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Nachmittag
Die Tageszeit zwischen Mittag und Abend wird in etlichen Dialekten des Kartenareals nicht mit einem eigenen Wort bezeichnet. Es werden vielmehr die Ausdrücke Mittag oder Abend verwendet. Mittag (dialektal Middach u. ä) bezieht sich in diesem Fall auf die gesamte Zeitspanne zwischen 12 und etwa 17 Uhr. Eine semantische Differenzierung kann mit Hilfe von sprachlichen Zusätzen (vor allem Präpositionen) vorgenommen werden. Die Verbindung über/unter Mittag bedeutet ‘in der Mittagszeit (d. h. zwischen 12 und etwa 14 Uhr)’ und am/den Mittag bedeutet ‘am Nachmittag (d. h. zwischen etwa 14 Uhr und Sonnenuntergang)’. Als Anwendungsbeispiele seien genannt: Sie kommt über/unter Mittag versus Sie kommt am/den Mittag. Das Wort Mittag ist eine Zusammenrückung aus dem Adjektiv althochdeutsch mitti/ mittila ‘in der Mitte befindlich’ und dem Substantiv althochdeutsch tag ‘Tag’, was zuerst zu althochdeutsch mittilatag und dann zu mittitag geführt hat. Tag bezeichnete zuerst (wie noch heute) die Zeit zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang und erst später den Zeitraum von 24 Stunden zwischen Mitternacht und Mitternacht. Das Wort – germanisch *daga- – gehört vielleicht zu der Wurzel indogermanisch *dhegwh- ‘brennen’. In diesem Fall wäre die Bedeutung des germanischen Ausdrucks ‘helle, heiße Tageszeit’. Aus einem Belegort wird das Kompositum Mittagszeit genannt. Die heutige Bedeutung des Grundworts findet sich bereits in germanisch *tidi-.
Auch Abend umfasst in manchen Dialekten ein sehr breites Zeitspektrum, das den Nachmittag einschließt und somit nach der Mittagszeit beginnt und beim Eintritt der Nacht endet. Wie bei Mittag wird auch hier der lange Zeitabschnitt durch sprachliche Differenzierung strukturiert. Die für ‘Nachmittag’ gemeldeten Belege sind durchweg zweiteilig vom Typ gegen Abend (dialektal geeche Owend u. ä.). Sie grenzen sich ab vom bloßen Abend mit der Bedeutung ‘Tageszeit vom Sonnenuntergang bis zum Beginn der Nacht’. Abend geht wahrscheinlich auf ein indogermanisches Wort für ‘spät(er)’ zurück.
Nachmittag (dialektal Nummedach u. ä.) ist ein Wort, das speziell den Zeitraum nach der Mittagszeit bis zum Eintritt der Abenddämmerung bezeichnet. Es wird in den Dialekten lexikalisch-semantisch begrenzt von Mittag auf der einen und Abend auf der anderen Seite. Das Wort ist eine Zusammenrückung aus mittelhochdeutsch nāch mittem tage. Die Zusammenschreibung ist seit dem 16. Jh. belegt.
Auf lateinisch vesper/vespera ‘Abend’ ist Vesper (Femininum) zurückzuführen. Die Übernahme erfolgte im klösterlichen Bereich, wo das Wort seit dem 8. Jh. das abendliche Stundengebet der Mönche, das später bereits von etwa 16 Uhr an abgehalten wurde, bezeichnet. In der Folgezeit wurde Vesper auch für den Nachmittagsgottesdienst verwendet. Der Ausdruck fand von dort Eingang in den profanen Sprachgebrauch mit der Bedeutung ‘Vesperzeit’, d. h. ‘Nachmittag’. Vesper bezeichnet darüber hinaus in zahlreichen deutschen Dialekten die Nachmittagsmahlzeit. Das Wort, das in diesem Fall häufig Neutrum als grammatisches Geschlecht hat, stellt hierbei eine Kürzung aus Vesperbrot dar. Im Sinne von ‘Nachmittag’ ist es im Arbeitsgebiet des Atlasses lediglich einmal als Veschper belegt.
Bei Mainz findet sich der singuläre Beleg Untern (dialektal Unnern). Das Substantiv ist abgeleitet von unter ‘zwischen’, das mit lateinisch inter ‘zwischen’ verwandt ist. Untern bedeutet demnach ursprünglich ‘Zwischenzeit’. Das dazugehörige althochdeutsch untorn/untarn bezeichnet den Mittag, also die Zeit zwischen Morgen und Abend. Das Wort ist nicht in die neuhochdeutsche Standardsprache übergegangen. In den Dialekten hat es wohl seit dem 16. Jh. Bedeutungsverschiebungen durchgemacht, wobei der Aspekt ‘Zwischenzeit’ bewahrt blieb. In einem Teil der deutschen Dialekte bedeutet Untern ‘Zeit zwischen Morgen und Mittag (= Vormittag)’, in einem anderen ‘Zeit zwischen Mittag und Abend (=Nachmittag)’ und in einem dritten blieb die althochdeutsche Bedeutung ‘Mittag’ erhalten.
Literatur- und Ortskürzel-Verzeichnis
Die im Text erwähnte Literatur (Literaturverzeichnis) sowie eine Aufschlüsselung der Ortskürzel (Belegorteverzeichnis) finden Sie unter den entsprechenden Links.
Der obenstehende Inhalt ist entnommen aus Drenda, Georg (2014): Wortatlas für Rheinhessen, Pfalz und Saarpfalz. St. Ingbert.