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Periodisierung der Sprachgeschichte

Es ist hier nicht der Ort, die Geschichte der deutschen Sprache darzustellen. Da allerdings im Kartenteil dieses Atlasses immer wieder auf ältere Sprachstufen, vor allem auf das Mittelhochdeutsche (Mhd.) Bezug genommen wird, erscheint es mir geboten, die Epochen der Sprachgeschichte kurz zu behandeln.

Die Sprachgeschichte stellt ein Kontinuum dar. Sprachlicher Wandel erfolgt nicht in plötzlichen Umbrüchen quasi von heute auf morgen. Änderungen vollziehen sich vielmehr äußerst langsam in Zeiträumen, die innerhalb eines Menschenlebens nicht überschaubar sind. Jeder Versuch einer Periodisierung der Sprachgeschichte hat daher etwas Willkürliches an sich. Dass die Sprachgeschichte dennoch in Epochen unterteilt wird, hat wissenschaftspraktische Gründe. Im Folgenden gebe ich eine äußerst knappe Übersicht über die Sprachstufen des Deutschen, ohne auf die sprachlichen Aspekte einzugehen.

Die älteste Sprachstufe des Hochdeutschen, also des Deutschen südlich der maken/machen-Linie wird als althochdeutsch bezeichnet. Im weiteren Sinne beginnt das Althochdeutsche (Ahd.) mit der zweiten Lautverschiebung, im engeren Sinne mit dem Einsetzen der handschriftlichen Überlieferung um die Mitte des 8. Jahrhunderts. Die althochdeutschen Schriftdenkmäler haben vor allem religiöse Inhalte, aber auch Weltliches ist vertreten. Die Texte umfassen u. a. Übersetzungen aus dem Lateinischen (z. B. Psalmen, das Vaterunser), Dichtungen (z. B. geistliche Lieder, Hildebrandslied) und Gebrauchsliteratur (Taufgelöbnisse, Eidesformeln, Flurbeschreibungen usw.)

Auf das Althochdeutsche folgt das Mittelhochdeutsche, dessen Beginn um das Jahr 1050 angesetzt wird. Es ist die Sprache des Minnesangs sowie der mittelalterlichen Ritterepen und Verserzählungen, die vor allem mit den Namen Gottfrieds von Straßburg, Hartmanns von Aue, Walthers von der Vogelweide und Wolframs von Eschenbach verbunden sind.

Dem Mittelhochdeutschen schließt sich um 1350 das Frühneuhochdeutsche an. Die Sprache Luthers, die im Übrigen den Grammatikern und Wörterbuchverfassern des 16. bis 18. Jahrhunderts als Vorbild galt und somit nicht ohne Einfluss auf die Entwicklung der neuhochdeutschen (nhd.) Standardsprache blieb, gehört in diesen zeitlichen Kontext. Mit etwa 1650 wird der Beginn des Neuhochdeutschen angesetzt. Diese vorläufig letzte Sprachepoche reicht bis in die Gegenwart hinein. Unsere heutige Standardsprache basiert auf dem Hochdeutschen. Die folgende Übersicht zeigt zusammengefasst die Sprachepochen des Hochdeutschen:

Althochdeutsch: 750 – 1050

Mittelhochdeutsch: 1050 – 1350

Frühneuhochdeutsch: 1350 – 1650

Neuhochdeutsch: 1650 – heute

Die Begriffe althochdeutsch, mittelhochdeutsch und frühneuhochdeutsch könnten suggerieren, dass jeweils von einer einheitlichen Sprachform die Rede ist im Sinne unserer heutigen Standardsprache. Das Deutsch des Mittelalters hatte mitnichten eine übergreifende Einheitssprache. Es gab ausschließlich eine Vielzahl von Dialekten, die nicht nur gesprochen, sondern auch geschrieben wurden. Verbindendes Merkmal der hochdeutschen Dialekte war die (partiell) durchgeführte zweite Lautverschiebung. Die deutsche Einheitssprache (Standardsprache) hat sich in einem langwierigen Prozess erst seit dem 16. Jahrhundert auf der Grundlage verschiedener Dialekte entwickelt, nicht unmaßgeblich beeinflusst durch den gezielten Eingriff von Grammatikern und Sprachlehrern. Man kann vereinfachend sagen, sie ist nur bedingt natürlich gewachsen. Die Dialekte hingegen sind autochthone Existenzformen der Sprache, die von alters her in ungebrochener sprachlicher Kontinuität stehen.

Auch das Niederdeutsche (oder: Plattdeutsche) unterteilen die Sprachhistoriker in Epochen. Die älteste Stufe ist das Altniederdeutsche, häufiger Altsächsisch genannt, von etwa 800 bis um 1150, gefolgt vom Mittelniederdeutschen bis ca. 1600. Seine Blüte erlebte das Niederdeutsche im 14. und 15. Jahrhundert als Verkehrs- und Schreibsprache im Hansegebiet. Die Hanse war ein Städtebund im Nord- und Ostseeraum zwischen dem 13. und 17. Jahrhundert. Niederdeutschsprachige Städte außerhalb Deutschlands waren u. a. Visby, Reval und Riga. Hansische Niederlassungen mit Mittelniederdeutsch als Schriftsprache gab es auch in England, Skandinavien und Russland. Mit dem Niedergang der Hanse verlor das Niederdeutsche an Bedeutung. Nach 1650 wurde in Norddeutschland die niederdeutsche Schreibsprache durch die hochdeutsche vollends verdrängt. Das Neuniederdeutsche existiert fast nur noch in mündlicher Form in einer Vielzahl von Dialekten.

Literaturverzeichnis

Die im Text erwähnte Literatur finden Sie hier (Literaturverzeichnis).

Hinweise zu den Karten

Lesen Sie hier Hinweise des Autors zum besseren Verständnis der Atlaskarten.

Mehr zum Thema

Der obenstehende Inhalt ist entnommen aus Georg Drenda (2008): Kleiner linksrheinischer Dialektatlas. Sprache in Rheinland-Pfalz und im Saarland. Stuttgart.

Zitierhinweis

[Begriff] (Kartennummer), in: Georg Drenda (2008): Kleiner linksrheinischer Dialektatlas. Sprache in Rheinland-Pfalz und im Saarland, digitalisierte Version auf Regionalgeschichte.net, < URL >, abgerufen am TT.MM.JJJJ.

z.B.: suchen (Karte 37), in: Georg Drenda (2008): Kleiner linksrheinischer Dialektatlas. Sprache in Rheinland-Pfalz und im Saarland, digitalisierte Version auf Regionalgeschichte.net, <https://www.regionalgeschichte.net/rheinhessen/sprache/dialektatlas-rlp-saar/begriffe-dialektatlas-rlp-saar/lautkarten/suchen.html>, abgerufen am 01.01.2022.