Rheinhessen

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Rat / Rad

Karte 28: Rat. Drenda, Georg: Kleiner linksrheinischer Dialektatlas. Sprache in Rheinland-Pfalz und im Saarland, S. 74.[Bild: Georg Drenda (IGL)]

Das Wort Rat (Bedeutungen u. a.: 1. ‘Empfehlung’: Diesen Rat gebe ich dir und 2. ‘Abhilfe’, ‘Ausweg’: Ich weiß mir keinen Rat mehr) sowie das Wort Rad (‘Rollkörper’) klingen in der neuhochdeutschen Standardsprache gleich. Rad wird zwar mit d am Ende geschrieben, aber gesprochen wird Rat. (Generell gilt für das Standarddeutsche, dass die Buchstaben b, d, und g, wenn sie am Ende eines Wortes oder einer Silbe stehen, „hart“, also als p, t, k gesprochen werden. Stab, Wald und Krug lauten Stap, Walt, Kruk.)

Wenn man die Karten 28 Rat und 29 Rad miteinander vergleicht, dann fällt auf, dass beide Wörter in den Dialekten bis auf Ausnahmen östlich Triers (s. u.) lautlich nicht zusammenfallen. Um die Divergenz zu erklären, ist ein Blick in die Sprachgeschichte notwendig. Dem heutigen Wort Rat entspricht im Mittelhochdeutschen rât. Wie die Karte 28 zeigt, ist im größten Teil der Dialekte unseres Gebietes altes â zu o „verdumpft“. Westlich einer Linie etwa Saarbrücken – Kusel – Simmern – Bingen wird o offen artikuliert (Ròt). Östlich der Linie ist o geschlossen (Rot). (Weitere Beispiele für „Verdumpfung“ sind: Blos ‘Blase’, Not ‘Naht’, Oder ‘Ader’.) In einem kleinen Areal östlich Trier wird ò zu einem ö-ähnlichen Vokal (Selbstlaut). Der Laut klingt etwa wie ö in standardsprachlich Götter, ist aber gedehnt. Er ist hier durch das Zeichen œ vertreten (Rœt). (Weitere Dialektbelege mit œ sind: Nœt ‘Naht’ und Blœs ‘Blase’.)

Karte 29: Rad. Drenda, Georg: Kleiner linksrheinischer Dialektatlas. Sprache in Rheinland-Pfalz und im Saarland, S. 75.[Bild: Georg Drenda (IGL)]

Unser heutiges Wort Rad geht auf mittelhochdeutsch rat zurück. Der Vokal wird kurz gesprochen; es heißt also ratt. Mittelhochdeutsch a entwickelt sich in den Dialekten in der Regel anders als mittelhochdeutsch â. Die Kürze, mithin der alte Lautstand bleibt bewahrt, wie die Karte 29 zeigt, in den Dialekten um Mayen und westlich von Saarlouis: Ratt. In der Südpfalz ist ebenfalls Kürze des Vokals belegt, aber a „verdumpft“ dort zu o: Rott. Der größte Teil des Kartenfeldes weist gedehntes a auf: Rat. Selten ist in Rheinhessen und in der Pfalz langes offenes o vertreten: Ròt. Wie ist die Vokaldehnung zu erklären? Bereits im Mittelhochdeutschen beginnt man die kurzen Vokale lang zu sprechen, wenn sie am Ende einer Silbe stehen. Hierzu ein Beispiel: Mittelhochdeutsch tragen wurde zuerst traggen gesprochen. Da a am Ende der Silbe steht (tra-gen), erfolgte alsdann Dehnung. Der Genitiv (Wesfall) von mittelhochdeutsch rat lautet rades, der Dativ (Wemfall) rade, folglich begann man in diesen Fällen gemäß der Regel a gedehnt zu sprechen. Das lange a dieser Formen wurde der Einheitlichkeit wegen dann auch auf die grammatischen Kasus (Fälle) übertragen, die keine Flexionsendung (Beugungsendung) haben, also einsilbig sind, das sind der Nominativ (Werfall) und der Akkusativ (Wenfall).

Südöstlich von Trier hat sich wie bei Rat aus offenem o ein ö-ähnlicher Vokal entwickelt: Rœt. Die Gebiete mit œ bei Rat und Rad überlappen sich teilweise. Ein lautliches Zusammengehen beider Wörter, dieses Mal auf der Basis von offenem o (Ròt), ist darüber hinaus nordöstlich von Trier festzustellen. Gleichwohl kann für das Gros der Dialekte konstatiert werden, dass sie die in der Standardsprache gleich klingenden Rat und Rad lautlich auseinander halten.

Literaturverzeichnis

Die im Text erwähnte Literatur finden Sie hier (Literaturverzeichnis).

Hinweise zu den Karten

Lesen Sie hier Hinweise des Autors zum besseren Verständnis der Atlaskarten.

Mehr zum Thema

Der obenstehende Inhalt ist entnommen aus Georg Drenda (2008): Kleiner linksrheinischer Dialektatlas. Sprache in Rheinland-Pfalz und im Saarland. Stuttgart.

Zitierhinweis

[Begriff] (Kartennummer), in: Georg Drenda (2008): Kleiner linksrheinischer Dialektatlas. Sprache in Rheinland-Pfalz und im Saarland, digitalisierte Version auf Regionalgeschichte.net, < URL >, abgerufen am TT.MM.JJJJ.

z.B.: suchen (Karte 37), in: Georg Drenda (2008): Kleiner linksrheinischer Dialektatlas. Sprache in Rheinland-Pfalz und im Saarland, digitalisierte Version auf Regionalgeschichte.net, <https://www.regionalgeschichte.net/rheinhessen/sprache/dialektatlas-rlp-saar/begriffe-dialektatlas-rlp-saar/lautkarten/suchen.html>, abgerufen am 01.01.2022.