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Kartoffel
Eines der wichtigsten Grundnahrungsmittel in Deutschland stellt die Kartoffel dar. Als sättigende Beilage zu Fleischgerichten gehört sie in der Alltagsküche zum gängigen Standard. Die Knollenfrucht kam im 16. Jh. aus Südamerika nach Europa, und zwar auf zwei voneinander unabhängigen Wegen, wie es scheint. Es waren auf der einen Seite spanische Seefahrer, die die Kartoffel in ihre Heimat brachten. Von dort aus begann anschließend die Ausbreitung über Italien ins übrige Europa. Ein zweiter Weg führte das Gewächs von Südamerika auf die britischen Inseln, wohin es durch englische Seefahrer gelangte. Wegen ihrer schönen Blüten wurde die Kartoffelpflanze zunächst als Exotikum in Ziergärten kultiviert. Erst im 18. Jh. erfolgte der Anbau als Nahrungsmittel auf Feldern.
Auf Grund ihrer Ähnlichkeit mit der ebenfalls in der Erde wachsenden Trüffel wurden in Italien die vorhandenen Bezeichnungen für die Trüffel, nämlich tartuficolo u. ä. auf die neu eingeführte Erdknolle übertragen. Das italienische Wort ist auf spätlateinisch *terrae tūfer ‘Erdtrüffel’, dieses aus lateinisch terrae tūber ‘Erdknolle’ zurückzuführen. Mit der Kartoffel gelangte im 17. Jh. auch die italienische Bezeichnung nach Deutschland, die darauf zu Tartuffel u. ä. eingedeutscht wurde. Der Wandel des anlautenden T- zu K- in Kartoffel lässt sich als Dissimilation erklären.
Das Wort Kartoffel (dialektal Kadoffel u. ä.) kommt im Arbeitsgebiet des Atlasses nur in Rheinhessen vor. Die Belege gehören zu einem weiträumigen Kartoffel-Gebiet, das sich rechtsrheinisch anschließt und bis nach Norddeutschland erstreckt.
Zumindest bis zur Mitte des 18. Jh. scheint das in der Karte dominierende Grundbirne auch in ganz Rheinhessen gegolten zu haben. Der älteste bisher bekannte schriftliche Beleg für das Wort stammt von 1719 aus Kaiserslautern. Der in typisierter Form als Grundbirne anzusetzender Ausdruck kommt in den Dialekten des Erhebungsraums als Grumbeer, Grumbier u. ä. vor. Die lautliche Entwicklung von (Gru)nd- zu (Gru)m- beruht auf Assimilation (nd > n > m) an das folgende ‑b- von ‑beer. Grund hat in dem vorliegenden Kompositum die Bedeutung ‘Erdboden’. Das Wort geht zurück auf germanisch *grundu- mit gleichem Inhalt. Bei der zweiten Komponente ‑beer, ‑bier usw. handelt es sich um das Dialektwort für das Kernobst(gewächs) Birne. Der Ausdruck lässt sich über mittelhochdeutsch bir, bire bis althochdeutsch bira, pira zurückverfolgen. Er ist ins Germanische aus gleichbedeutend lateinisch pira entlehnt worden. Die Bezeichnung wurde zusammen mit der Sache von den Römern übernommen. Das ‑n- in standarddeutsch Birne wurde aus den flektierten Formen des Wortes in den Nominativ Singular übernommen, vgl. mittelhochdeutsch biren (Nominativ Plural).
Die Bildung des Kompositums Grundbirne ist durchsichtig: Das Erstglied bezieht sich auf den Ort, wo die Erdfrucht heranwächst. Das Zweitglied stellt eine Übertragung der Bezeichnung für die Baumfrucht auf Grund von Ähnlichkeit dar. Die Wortbildung zeigt das gleiche Muster wie Erdapfel (s. u.). Das rheinhessisch-pfälzische Grundbirne-Gebiet setzt sich nach Norden (linksrheinisch) bis an die Ahr und nach Süden bis ins Elsässische und Schwäbische fort.
Einmal ist in der Pfalz neben Grundbirne Erdapfel (dialektal Erdappel) als Variante belegt. Nach Auskunft des Pfälzischen Wörterbuches (II, 925) handelt es sich bei dem Wort um die Bezeichnung für die Topinambur, die etwa zeitgleich mit der Kartoffel aus Nordamerika nach Europa kam. Zudem zeigt die Karte des Deutschen Wortatlasses (XI, 4/5) keinen Erdapfel-Eintrag für ‘Kartoffel’ in der Pfalz. Der von der Gewährsperson des vorliegenden Atlasses gemeldete singuläre Beleg muss deshalb mit einem Fragezeichen versehen werden. In anderen Dialekten hingegen, sehr verbreitet im Oberdeutschen, ist Erdapfel als autochthone Bezeichnung der Kartoffel verankert. Als Lehnübersetzung aus lateinisch mālum terrae wurden mit Erdapfel (althochdeutsch erdaphul) zunächst verschiedene Früchte bezeichnet, die im oder auf dem Erdboden wachsen, wie der Kürbis, die Melone und die Gurke. Im 17. Jh. wurde das Wort auf die Knolle der neu hinzugekommenen Kartoffel- bzw. Topinamburpflanze übertragen (vgl. auch französisch pomme de terre ‘Kartoffel’).
Literatur- und Ortskürzel-Verzeichnis
Die im Text erwähnte Literatur (Literaturverzeichnis) sowie eine Aufschlüsselung der Ortskürzel (Belegorteverzeichnis) finden Sie unter den entsprechenden Links.
Der obenstehende Inhalt ist entnommen aus Drenda, Georg (2014): Wortatlas für Rheinhessen, Pfalz und Saarpfalz. St. Ingbert.