Begriffsauswahl:
- Vorwort & Einleitung
- Pflanzen
- Tiere
- Nutztiere & Landwirtschaft
- Körper & Gefühle
- Gebäude & Architektur
- Alltagsgegenstände
- Kind
- Kulinarisches
- Jahres- & Tageszeit
Stechmücke
Schnake (dialektal Schnook u. ä.) ist die Bezeichnung für die Stechmücke in der Mitte und im Süden des Untersuchungsgebietes, genau dort, wo mit Mücke die Fliege bezeichnet wird (vgl. Karte 21.1.). Das Wort ist seit dem 14. Jh. als spätmittelhochdeutsch snāke überliefert. Sein Ursprung liegt im Dunkeln. Zu vergleichen sind Dialektausdrücke nordgermanischer Sprachen, z. B. nordnorwegisch snag ‘hervorspringende Spitze, Ecke’. Schnake könnte also ursprünglich ‘die Spitze, die Stechende’ bedeuten. Vereinzelt kommt das Wort im Explorationsgebiet als zweites Glied in Zusammensetzungen vor. Rheinschnake (dialektal Rhoischnok) nimmt mit der ersten Komponente Bezug auf den Fluss, dessen Altwasser- und Überschwemmungsgebiete als Herkunfts- und Brutstätte des Insekts angesehen werden. Siehschnake (dialektal Sieschnook) sowie Stechschnake (dialektal Schdeschschnoog) werden aus Belegorten gemeldet, in denen für ‘Fliege’ Schnake vorliegt. Die Kompositumsbildungen verhindern Homonymenkollision. Das Element Sieh- in der erstgenannten Zusammensetzung lässt sich nicht klar deuten. Das bei Kaiserslautern vorkommende Simplex Sies (Plural: Siese) wird wohl lexikalisch dazugehören. Benennungsmotiv könnte Lautmalerei sein nach dem Fluggeräusch des Insekts. Das Erstglied von Stechschnake ist abgeleitet vom Verb stechen. Damit wird auf eine für den Menschen unangenehme Aktivität des Insekts hingewiesen. Eine parallele Bildung ist Stechmücke (dialektal Stechmick u. ä.). Die wenigen Belege in der Nordpfalz kündigen ein sich nach Norden fortsetzendes Wortareal an, in dem das Kompositum Stechmücke dem Simplex Mücke mit der Bedeutung ‘Fliege’ gegenübersteht. Auf stechen basiert auch die Ableitung Stechert. Die Nomen-Agentis-Endung ‑er ist hier zu ‑ert erweitert. Dieses Suffix findet sich im Atlasgebiet häufig, vgl. etwa dialektal Lienert ‘Lügner’, Stinkert ‘jemand der üblen Geruch verbreitet’, Bankert ‘uneheliches Kind’ (vgl. Karte 96.) usw. Das Verb stechen geht auf die westgermanische Wurzel *stik‑a- zurück, aus der sich in den germanischen Sprachen Wörter entwickelt haben, in denen die Bedeutungsmerkmale ‹stechen›, ‹stecken›, ‹stoßen› oder ‹spitzig› enthalten sind, vgl. z. B. altnordisch steikja ‘an den Bratspieß stecken’ und gotisch sticks ‘Punkt’.
Nicht der Aspekt des Stechens, sondern der des Blutsaugens steht im Vordergrund bei der Wortbildung Blutsuckler (dialektal Blutzuckeler). Das Grundwort ist ein Nomen Agentis zu dem Verb suckeln. Dieses stellt eine Intensivbildung zu saugen dar, die im 15. Jh. zuerst als aussuckeln auftritt. Dem Verb saugen liegt gleichbedeutend germanisch *sūg‑a- zugrunde.
Pot(e)hammel, seltener Bor(e)hammel sind die Dialektwörter Rheinhessens und der Nordpfalz. Daraus abgeleitet und verkürzt sind wohl Bodemer und Bor(r)emer. Der Wechsel von ‑t‑/‑d- zu ‑r- ist mit Rhotazismus zu erklären (vgl. auch dialektal Brurer ‘Bruder’). Als Ausgangsform ist deshalb Pot(e)hammel anzusetzen. Die Herkunft des Wortes liegt im Dunkeln. Man hat versucht, es als Zusammensetzung von niederdeutsch putt ‘zart’ und mittelhochdeutsch hamme ‘Hinterschenkel’ zu erklären. Andere Deutungen setzen ‑hammel zu mittelhochdeutsch heimelīn, dem Diminutiv zu heime ‘Grille, Heimchen’, in Beziehung. Der Stammsilbenvokal ‑a- des Elements ‑hammel entspricht dabei der regulären Entwicklung von mittelhochdeutsch ei in den rheinhessischen Dialekten, vgl. z. B. auch dialektal Amer aus mittelhochdeutsch eimer ‘Eimer’. Manche Forscher führen die erste Komponente Pot(e)- auf Potte, das Dialektwort für ‘Pustel, Hautschwellung nach Insektenstich’, zurück. Anscheinend liegen auch Umdeutungen zu Pot ‘Pfote’ sowie bohren im Fall von Bor(e)hammel vor. Die Umdeutungen könnten im ersten Fall auf die langen Beine des Insekts anspielen und im zweiten auf das als Bohren verstandene Hineinstechen des Saugrüssels in die Haut des Wirts.
Bremse ist ursprünglich ein niederdeutsches Wort, das im 16. Jh. in die hochdeutsche Schriftsprache eindringt und dort das bis dahin übliche Breme verdrängt. Beiden Ausdrücken liegt die Wurzel indogermanisch *bhrem- ‘brummen, surren, summen’ zugrunde, die auf Lautnachahmung beruht. Das Mittelhochdeutsche entwickelt daraus bremen ‘brummen’, das im Neuhochdeutschen zugunsten des ablautenden brummen aufgegeben wird. Bremse ist also, etymologisch betrachtet, ‘die Brummende’.
Surri scheint eine Bildung mit ‑i-Suffix zum Verb surren zu sein, deren Motiv das summende Geräusch liefert, das die Stechmücke beim Fliegen macht. Das Verb gehört ebenso wie schwirren zu der onomatopoetischen Wurzel indogermanisch *swer‑, *sur- ‘surren’.
Das Surren der Mücke bildet die Vorlage für die Bedeutungsübertragung von Singer auf das Insekt. Singer ist eine Nomen-Agentis-Ableitung von singen. Das Verb geht über germanisch *sengw‑a- auf indogermanisch *sengwh- beide ‘singen’ zurück. Die Ausgangsbedeutung scheint ‘mit singender Stimme vortragen, rezitieren’ zu sein. In den Dialekten werden die Geräusche und Töne, die manche Tiere – nicht nur Vögel – produzieren, als singen bezeichnet.
Der Ausdruck Ojojsche ist nicht sicher zu deuten. Aus der hier wiedergegebenen Laiennotation lässt sich die Silbenstruktur und damit die Aussprache nicht erschließen. Möglich ist O‑joj‑sche oder Oj‑oj‑sche. Die Endung ‑sche stellt die dialektale Form des Verkleinerungssuffixes ‑chen dar. Ojoj- könnte auf der Interjektion oi basieren, die u. a. bei Angst und Bedrohung ausgestoßen wird. Gelegentlich kommt oi bei dieser Verwendungsweise verdoppelt (oi‑oi) oder sogar verdreifacht (oi‑oi‑oi) vor.
Literatur- und Ortskürzel-Verzeichnis
Die im Text erwähnte Literatur (Literaturverzeichnis) sowie eine Aufschlüsselung der Ortskürzel (Belegorteverzeichnis) finden Sie unter den entsprechenden Links.
Der obenstehende Inhalt ist entnommen aus Drenda, Georg (2014): Wortatlas für Rheinhessen, Pfalz und Saarpfalz. St. Ingbert.