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Hagebutte
Hagebutten sind die Früchte der Heckenrose. Wegen ihres angenehmen Geschmacks werden sie seit alters als Lebensmittel (Mus, Aufgussgetränk) geschätzt. Auch die Volksheilkunde verwendet das Gewächs zu verschiedenen therapeutischen Zwecken, z. B. als harntreibendes Mittel.
Das erste Glied des zusammengesetzten Wortes Hagebutte geht zurück auf mittelhochdeutsch hac ‘Dornbusch, Gebüsch’, das zweite ist unklar. Es besteht vielleicht Verbindung zu oberdeutsch Butzen ‘Klumpen, Haufen, Schlacke’. Damit könnte eine Anspielung auf die rundliche Form der Frucht gegeben sein. In den Dialekten erscheint das Kompositum überwiegend mit zu ‑ch- spirantisiertem ‑g-: Hachebutt. Einmal ist das Diminutiv Haachebuttel belegt.
Die Formen Hawodel, Hawod, Hanoddel, Hoopoddel, Hompuddel, Rawudel, Kawodel sind Spielarten des Ausgangswortes, bei denen die sprachschöpferische und sprachspielerische Phantasie der Sprachgemeinschaft den ursprünglichen Wortkörper stark verändert hat. Nur einige sprachliche Phänomene lassen sich hierbei unter eine Regel des Dialekts fassen: 1. Kürzung des ersten Teils Hage- zu Ha-/Hoo- z. B. in Hawod(el), Hoopoddel (vgl. hierzu auch dialektal Daa ‘Tage’). 2. Entwicklung von ‑b- zu ‑w- z. B. in Hawod(el), Rawudel (vgl. auch dialektal Lewe ‘Leben’). 3. Schwächung von ‑t- zu ‑d- z. B. in Hanoddel, Kawodel (vgl. auch dialektal Budder ‘Butter’). Aber möglicherweise sind die Dialektausdrücke das Resultat von Entwicklungen, die der Sprachwitz des Volkes nur zufällig mit einer Sprachregel zusammenfallen ließ. Fast allen Formen gemeinsam ist ‑l am Wortende als Kennzeichen der Verkleinerung (‑l-Suffix). Motiv für die Diminution ist sicherlich der kleine Fruchtkörper des Gewächses.
Auf die leicht abführende Wirkung der Hagebutte, die sich die Volksmedizin zu Nutze macht, spielen die Zusammensetzungen mit Arsch- an. Das Wort (aus indogermanisch *arso- ‘Hinterteil’) wird dabei mit verschiedenen Ableitungen von den Verben kitzeln oder kratzen kombiniert, z. B. Arschkitzel, Arschkitzerle sowie Aschkratzelche, Arschgrezche. Dabei sind Diminutivbildungen in nicht unerheblicher Zahl vertreten, z. B. Arschkitzelche und Aschkrätzelche. Zu Arschkitzler/ Arschkratzer hat das Französische in gratte-cul ‘Hagebutte’ eine analoge Bildung, zusammengesetzt aus französisch gratte ‘kratzen’ und französisch cul ‘Gesäß’. Unklar ist, ob das Französische die deutsche Wortbildung beeinflusst hat oder ob dasselbe Motiv hier wie dort unabhängig voneinander zur Wirkung kam. Bei Kitzelasch liegt Vertauschung der Kompositumskomponenten vor. Strukturell ist damit eine unmittelbare Entsprechung vor französisch gratte-cul gegeben.
Bei den Diminutiven A(r)schkatzel, Aschkätzje, Aschkätzelche handelt es sich um Umdeutungen aus Arschkitzel/Arschkratzel. Die Anlehnung erfolgt wohl weniger an das Tier Katze als vielmehr an Kätzchen als Bezeichnung für die Blütenstände verschiedener Gehölze, z. B. der Weide, des Haselstrauchs und der Birke.
Das einmal belegte Wildrose ist eigentlich ein anderes Wort für Heckenrose. In diesem Fall hat die Frucht der Pflanze keine eigene Benennung, sondern ist nach dem Strauch benannt. Das Wort Rose (seit dem 9. Jh. bezeugt) ist aus lateinisch rosa entlehnt, das aus dem Griechischen übernommen wurde.
Das aus Hagebutten hergestellte Mus und Aufgussgetränk findet wegen seiner harntreibenden Wirkung in der Volksmedizin Anwendung bei Gicht und Rheuma. Die einmal gemeldete Zusammensetzung Gichtrose hat also den heilkundlichen Aspekt der Frucht als Bildungsmotiv.
Hagebuttenkerne sind mit feinen widerhakenartigen Härchen überzogen, die Juckreiz hervorrufen, wenn sie mit der Haut in Berührung kommen. Kinder haben früher (heute wohl kaum noch) diesen Effekt genutzt, um aus dem Samen Juckpulver herzustellen. Diese spezielle Verwendung der Hagebutte hat zu der Bezeichnung Juckpulver (dialektal auch Juckbulwer) geführt. Das Wort Pulver ist aus lateinisch pulvis ‘Staub, Pulver’ entlehnt.
Das Wort Judenzickel (dialektal Jurreziggel, mit d-Rhotazismus, vgl. auch dialektal Brurer ‘Bruder’) lässt sich nicht zuverlässig deuten. Es kommt, auch nach Auskunft des Südhessischen Wörterbuches (III, 1002), endemisch in Essenheim (Es; bei Mainz) vor. Wahrscheinlich liegt der Wortbildung eine spezielle lokale Motivation zugrunde.
Literatur- und Ortskürzel-Verzeichnis
Die im Text erwähnte Literatur (Literaturverzeichnis) sowie eine Aufschlüsselung der Ortskürzel (Belegorteverzeichnis) finden Sie unter den entsprechenden Links.
Der obenstehende Inhalt ist entnommen aus Drenda, Georg (2014): Wortatlas für Rheinhessen, Pfalz und Saarpfalz. St. Ingbert.