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Pellkartoffel
Die Dialektwörter für die Pellkartoffeln sind allesamt Bildungen auf der Grundlage von Verben, die ein wallendes, sprudelndes Kochen bezeichnen. Am häufigsten kommen Formen auf der Basis von quellen vor. Das Wort bedeutet eigentlich ʻhervorsprudeln, sprudelndes Fließen von Wasser’ (vgl. das Substantiv Quelle). Althochdeutsch ist das Verb quellan mit gleicher Bedeutung bezeugt. Es besteht Verbindung zu indogermanisch *gụel(ə)- ʻherabträufeln, quellen, überrinnen’. Seit dem 16. Jh. entwickelt das Verb einen kausativen Sinn: ʻzum Sieden bringen, aufschwellen machen, absieden, siedend erweichen’. Auf ebendieser semantischen Basis beruhen die Dialektwörter für die Pellkartoffel, die auf der Grundlage von quellen gebildet sind. Zum einen liegen Komposita vor: Quellgrundbirnen (dialektal Quellgrumbeere u. ä.) und Quellkartoffeln (dialektal Quellkadoffele u. ä.) – zu den Grundwörtern vgl. die Karte 9.1. – sowie Quellmänner. Übertragenes Mann/Männchen/Männel dient in den Dialekten auch in verschiedenen anderen Fällen als Grundwort zur Bildung von Zusammensetzungen, vgl. etwa Hanselmann ʻKehlkopf’, Fettmännchen ʻFeldsalat’ und Haftemännel ʻSchließhaken an Frauen- und Kinderkleidung’ in verschiedenen Regionen der Pfalz. Zum anderen rekrutieren sich die Bezeichnungen aus substantivierten Partizipien oder verschiedenen Typen der Derivation: Gequellte, Quellte (mit Tilgung des Präfix), Gequelltene, Quelltene, Queller (mit -er-Ableitung) und Quelles-chen (-es-Ableitung + Diminuierung) (dialektal Quellesjer). Die -es-Ableitung dient in den Dialekten vergleichbar der -er-Ableitung zur Nominalbildung. Im Pfälzischen treten z. B. auf: Schwelles ʻdicker Kopf’ zum Verb schwellen, Brummes (neben Brummer) ʻHummel’ zu brummen, Schnakes (dialektal Schnoges) ʻSpaß, Posse, Streich, Witz’, Stampfes (dialektal Stambes) ʻKartoffelpüree’ zu stampfen (vgl. Karte 84.). Die substantivierten Partizipien stellen Verkürzungen dar, z. B. Gequellte aus gequellte Grundbirnen.
Auf der Basis des Partizips II von schwellen ist Geschwellte gebildet (verkürzt aus geschwellte Grundbirnen). Das zugrundeliegende schwache Verb ist als Kausativum mit der Bedeutung ‘aufgebläht, groß, dick machen’ aus dem gleichlautenden starken Verb mit dem Inhalt ‘groß, dick werden’ abgeleitet. Beide Wörter sind seit dem Althochdeutschen nachgewiesen. Das starke Verb ist als althochdeutsch swellan (mittelhochdeutsch swellen) in der auch heute noch gültigen Bedeutung belegt. Das schwache Verb (Kausativum) kommt im Althochdeutschen als biswellen (mittelhochdeutsch swellen) mit dem Inhalt ʻstauen, verstopfen’ vor. Später verschiebt sich dessen Sinn in die oben genannte Richtung. Das schwache Verb schwellen kommt in der Pfalz mit der Bedeutung ʻungeschälte Kartoffeln garen’ vor. Möglicherweise war das Bild des aufwallenden Wassers beim Sieden Motiv für die Herausbildung dieser Bedeutung, die nicht nur auf das Pfälzische beschränkt ist. Sie findet sich großräumig vor allem in den oberdeutschen Dialekten.
Ebenfalls aus einem Partizip II ist die Bezeichnung Gewellte (verkürzt aus gewellte Grundbirnen) hervorgegangen. Der zugrundeliegende Infinitiv wellen bedeutet im Dialekt ʻwallen, brodeln von Flüssigkeiten’. Das Verb lautet im Althochdeutschen wellōn ʻwogen, wallen’ und ist abgeleitet von dem Substantiv althochdeutsch wella ʻstürmische Meereswoge, Welle’, das mit dem Verb althochdeutsch wellan ʻdrehen, wälzen, winden’ zusammenhängt. Im Mittelhochdeutschen kommen beim Nomen die Inhalte ʻWalze’, Bündel (Holz, Tuch etc.)’ hinzu. Die zugehörige indogermanische Wurzel ist *ṷel(ə)‑, *ṷlē- ʻdrehen, winden, wälzen’.
Für die Südpfalz liegt der Einzelbeleg Gesonnene vor (s. auch den Kommentar zum Kontrastblatt [Anm. 1]). Das Pfälzische Wörterbuch (VI, 105) kennt nur Gesottene ʻPellkartoffeln’. Auch dieses Wort geht auf ein Partizip II zurück, nämlich das zu dem Infinitiv sieden ʻ(langsam) kochen’. Sprachhistorisch ist von indogermanisch *seut- ʻheftig bewegt sein’ auszugehen. Die zugehörige germanische Wurzel *seuþ-a- hat die Bedeutung auf ʻsieden, kochen, brodeln’ beschränkt, die sich auch bei der althochdeutschen Entsprechung siodan findet.
Einmal wird aus Rheinhessen Pellkartoffeln gemeldet. Das ist auch der in der Standardsprache übliche Ausdruck für die in der Schale gekochten Kartoffeln. Das Wort erscheint erst im 18. Jh. in schriftlichen Zeugnissen. Die erste Komponente ‘dünne Schale, Haut’ lässt sich auf das Verb altfranzösisch peler ʻschälen’ zurückführen. Als dessen Grundlage kommen zwei lateinische Wörter in Betracht, die sich möglicherweise vermischt haben, nämlich pellis ʻHaut, Fell, Pelz’ und pilāre ʻenthaaren’. Das französische Wort wurde ins Niederländische entlehnt. Im Mittelniederländischen ist das Nomen pelle ʻVlies, wolliges Fell’ und das Verb pellen ʻschälen’ nachweisbar. Über niederländische Siedler gelangten beide Wörter ins Deutsche.
Literatur- und Ortskürzel-Verzeichnis
Die im Text erwähnte Literatur (Literaturverzeichnis) sowie eine Aufschlüsselung der Ortskürzel (Belegorteverzeichnis) finden Sie unter den entsprechenden Links.
Der obenstehende Inhalt ist entnommen aus Drenda, Georg (2014): Wortatlas für Rheinhessen, Pfalz und Saarpfalz. St. Ingbert.
Anmerkungen:
"Im Falle von Gesonnene handelt es sich möglicherweise um eine Erinnerungsform, die nicht (mehr) im aktiven Wortschatz der Gewährsperson vorhanden ist und deshalb fehlerhaft aktiviert wurde. (Nicht völlig auszuschließen ist allerdings auch ein Hör- oder Schreibfehler des Explorators.)" [s. Georg Drenda: Wortatlas für Rheinhessen, Pfalz und Saarpfalz. St. Ingbert: Röhrig Universitätsverlag 2014, S.321] Zurück