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Karte 73 ‘Kinderwagen’, Georg Drenda: Wortatlas für Rheinhessen Pfalz und Saarpfalz, S. 284.[Bild: Georg Drenda (IGL)]

Kinderwagen

Das Dialektwort für den Kinderwagen ist fast durchgehend Schäse oder eine Bildung, bei der dieses Wort beteiligt ist. Hierzu gehören die Diminutiv­ableitung Schäschen sowie die Komposita Kinderschäse, Potschäse und Schäsenwagen in diminuierter Form mit ‑chen-Suffix.

Schäse (dialektal Schees u. ä.) ist übernommen aus französisch chaise ‘Stuhl’. Die­ses Wort geht zurück auf gleichbedeutend lateinisch cathedra, das wiederum mit unverändertem Inhalt aus griechisch kathédrā entlehnt wurde. In den Dialekten des Untersuchungsgebietes hat Schäse die Bedeutungen: 1. ‘leichte Kutsche’ und 2. ‘Kinderwagen’. Aus drei Orten wird das Diminutiv Schäschen (dialektal Scheesje u. ä.) gemeldet.

Die Zusammensetzung Potschäse (dialektal Boddschäs u. ä.) ist aus französisch porte-chaise ‘Tragstuhl’ entlehnt und bedeutet in den Dialekten 1. ‘Sänfte’ und 2. ‘Kinderwagen’. Die erste Wortkomponente beruht auf lateinisch portāre ‘tragen’.

Der Dialektausdruck Scheesewänche (= Diminutivform mit ‑chen zu dialektal Scheesewaan = Schäsenwagen) stellt eigentlich eine tautologische Zu­sammensetzung dar. Das Kompositum drückt die Sache doppelt aus. Bildun­gen dieser Art treten gewöhnlich auf, wenn das einfache Wort nicht mehr gedeutet werden kann, weil es ungeläufig geworden ist. Durch Hinzufügung eines verdeutlichenden Ausdrucks wird der verdunkelte Sinn wiederherge­stellt (vgl. auch z. B. Windhund, eigentlich ‘Hundhund’).

Die Bezeichnung mit dem häufigsten Vorkommen ist Kinderschäse (dialektal Kinnerschees u. ä.). Das Bestimmungswort beseitigt die Mehrdeutig­keit des Grundworts (s. o.). Außerdem ermöglicht das Kompositum die Un­terscheidung von Puppenschäse (dialektal Bobbeschees u. ä.) ‘Puppenwagen’, das zum gleichen Sachbereich gehört.

Nur wenige Male wird Kinderwagen (dialektal Kinnerwaa u. ä.) gemeldet, das wie Kinderschäse den mehrdeutigen Ausdruck Wagen näher determi­niert. Wagen ist aus gleichbedeutend germanisch *wagna- hervorgegangen und mit dem Verb bewegen verwandt. Beide Wörter lassen sich auf die Wurzel indogermanisch *ṷeĝh- ‘bewegen, ziehen, fahren’ zurückführen. Dem Nomen Kind liegt die Wurzel indogermanisch *genə- ‘gebären’ zugrunde. Die ursprüngliche Bedeutung von Kind ist demnach ‘das Geborene’. Das seltene und verstreute Vorkom­men von Kinderwagen im Arbeitsgebiet des Atlasses und die Tatsache, dass das Wort im Pfälzischen Wörterbuch nicht aufgeführt ist, lassen die Vermutung zu, dass der Ausdruck aus der Standardsprache in die Dialekte eingedrungen ist.

Literatur- und Ortskürzel-Verzeichnis

Die im Text erwähnte Literatur (Literaturverzeichnis) sowie eine Aufschlüsselung der Ortskürzel (Belegorteverzeichnis) finden Sie unter den entsprechenden Links. 

Mehr zum Thema

Der obenstehende Inhalt ist entnommen aus Drenda, Georg (2014): Wortatlas für Rheinhessen, Pfalz und Saarpfalz. St. Ingbert.

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