Rheinhessen

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Karte 13.1 ‘Feldsalat’, Georg Drenda: Wortatlas für Rheinhessen Pfalz und Saarpfalz, S. 74. [Bild: Georg Drenda (IGL)]

Feldsalat

Der Feldsalat, der zu den Baldriangewächsen gehört, wurde ursprünglich als Wildsalat auf Wintergetreidefeldern und in Weinbergen gesammelt, wo er als Unkraut wächst. Das Ziehen in Gärten setzte wahrscheinlich erst nach 1700 ein. Durch Auslesezüchtung wurde darauf die Wildform zur Kultur­pflanze umgewandelt. Aber noch heute wird in Weinbaugebieten wilder Feldsalat zum Verzehr gepflückt.

Die Bestimmungswörter in den Zusammensetzungen Feldsalat, Acker­salat und Wingertsalat verweisen auf die ursprüngliche Herkunft der Pflanze. Wingert ist das Dialektwort für ‘Weinberg’. Eigentlich bedeutet es ‘Weingarten’, hervorgegangen aus mittelhochdeutsch wīngart(e). Das Grundwortsalat ist eine seit dem 15. Jh. bezeugte Entlehnung aus italienisch salata. Das ist eine Nebenform von insalata ‘das Eingelegte, Marinierte’, ursprünglich: ‘das Eingesalzene’ zu italienisch (in)salare ‘einsalzen’ (vgl. lateinisch sāl ‘Salz’). Salat be­zeichnet zuerst die Speise und dann die hierfür verwendeten Pflanzen.

Rapunzel, seit dem 16. Jh. belegt, ist eine Entlehnung aus italienisch rapon­zolo. Dieses stellt eine dialektale Diminutivform zu italienisch rapa ‘Rübe’ dar (vgl. dazu gleichbedeutend lateinisch rāpum). Wie erklärt sich, dass ein die Rübe bezeichnendes Wort für die Benennung des Feldsalats verwendet wird? Mit Rapunzel bezog man sich zuerst auf eine Glockenblumenart. Von dieser Pflanze wurden nicht nur die Blätter, sondern auch die rübenförmigen Wur­zeln als Salat verzehrt. Die Ähnlichkeit des Gewächses mit dem Feld­salat ist groß. Beide haben rosettenartig angeordnete Blätter, beide wachsen in ihrer Wildform auf Äckern und in Weinbergen, beide waren früher als Wintersalat sehr geschätzt. Es wird angenommen, dass die Pflanzen wegen ihrer Ähn­lichkeit mit dem gleichen Wort benannt wurden, falls nicht Ver­wechslung die Ursache der Bezeichnungsgleichheit ist. Die Dialektform Rawunzel ist eine lautliche Variante von Rapunzel mit der Entwicklung von stimmlosem ‑p- über stimmhaftes ‑b- zur Spiransw- (vgl. auch z. B. dialektal Gawwel ‘Ga­bel’).

Der winterharte Feldsalat grünt im Herbst und Winter auf Feldern, in Weinbergen und Gärten. Er wird vorzugsweise in der kalten Jahreszeit ver­zehrt. Der Ausdruck Wintersalat weist darauf hin.

Dollerchen ist eine Diminutivableitung von Doller. Dieses Wort wird auf Dotter zurückgeführt, wobei in den Dialekten Wandel von ‑t- zu ‑l- er­folgt. Mögliche Grundlage könnte aber auch eine nicht belegte mittelhochdeutsche Neben­form *toler zu toter/tuter ‘Dotter’ sein. Das Motiv für die Benennung des Feldsalats mit Dotter ist nicht klar.

Man kann in den Blättern des Feldsalats eine Ähnlichkeit mit Maus­ohren erblicken. Damit ist das Motiv für die metaphorische Bezeichnung Mausohr gegeben, die darüber hinaus in anderen Formen vorkommt: Maus­ohren (Pl.), Mausöhrchen/ Mausöhrcher (Diminutiv Sg./ Pl.) und Maus­öhrchensalat.

Eine andere Wahrnehmung der Feldsalatpflanze kommt in dem Dimi­nutiv Vielläppchen zum Ausdruck. In diesem Fall werden die Blätter als Läppchen aufgefasst. Die Zusammensetzung mit Viel- zu Vielläppchen er­gibt sich aus der Tatsache, dass stets mehrere Blätter der Pflanze in einer Rosette stehen. Die Laienexploratoren des Atlasses notieren die Belegwörter durchgehend mit F- (Fillepsche usw.). Daraus ist zu schließen, dass das Bil­dungsmotiv des zusammengesetzten Wortes heute nicht mehr im Bewusst­sein der Sprecher ist. Deutlich wird das auch bei Dialektformen wie Fillip­che, die volksetymologische Anlehnung an das Diminutiv des männlichen Vornamens Philipp zeigen. Die Bezeichnung kommt häufig in der Plural­form Vielläppcher (dialektal Fileppcher u. ä.) vor. (Im Arbeitsgebiet lautet das ‑chen-Suffix im Sg. ‑che und im Pl. ‑cher.) Daneben ist einmal die Zusam­mensetzung Vielläppchersalat belegt.

Die mit einer Form von Lamm gebildeten Wörter Lämmerweide (dialektal Lämmerwääd), Lämmerwert sowie Lämmerle verweisen auf die Salat­pflanze als beliebtes Futter der Schafe im Frühling. Bei Lämmerwert handelt es sich wahrscheinlich um eine hyperkorrekte verhochdeutschende Schreib­weise von dialektal Lämmerwääd.

Arschdörner (dialektal Aschdern) ist vom Südhessischen Wörterbuch (I, 350) als Sg. Arschdorn belegt. Das Wort scheint exklusiv im Mainzer Stadtteil Gonsen­heim vorzukommen (vgl. auch Valentin 1934, 115). Als Ausgangspunkt ist wohl Erdstern, bezogen auf die Blattrosette der Pflanze, die Assoziationen an einen Stern weckt, anzunehmen. In den Dialekten um Mainz hatte sich mittelhochdeutsch ë vor r zu dunklem a entwickelt (vgl. z. B. Hads ‘Herz’, schdaarwe ‘sterben und Aad ‘Erde’). Entsprechend der Regel musste Erdstern im Dia­lekt *Aadschdaan gelautet haben. In den 1920er Jahren waren die a-haltigen Wörter nur noch bei der alten Bauernbevölkerung feststellbar. Ansonsten waren die Formen mit a durch schriftsprachlichen sowie stadtsprachlichen Einfluss von Mainz durch Formen mit e ersetzt. Altes *Aadschdaan war wahrscheinlich schon viel früher unverständlich, weil es in den 1920er Jah­ren bereits zu Arschdorn umgedeutet vorliegt.

Kaum zu deuten sind Ritscher, Ritsche, von denen das erste auch in der Zusammensetzung Ritschersalat vorkommt. Vielleicht handelt es sich um Ableitungen zum Verb rutschen, das in den Dialekten auch in umgelauteter Form, also rütschen (dialektal ritsche) vorkommt. Möglicherweise hat man das grundständige Wachstum der Blattrosetten des Feldsalats als ‘Über-den-Bo­den-Rutschen’ aufgefasst und die Pflanze entsprechend Ritscher bezeichnet.

Ranukel ist eine Vereinfachung von Ranunkel. Im Standarddeutschen bezeichnet das Wort den Hahnenfuß. Der Ausdruck ist eine Eindeutschung des wissenschaftlichen lateinischen Terminus ranunculus für ‘Hahnenfuß’.

Nicht zu deuten ist der vom Laienexplorator als Lahre verschriftlichte Beleg.

Literatur- und Ortskürzel-Verzeichnis

Die im Text erwähnte Literatur (Literaturverzeichnis) sowie eine Aufschlüsselung der Ortskürzel (Belegorteverzeichnis) finden Sie unter den entsprechenden Links. 

Mehr zum Thema

Der obenstehende Inhalt ist entnommen aus Drenda, Georg (2014): Wortatlas für Rheinhessen, Pfalz und Saarpfalz. St. Ingbert.

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