurück, das wiederum ein Lehnwort aus dem Semitischen ist. Auch das Nomen neuhochdeutsch Kanal gehört in diesen etymologischen Zusammenhang. Im Mittelhochdeutschen findet sich neben kanel, kenel ‘Kanal, Röhre, Rinne’ auch eine Variante mit eingeschobenem ‑d-: kandel. Es lässt sich nicht zweifelsfrei klären, ob dialektal Kannel, Kännel auf die historischen Vorgänger ohne ‑d- zurückgehen oder ‑nd- zu ‑nn- assimi­liert wurde, wie das in den rheinfränkischen (und anderen) Dialekten regel­haft der Fall ist, man vergleiche etwa Kinner ‘Kinder’ oder finne ‘finden’. Die aus Worms gemeldeten Varianten mit ‑d- (Dachkandel, Kandel), die die einschlägigen Wörterbücher für das Rheinfränkische äußerst selten belegen, dürfen nicht voreilig als Indiz für Assimilation bei Kannel/Kännel herange­zogen werden. Es lässt sich nicht ausschließen, dass Kannel einerseits und Kandel andererseits aus verschiedenen historischen Varianten resultieren (s. o.). (Der vorliegende Wortatlas folgt dem Pfälzischen Wörterbuch (IV, 43) und setzt Kandel als Grundtypus an.)

Die verbreitete spezifizierende Komposition Dachkandel/Dachkändel umgeht die Mehrdeutigkeit von Kandel/Kändel, dessen Zweitbedeutung (ne­ben weiteren) ‘Straßenrinne, Ablaufrinne neben dem Weg’ ist. Dach lässt sich auf die Wurzel indogermanisch *(s)teg- ‘decken’ zurückführen, hat also den ur­sprünglichen Sinn ‘Bedeckung’. Auch lateinisch tēgulum ‘Decke, Dach’ sowie lateinisch toga ‘Obergewand, Toga’ und griechisch stégein ‘decken, schützen’ gehören in diesen etymologischen Zusammenhang.

Jeweils einmal sind Kandel- und Kändelrohr belegt. Das Grundwort – aus germanisch *rauza – bezeichnet ursprünglich das Schilfrohr und dann einen runden Hohlkörper. Bei den Komposita handelt es sich um verdeutlichende Wortbildungen, die die Bedeutung ‘Röhre, Rinne’ doppelt ausdrücken. Die Konstruktion ist erfolgt, als den Sprachteilhabern nicht mehr bewusst war, dass Kandel ‘Rohr’ bedeutet.

Aus der Südpfalz wird einmal Rinne (dialektal Rinn) gemeldet. Das Wort führt über mittelhochdeutsch rinne ‘Wasserfluss, Quell; Dachtraufe, Wasserleitung, Was­serröhre’ auf althochdeutsch rinna zurück. Der Ausdruck ist eine Substantivbildung zu dem Verb althochdeutsch rinnan ‘fließen, laufen’(daraus neuhochdeutsch rinnen), dem indogermanisch *rei- ‘fließen’ zugrunde liegt.

Literatur- und Ortskürzel-Verzeichnis

Die im Text erwähnte Literatur (Literaturverzeichnis) sowie eine Aufschlüsselung der Ortskürzel (Belegorteverzeichnis) finden Sie unter den entsprechenden Links. 

Mehr zum Thema

Der obenstehende Inhalt ist entnommen aus Drenda, Georg (2014): Wortatlas für Rheinhessen, Pfalz und Saarpfalz. St. Ingbert.

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