Rheinhessen

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Karte 71.1 ‘Schaukel’, Georg Drenda: Wortatlas für Rheinhessen Pfalz und Saarpfalz, S. 278.[Bild: Georg Drenda (IGL)]

Schaukel

Das Kartenbild wird von Schaukel (dialektal Schaugel u. ä.) beherrscht. Der Ausdruck ist seit dem 17. Jh. nachgewiesen. Ältere Formen sind schuckel, schocke usw., die sich von mittelhochdeutsch schucken, schocken ‘(an)stoßen, schaukeln’ ableiten. (Auch das neuhochdeutsche Verb schunkeln gehört in diesen sprachhistorischen Zusammenhang.) Althochdeutsch ist skokka ‘das Schaukeln’ belegt. Wie die diphthon­gierte Form der heutigen Hochsprache zustande kommt, ist unklar. In den Dialekten finden sich noch Nachfolger der alten Varianten mit Mono­phthong. Das Pfälzische Wörterbuch (V, 1398) verzeichnet für Teile der Pfalz schockeln ‘schaukeln’ sowie Schockel ‘Schaukel’. Dem vorliegenden Wortatlas wur­den Formen mit einfachem Vokal jedoch nicht gemeldet. Je einmal treten die Komposita Kettenschaukel und Kinderschaukel (dialektal Kinnerschaukel) auf. Die Meldung des erstgenannten ist offenbar suggeriert durch die Abbildung, mit der die Sache vom Atlas erfragt wurde. Diese zeigte eine Seilschaukel.

Die jeweils singulär vorkommenden Ausdrücke Gautsch, Gaunsch, Gaungsch, Gangsch, Gunschel sind phonetisch-morphologische Varianten, die letztlich auf das Verb gautschen ‘schaukeln, wiegen’ zurückgehen. Die Herkunft des Wortes ist unbekannt. Es ist in den älteren Sprachstufen nicht bezeugt und erst seit dem 15. Jh. im Westoberdeutschen nachweisbar.

Auch der Beleg Tränschel tritt im Arbeitsgebiet nur einmal auf. Das Pfälzische Wörterbuch (II, 573) führt daneben noch die lautlichen Varianten Trunschel, Tron­schel usw. auf. Zu den Substantiven liegen im Dialekt Verben wie trän­sche(l)n, trunsche(l)n, tronsche(l)n usw. vor. Sie haben allesamt die Bedeu­tung ‘schaukeln’. Der Ursprung der Wörter ist nicht geklärt.

Aus der Nordpfalz wird Reite (dialektal Reid u. ä.) gemeldet. Das Nomen ist eine Rückbildung aus dem Verb reiten, das im Dialekt neben seiner Haupt­bedeutung ‘sich auf einem Reittier fortbewegen’ die Nebenbedeutung ‘schaukeln’ hat. Das Wort ist für das Germanische als *reida- ‘reiten’ rekon­struiert. Im älteren Deutsch erscheint das Verb auch mit dem allgemeinen Inhalt ‘in schaukelnder/schwingender Bewegung sein’. In diesem Sinne wurde es in Bezug auf fahrende oder vor Anker liegende Schiffe verwendet.

Die Wörter wippen und Wippe sind im 16. bzw. 17. Jh. aus dem Nie­derdeutschen übernommen worden. Mittelniederdeutsch wippen bedeutet ‘schaukeln, schlenkern, (sich) auf und nieder bewegen’. Die entsprechende mittelhochdeutsche Form weist Laut­verschiebung auf: wipfen ‘hüpfen, springen’. Althochdeutscher Vorläufer ist wiphōn ‘herumstreifen’. Es besteht Verwandtschaft mit lateinisch vibrare ‘zittern, schwin­gen’. Im Pfälzischen bezeichnet Wippe (dialektal Wibbe) nicht nur die Balken­schaukel, sondern auch die Seilschaukel, nach der gefragt wurde.

Literatur- und Ortskürzel-Verzeichnis

Die im Text erwähnte Literatur (Literaturverzeichnis) sowie eine Aufschlüsselung der Ortskürzel (Belegorteverzeichnis) finden Sie unter den entsprechenden Links. 

Mehr zum Thema

Der obenstehende Inhalt ist entnommen aus Drenda, Georg (2014): Wortatlas für Rheinhessen, Pfalz und Saarpfalz. St. Ingbert.

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