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Karte 49 ‘Türklinke’, Georg Drenda: Wortatlas für Rheinhessen Pfalz und Saarpfalz, S. 208. [Bild: Georg Drenda (IGL)]

Türklinke

Die modernen Türschlösser, ‑beschläge und ‑klinken lassen sich mit den mittelalterlichen oder frühneuzeitlichen Schließvorrichtungen nicht verglei­chen. Auch in diesem Bereich haben selbstverständlich technischer Fort­schritt und Zeitgeschmack für Veränderungen gesorgt. Obwohl die heutigen Funktionsteile des Türschlosses mit den ursprünglichen kaum noch etwas gemeinsam haben, wurden im Falle der Türklinke zum Teil die alten Be­zeichnungen auf den neuen Gegenstand übertragen.

Das Nomen Schlinke, das nicht nur als Simplex, sondern auch als Grundwort in Tür(en)schlinke (dialektal Deerschlink, Dereschlenk u. ä.) vor­kommt, ist wohl eine Ableitung von dem Verb schlingen ‘winden, flechten, verknüpfen’. Das Motiv der Wortbildung wird nachvollziehbar, wenn man sich die vormodernen Schließvorrichtungen vor Augen führt. Mit Schlinke wurde der Ziehriemen am Türverschluss bezeichnet, mit dem der innen an­gebrachte Riegel von außen hochgehoben wurde. Später hat man das Wort auf den eisernen Türriegel und dann die moderne Türklinke übertragen. Auch heute noch werden in den Dialekten verschiedene Arten von Schlingen und Schlaufen (z. B. an Kleidungsstücken) mit Schlinke bezeichnet. Die Herkunft des Verbs schlingen ist ungeklärt.

Auch Schlämpe ist sowohl als Simplex als auch als Zweitglied in der Zusammensetzung Türschlämpe (dialektal Dehrschlämb u. ä.) belegt. Hinzu kommen die Varianten Schlämpen (dialektal Schlembe) sowie Türschlämm (dialektal Deerschlemm u. ä.). Im letzten Fall liegt wohl Assimilation des aus­lautenden Lippenverschlusslautes ‑p zum Lippennasenlaut ‑m vor (vgl. auch den historischen Parallelfall mittelhochdeutsch krump, das zu neuhochdeutsch krumm wird). Das Substantiv Schlämpe ist wahrscheinlich eine Bildung zu dem Verb neuhochdeutsch schlampen aus mittelhochdeutsch slampen ‘schlaff herabhängen’. Das Nomen meint ur­sprünglich den herabhängenden Ziehriemen am alten Türverschluss (s. o.). Der originäre Sinn von Schlämpe, und zwar ‘das lose Herabhängende’ ist noch greifbar in der Zweitbedeutung des Wortes, die sich in manchen pfälzi­schen Dialekten findet, nämlich ‘herabhängende Lippe’. Das Wort gehört zu einer indogermanischen Wurzel, auf die u. a. die Ausdrücke schlaff und Lappen zurückzu­führen sind.

Das Kompositum Türklinke (dialektal Dierklink u. ä.) kommt gehäuft um Mainz vor. Etliche Male ist es als Variante neben Türschlinke belegt. Es spricht einiges dafür, dass das Wort aus der Standardsprache in die Dialekte diffundiert ist. Die Etymologie von Klinke ist nicht zweifelsfrei geklärt. Der Ausdruck könnte aus dem mittelhochdeutschen Verb klenken ‘schlingen, flechten, verflech­ten’ abgeleitet sein (dazu das Nomen mittelhochdeutsch klanc ‘Schlinge’). Damit läge die gleiche Benennungsmotivik wie bei Schlinke (s. o.) vor. Eine andere Auffas­sung stellt Klinke zu dem Verb klinken, einer Nebenform von klingen, nach dem Geräusch, das der Fallriegel verursacht.

Die zweite Komponente im einmal bei St. Ingbert belegten Türdrücker (dialektal Derdregga) ist ein von dem Verb drücken mit dem Suffixer abgelei­tetes Nomen Instrumenti. Das Benennungsmotiv erklärt sich durch die Handhabung des Mechanismus.

Griff, auch als Zweitglied in der Zusammensetzung Türgriff (dialektal Dergriff) vorkommend, ist eine Bildung zu dem Verb greifen ‘nehmen, fas­sen’. Das Nomen kommt im Althochdeutschen zuerst in Zusammensetzungen vor, z. B. anagrif ‘das Anfassen, Angreifen’ (daraus neuhochdeutsch Angriff). Mittelhochdeutsch grif hat den Sinn ‘das Greifen, Tasten; Klaue; Umfang’. In der Bedeutung ‘Vorrichtung zum Anfassen’ ist das Wort im Niederdeutschen seit dem 15. Jh. und im Hochdeutschen seit dem 17. Jh. nachweisbar. Das Benennungsmotiv ergibt sich aus der Funktion der Türklinke als Griff, mit dem die Tür geöffnet oder geschlossen wird.

Das verschiedentlich als erstes Kompositumsglied auftretende Tür- ist ein altes Wort, das sich bei gleicher Bedeutung bis zu indogermanisch *dhwer- zurück­verfolgen lässt.

Literatur- und Ortskürzel-Verzeichnis

Die im Text erwähnte Literatur (Literaturverzeichnis) sowie eine Aufschlüsselung der Ortskürzel (Belegorteverzeichnis) finden Sie unter den entsprechenden Links. 

Mehr zum Thema

Der obenstehende Inhalt ist entnommen aus Drenda, Georg (2014): Wortatlas für Rheinhessen, Pfalz und Saarpfalz. St. Ingbert.

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