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Johannisbeere
Mit Johannisbeere wird sowohl der zur Gattung Ribes gehörende Strauch als auch seine Frucht bezeichnet. Das erste Glied der Wortzusammensetzung verweist auf Johannes den Täufer, genauer: auf den Gedenktag des Heiligen am 24. Juni. Um diese Zeit reifen die Früchte des Strauchs. Das ‑i- in Johannis- stammt wohl aus einer flektierten Form des Namens Johannes. Das Wort Beere, das kleine, saftige Früchte bezeichnet, ist seit dem 8. Jh. (althochdeutsch beri) überliefert. Die weitere Herkunft des auch in anderen germanischen Sprachen vorkommenden Wortes (vgl. englisch berry ‘Beere’) ist nicht geklärt. In den Dialekten des Untersuchungsgebietes kommen Belege mit dem Zweitglied ‑beere äußerst selten vor: Hansbeer, Hansgebeer und Gehonnsbeer sind jeweils einmal und Johannisbeer (vielleicht unter standardsprachlichem Einfluss stehend) zweimal vertreten.
Das übliche Grundwort ist –traube, z. B. in Gehanstraub. „Verhochdeutscht“ lautet das Kompositum also Johannistraube. Historisch betrachtet ist dies auch die ältere Form, die im 15. Jh. als iohans drubelin (= Johannisträublein) erscheint. Erst seit dem 16. Jh. ist Johannisbeere bezeugt. Die Benennung mit ‑traube ist auf den Fruchtstand der Johannisbeere zurückzuführen, der dem der Weinrebe, also der Weintraube gleicht. Die Herkunft von Traube (althochdeutsch drūbo) liegt im Dunkeln. Das Wort gehört zu einer Gruppe von Ausdrücken, die ‘Büschel, Haufen’ u. ä. bedeuten. Dazu zählen z. B. ostfriesisch Drūvel ‘Büschel von Früchten/Beeren’ und bairisch Trauppen ‘Haufen von Einzelsachen’. In dem Kompositum Gehonnsdreibche kommt das Wort als Diminutiv (‑träubchen) vor.
Das Bestimmungswort Johannis- ist in der der Standardsprache entsprechenden Vollform in dialektal Johannisbeer vertreten. Einmal wird Johannestraub genannt. Ansonsten kommt der Name in anderen Varianten vor. Es wird vermutet, dass Gehans- (Gehanstraub) eine Hyperkorrektion von Johannes darstellt, bei der J- durch G- ersetzt wurde. Grund für die Hyperkorrektion ist eine übergeneralisierte Regelanwendung. In den Dialekten, in denen anlautendes g- zu j- wurde (vgl. z. B. jut ‘gut’), ersetzen die Sprecher, wenn sie eine korrekte Sprechweise anstreben, folgerichtig dialektales j- durch g-. Diese Regel wird aber auch auf Fälle ausgedehnt, bei denen sie nicht angebracht ist, wie eben Johannes. Im Rheinfränkischen gab es den Wandel von g- zu j- wohl kaum, folglich muss hyperkorrektes Gehans- aus einer Region mit dieser Lautentwicklung eingedrungen sein. Die Abschwächung von ‑o- der ersten Silbe Jo- zum Schwa-Laut in Ge- (= [gə]) hängt mit den Betonungsverhältnissen zusammen. Da der Wortakzent auf der zweiten Silbe des Wortes liegt (Johánnes), kann der Vokal der unbetonten ersten Silbe phonetisch zu Schwa reduziert werden, ja er kann sogar wie in Ghans- (Ghanstraub) vollkommen schwinden.
Vollständigen Schwa-Ausfall weist auch die unbetonte dritte Silbe von Johannes auf, wodurch sich dialektal Gehans- ergibt. Der akzenttragende Vokal ‑a- der Namenform kann zu ‑o- verdumpfen: Gehonns‑.
Aus Ghans- kann durch Tilgung des Hauchlauts und Wegfall des Stimmtons bei G- Kans- (Kanstraub) werden. Bei Konstraub erfolgte in der ersten Silbe Verdumpfung von ‑a- zu ‑o-. Eine Weiterentwicklung – vielleicht unter dem Einfluss des Diminutivsuffixes ‑el – stellt Kannelstraub dar.
Mit der Kurzform Hans von Johannes sind die Zusammensetzungen Hansbeer und Hanstraub sowie – mit eingeschaltetem ‑ge- – Hansgebeer und Hansgetraub gebildet. Möglicherweise sind die beiden letztgenannten Wortvarianten aber das Ergebnis von Silbenvertauschung Gehanstraub > Hansgetraub usw.
Literatur- und Ortskürzel-Verzeichnis
Die im Text erwähnte Literatur (Literaturverzeichnis) sowie eine Aufschlüsselung der Ortskürzel (Belegorteverzeichnis) finden Sie unter den entsprechenden Links.
Der obenstehende Inhalt ist entnommen aus Drenda, Georg (2014): Wortatlas für Rheinhessen, Pfalz und Saarpfalz. St. Ingbert.