Begriffsauswahl:
- Vorwort & Einleitung
- Pflanzen
- Tiere
- Nutztiere & Landwirtschaft
- Körper & Gefühle
- Gebäude & Architektur
- Alltagsgegenstände
- Kind
- Kulinarisches
- Jahres- & Tageszeit
Kiefernzapfen
Kiefernzapfen waren in früheren Zeiten ein beliebtes Kinderspielzeug. Die Natur lieferte es kostenlos und in großen Mengen. Auf kindliche Phantasie ist wohl zurückzuführen, dass die Fruchtstände mit Haustieren assoziiert und dementsprechend benannt wurden. Die Ausdrücke erscheinen häufig verniedlicht als Diminutive. Folgende Tiere finden sich in den Dialektbezeichnungen für den Kiefernzapfen:
1. der Hahn in: Gockel, Gockelchen, Hahnengockel, Gückel, Hähnel (zu den Dialektwörtern vgl. Karte 30.),
2. das Huhn in: Glucke, Gluckelchen, Hünkelchen, Biebelchen (Bieb ist ein lautmalendes, kindersprachliches Wort für ‘Huhn’) (vgl. die Karten 28. und 29.),
3. das Schaf in: Schäfchen, Schäfel, Schäfelchen,
4. das Schwein in: Butzel (vgl. Karte 31.1.),
5. die Katze in: Katzel.
Manchmal wird die übertragene Tierbezeichnung mit einem Bestimmungswort kombiniert, das auf den Nadelbaum hinweist: Tannengockel, Tannengückel, Forlebiebel, Lärchenbiebelchen, Kiefernbutzel, Tannenbutzel. (Zu den Dialektwörtern für ‘Kiefer’ vgl. Karte 3.1.)
Möglicherweise ist das oben genannte Butzel nicht an ‘Schwein’ anzuschließen. Alternativ kann eine Ableitung von oberdeutsch Butzen ‘Klumpen, Schlacke’ erwogen werden. In diesem Fall wäre die Bedeutungsübertragung durch die rundlich-gedrungene Form des Kiefernzapfens motiviert.
Es ist nicht ganz auszuschließen, dass es sich bei Gockel erst um eine sekundäre Anlehnung an das Haustier handelt. Den eigentlichen Ausgangspunkt könnte das Verb mittelhochdeutsch gogeln ‘flattern, sich hin und her bewegen’ bilden. Das Bezeichnungsmotiv würden hier die im Wind an den Baumzweigen schwingenden Fruchtstände liefern. Gockel hätte in diesem Fall als ursprüngliche Bedeutung ‘der Schwingende’. Ein ähnliches Benennungsmotiv könnte auch hinter Bummer mit den Varianten Bummerle und Kunenbummer stehen. Als zugrundeliegendes Verb wäre bumbeln ‘baumeln’ anzusetzen und Bummer als ‘Baumler’ zu verstehen. (Zu Kune ‘Kiefer’ vgl. Karte 3.1.)
Das Wort Surr lässt sich nicht klar deuten. Man hat versucht, es an das (lautmalende) Verb surren anzuknüpfen, das im Pfälzischen die Bedeutung ‘schnell laufen, rennen’ hat. Das wenig überzeugende Motiv für die Bezeichnung der Sache mit Surr wird folgendermaßen erklärt: Kiefernzapfen sind leicht brennbar. Wenn man sie ins Feuer wirft, springen (surren) sie geräuschvoll heraus.
Für Hutzel, auch vorkommend als Hutzelchen, Kiefernhutzel sowie Tannenhutzel, bieten sich verschiedene Deutungsmöglichkeiten an. Das Wort könnte 1. eine lautliche Spielart von Butzel (s. o.) sein, 2. aus dem Verb hutzeln ‘schrumpfen’ rückgebildet sein (Kiefernzapfen sehen trocken und ausgedörrt aus) oder 3. eine Ableitung vom Verb hutzen ‘sich schwingend, schaukelnd bewegen’ darstellen. Im letzten Fall würden wie bei Gockel und Bummer die an den Baumästen schwingenden Kiefernzapfen das Motiv für die Wortbildung liefern.
Das Wort Ackel gehört etymologisch zu Achel ‘Granne’. Der sachliche Zusammenhang ist über die semantischen Merkmale ‹spitz, stachelig› hergestellt. Die sprachhistorische Grundlage bildet indogermanisch *aḱ- ‘spitzig’, auf der auch lateinisch acutus ‘scharf, schneidend’ beruht (vgl. hierzu deutsch akut). Hackel stellt vermutlich eine lautliche Variante von Ackel dar.
Die räumliche Nachbarschaft lässt in Krackel Ackel als Basis vermuten. Der Anlaut Kr- geht offensichtlich auf Verschmelzung mit einem anderen Wort zurück. Zu denken ist etwa an das Verb krachen oder das Schallwort krack, bezogen auf das Geräusch, das entsteht, wenn man auf einen Kiefernzapfen tritt.
Von der Standardsprache beeinflusst scheinen die wenigen, verstreut vorkommenden Ausdrücke Zapfen, Zäpfel, Kiefernzapfen sowie Tannenzapfen zu sein. Zapfen, das vermutlich mit Zipfel und Zopf verwandt ist, geht auf gleichbedeutend westgermanisch *tappōn zurück. Weiteres ist nicht sicher geklärt.
Literatur- und Ortskürzel-Verzeichnis
Die im Text erwähnte Literatur (Literaturverzeichnis) sowie eine Aufschlüsselung der Ortskürzel (Belegorteverzeichnis) finden Sie unter den entsprechenden Links.
Der obenstehende Inhalt ist entnommen aus Drenda, Georg (2014): Wortatlas für Rheinhessen, Pfalz und Saarpfalz. St. Ingbert.