Rheinhessen

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Wahrheit

Karte 55: Wahrheit. Drenda, Georg: Kleiner linksrheinischer Dialektatlas. Sprache in Rheinland-Pfalz und im Saarland, S. 130.[Bild: Georg Drenda (IGL)]

Das sprachliche Element ‑heit dient im Deutschen zur Bildung von Substantiven (Hauptwörtern) vor allem aus Adjektiven (Eigenschaftswörtern). Aus gesund, dumm, trocken, wahr usw. wird durch Anhängen von ‑heit Gesundheit, Dummheit, Trockenheit, Wahrheit. Die Karte zeigt die Variation des Wortbildungselements ‑heit in den Dialekten exemplarisch anhand des Ausdrucks Wahrheit. Zwei Formentypen sind zu konstatieren: 1. ‑icht, z. B. Wuhricht, im Westen des Moselfränkischen und 2. ‑heit in verschiedenen lautlichen Ausprägungen, und zwar als Vollform, z. B. ahäät, als reduzierte Form mit ‑et, Wohret, und schließlich mit dem Element ‑ent, z. B. Wòhrent.

Die volle Endung ‑heit ist in den Dialekten überwiegend als ‑heet, ‑häät oder ‑haat belegt. Es liegt hier also eine reguläre Entwicklung des mittelhochdeutschen Diphthongs (Zwielauts) ei vor, der zu ee, ää, aa usw. wird, man vergleiche z. B. Meester/Määster/Maaster ‘Meister’ (s. auch Karte 26 weiß). Die lautlich reduzierte Form ‑et lässt sich mit den Akzentverhältnissen im Wort erklären: Weil die Endsilbe von Wahrheit nicht betont ist, kann ihr voller Vokal (Selbstlaut) zu dem Murmellaut e abgeschwächt werden. Zudem schwindet das h. Genauso lautet der dialektale Befund zu Dummheit, wobei aber etliche Fälle mit erhaltenem h vorliegen: Dumm(h)et. Vokalabschwächung in unbetonten Silben findet sich über große Flächen auch bei anderen Ausdrücken, man vergleiche beispielsweise Bagges ‘Backhaus’ (ebenfalls mit h-Ausfall; vgl. Karte 42), barwes ‘barfuß’ (vgl. Karte 56) und Orbet ‘Arbeit’.

An der Untermosel ist die Endung ‑ent verbreitet, die dort u. a. auch im zweiten Bestandteil des Wortes Hochzeit vorkommt: Huchzent. Vereinzelt ist sie auch für das Saarland in dem Wort Erwent ‘Arbeit’ belegt. Die sprachgeschichtliche Entwicklung von ‑(h)eit zu ‑ent ist noch nicht geklärt.

Das Westmoselfränkische hat die Endung ‑icht, die in einer Reihe weiterer Wörter vorkommt, z. B. Kochicht ‘Portion (Kartoffeln usw.) für eine Mahlzeit’, Arbicht ‘Arbeit’, Wuhnicht ‘Wohnung’ und Häämicht ‘Heimat’. Sprachhistorisch ist in diesem Fall von der althochdeutschen Wortbildungssilbe ‑ahi auszugehen, die sich zu ‑icht weiterentwickelt hat, wobei t sekundär angewachsen ist. Offenkundig hatte sich ‑icht als Wortbildungselement in den Dialekten verselbständigt, so dass es zur Bildung neuer Zusammensetzungen verwendet werden konnte. Althochdeutschahi, neuhochdeutschicht markieren Kollektive, das sind Wörter, die eine Vielheit als Einheit ausdrücken. Auch in der neuhochdeutschen Standardsprache ist ‑icht zu finden, z. B. in Röhricht (althochdeutsch rōrahi) und Kehricht.

Literaturverzeichnis

Die im Text erwähnte Literatur finden Sie hier (Literaturverzeichnis).

Hinweise zu den Karten

Lesen Sie hier Hinweise des Autors zum besseren Verständnis der Atlaskarten.

Mehr zum Thema

Der obenstehende Inhalt ist entnommen aus Georg Drenda (2008): Kleiner linksrheinischer Dialektatlas. Sprache in Rheinland-Pfalz und im Saarland. Stuttgart.

Zitierhinweis

[Begriff] (Kartennummer), in: Georg Drenda (2008): Kleiner linksrheinischer Dialektatlas. Sprache in Rheinland-Pfalz und im Saarland, digitalisierte Version auf Regionalgeschichte.net, < URL >, abgerufen am TT.MM.JJJJ.

z.B.: suchen (Karte 37), in: Georg Drenda (2008): Kleiner linksrheinischer Dialektatlas. Sprache in Rheinland-Pfalz und im Saarland, digitalisierte Version auf Regionalgeschichte.net, <https://www.regionalgeschichte.net/rheinhessen/sprache/dialektatlas-rlp-saar/begriffe-dialektatlas-rlp-saar/lautkarten/suchen.html>, abgerufen am 01.01.2022.