Rheinhessen

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Karte 14.1 ‘Futterrübe’, Georg Drenda: Wortatlas für Rheinhessen Pfalz und Saarpfalz, S. 80. [Bild: Georg Drenda (IGL)]

Futterrübe

Die Futterrübe heißt so, weil sie als Viehfutter dient. Die auf Feldern ange­bauten großen, ein bis anderthalb Kilogramm schweren Knollen werden in Mieten oder Silos zur Einsäuerung aufbewahrt und im Winter als Nassfutter verwendet. Das Gewächs kam einst aus dem Mittelmeerraum nach Deutschland. Es ist im 16. Jh. zuerst in der Niederrheingegend kultiviert worden.

Die Bezeichnung Futterrübe ist im Untersuchungsgebiet des Atlasses kein Dialektwort. Es liegt lediglich eine Meldung vor, die wohl eher als Ex­plorationsfehler denn als authentischer Beleg eingestuft werden kann.

Auch die im Standarddeutschen übliche Bezeichnung Runkelrübe scheint dialektal nicht verankert zu sein. Es gibt nur drei Runkel-Belege – zwei davon um Mainz –, die wohl auf hochsprachlichen Einfluss zurückzu­führen sind. Die Herkunft des Wortes Runkel ist unklar. Vielleicht besteht Verbindung dialektal Ranken/ Runken ‘großes Stück Brot, Brotkanten’ als An­spielung auf die Größe der Wurzel.

Das Format der Knolle war wohl maßgeblich für die Bildung von Dick­rübe (dialektal Dickrieb u. ä.) sowie Dickerrübe (dialektal Diggerrieb). Die Etymo­logie des Wortes Rübe (althochdeutsch ruoba), das im Arbeitsgebiet auch als Simplex (dialektal Rieb) für ‘Futterrübe’ vorkommt, ist nicht geklärt. Es besteht Verbin­dung zu gleichbedeutend lateinisch rāpa, aus dem deutsch Raps entlehnt ist. Dick- als Bestimmungswort findet sich im Erhebungsgebiet ein zweites Mal, und zwar in der Verbindung mit ‑wurz(el) als Dickwurz (dialektal Dickwortz u. ä.) und Dickwurzel (dialektal Dickworzel u. ä.). Das Wort Wurz – germanisch *wurti- – hatte bis ins Frühneuhochdeutsche die Bedeutungen ‘Pflanze, Wurzel, Kraut’. Ab dann verschwand es allmählich aus der Schriftsprache und vielen Dialekten. Le­diglich im Oberdeutschen ist Wurz als Simplex in der Bedeutung ‘Wurzel’ bis heute erhalten geblieben. Der alte Inhalt ‘Pflanze’ ist allerdings noch in verschie­denen Pflanzennamen greifbar, vgl. z. B. Nieswurz, Bärwurz und Blutwurz. Wurz im Sinne von ‘Wurzel’ wurde im Frühneuhochdeutschen abgelöst von Wurzel, das ebenfalls ein altes Wort ist, im Althochdeutschen als wurzala bezeugt. Die germanische Grund­lage *wurtwalu- ist ein Kompositum, dessen erstes Glied zu germanisch *wurti- ‘Wurzel, Kraut’ (s. o.) gehört. Das im Althochdeutschen zu ‑ala abgeschwächte Grund­wort ist mit gotisch walus ‘Stab’ verwandt. Das Kompositum bezeichnete also ursprünglich wohl eine Pfahlwurzel und wurde später verallgemeinert.

Größe und Form der Futterrübe werden wahrscheinlich das Motiv für die Bedeutungsübertragung von Klumpen ‘unförmige, zusammengeballte Masse; Brocken’ gebildet haben. Das lautmalende Wort ist aus dem Niederdeutschen ins Hochdeutsche übernommen worden. Mittelniederdeutsch klump(e) hängt wohl mit dem Verb germanisch *kleiba- ‘kleben, haften’ zusammen. Die Ausgangsbedeutung von Klumpen ist demnach ‘etwas Zusammengeballtes, Zusammengeklebtes’.

Das Nomen Rummel lässt sich nicht eindeutig herleiten. Vielleicht be­steht ein Zusammenhang mit mittelhochdeutsch rumbe ‘Rübe’, einer Nebenform zu mittelhochdeutsch ruobe (aus althochdeutsch ruoba). Dieses Wort war zuerst umlautlos, erst in mittelhochdeutscher Zeit erfolgte Umlautung zu rüebe. Auf die umlautlose Variante mittelhochdeutsch ruobe ist auch Rubel (dialektal Ruwel, mit Entwicklung von ‑b- zu –w‑, vgl. auch z. B. lewe ‘leben’) zurückzuführen. Möglicherweise hat sich Rummel auch aus Ruwel ergeben. Wie Rummel scheint auch Rumbes zu mittelhochdeutsch rumbe ‘Rübe’ zu gehören. Die Endung ‑es dient im Dialekt zur Bildung von Substantiven, vgl. beispielsweise Drilles ‘Kreisel’ (vgl. Karte 70.1.), Schnorres ‘Schnurrbart’ und Drolles ‘wohlgenährtes kleines Kind’.

Die Komposita Kuhrübe und Saurübe verweisen auf das Vieh, an das die Knollen im Winter verfüttert werden. Bei Saurübe ist möglicherweise alternativ vom Adjektiv sauer auszugehen. Die Zusammensetzung wäre in diesem Fall aus Sauerrübe (vom Pfälzischen Wörterbuch V, 787 belegt) gekürzt. Das Motiv für die Wortbildung könnte das Einsäuern der Rüben in Mieten liefern.

Die Bezeichnung Weiße Rübe bezieht sich offenbar auf die Farbe des Fruchtfleisches. Rotrübe hingegen verweist auf die Farbe der Rübenrinde. Diese ist gewöhnlich gelb, aber es gibt auch Sorten mit rötlicher Färbung. Zur Unterscheidung wird die Rote Bete durch das Grundwort differenziert. Sie heißt im Dialekt Rotrahne (vgl. Karte 11.).

Mit Bastard (dialektal Baschtard) wird eine Kreuzung zwischen Futter und Zuckerrübe benannt. Das Wort bezeichnet allgemein ein ‘uneheliches Kind’ oder einen ‘Mischling'. Es ist im 13. Jh. aus dem Französischen entlehnt worden, wo es für den ‘anerkannten außerehelichen Sohn eines Adligen’ steht.

Das Kompositum Seichrübe (dialektal Sächrieb) lässt sich nicht deuten. Das Bestimmungswort fällt lautlich mit dem Stamm des Dialektverbs seichen ‘urinieren’ zusammen. Eine plausible Erklärung scheint es für die Zusam­mensetzung nicht zu geben. Vielleicht liegt volksetymologische Umdeutung vor.

Literatur- und Ortskürzel-Verzeichnis

Die im Text erwähnte Literatur (Literaturverzeichnis) sowie eine Aufschlüsselung der Ortskürzel (Belegorteverzeichnis) finden Sie unter den entsprechenden Links. 

Mehr zum Thema

Der obenstehende Inhalt ist entnommen aus Drenda, Georg (2014): Wortatlas für Rheinhessen, Pfalz und Saarpfalz. St. Ingbert.

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