Mainz in Rheinhessen

Der Mainzer Stadtkämmerer in der Stauferzeit

Überblick

Der Kämmerer der Stadt Mainz wurde im Hochmittelalter zum höchsten städtischen Beamten. Er repräsentierte das weltliche Gericht und war somit zuständig für Fälle der Nieder-, als auch der Hochgerichtsbarkeit. Hauptsächlich fielen in seinen Aufgabenbereich die Gerichtsbarkeit über Eigen und Erbe. Zu Beginn des 13. Jahrhunderts bildete sich ein Stadtgericht unter seinem Vorsitz mit dem Schultheißen als Stellvertreter und vier weltlichen Richtern. Mit den erzbischöflichen Privilegien von 1244 erhielten die Mitglieder des Stadtgerichts auch den Vorsitz über den neugegründeten Stadtrat.

Zwei Kämmerer müssen vorab unterschieden werden. Der Oberkämmerer – oder erzbischöfliche Kämmerer – der hauptsächlich an der Seite des Erzbischofs anzutreffen war und sich vor allem mit erzstiftischen Angelegenheiten befasste. Der Unter- oder Vizekämmerer war in erster Linie mit städtischen Angelegenheiten betraut. Erst im 13. Jahrhundert werden die Unterscheidungen fließend.

Der Kämmerer in seiner Anfangszeit

Das erzbischöfliche Kämmereramt existierte in Mainz schon seit dem Ende des 10. Jahrhunderts. Erzbischof Willigis ernannte den Grafensohn Burchard in den 90er Jahren nicht nur zum Propst von St. Viktor, sondern machte ihn auch zu seinem Kammermeister und zum ersten Mann der Stadt. Viele der Kämmerer, die Burchard in dieses Amt folgten, stiegen daraufhin noch weiter auf. Burchard wurde im Jahr 1000 Bischof von Worms, ein anderer Bischof von Utrecht, einer Bischof von Basel, einer Erzbischof von Magdeburg. Auch der Mainzer Erzbischof Arnold von Selenhofen (1153-1160) war zunächst Stadtkämmerer. Im 10. und 11. Jahrhundert gingen die Kämmerer noch aus dem geistlichen Stand, bzw. dem Domkapitel, hervor. Zur Mitte des 11. Jahrhunderts fand sich dann erstmalig ein Laie in dem Amt. 1056 wurde ein „Ernust camerarius“ erwähnt. Die Festigung des Laienkämmereramtes geschah wohl gegen Ende des 11., Anfang des 12. Jahrhunderts. Der Erzbischof war aus der Stadt geflohen und das Kämmereramt wurde von einem Embricho besetzt. Als Erzbischof Ruthard schließlich zurückkehrte, teilte er das Amt in einen Stadtkämmerer („camerarius urbis“) und einen Hofkämmerer („camerarius curiae“), die er beide sogleich mit Klerikern besetzte. Dennoch behielt Embricho sein Amt bis 1112. Die Zweiteilung der Stadtkämmerer in geistlich und weltlich blieb wohl auch das gesamte 12. Jahrhundert bestehen.

Dass das Laienamt tatsächlich weiterbestehen konnte, ging vermutlich auf die häufige Abwesenheit des geistlichen Kämmerers zurück. Häufige Reisen für den Erzbischof, oder auch die zugleich noch ausgeführte Funktion als Pröpste eigener Stifter und Klöster sowie Aufgaben für das Reich, hielten ihn oft von der Stadt fern.

Zu dem Amt gehörten wohl anfänglich auch Richteraufgaben am Hof des Erzbischofs. Denn in diesem hatte der juristisch für die Stadt Mainz verantwortliche Burggraf kein Gerichtsrecht. Dieses stadtherrliche Burggrafenamt entfiel jedoch im Laufe des 12. Jahrhunderts. Ursprünglich hatten die Grafen von Looz-Rieneck das Amt als erzbischöfliches und erbliches Lehen seit einigen Generationen inne. Grund für den Amtsverlust mag die Machtzunahme des Laienkämmerers gewesen sein. Denn diese konnten eben auch das burggräfliche hohe Gericht ausfüllen und waren zugleich durch Kontrolle über die Amtsvergabe stärker an den Erzbischof gebunden. Daher vertraten sie den Burggrafen in seiner Abwesenheit zunächst auch und übernahmen in Mainz nach dessen Amtsverlust den Vorsitz über das Weltliche Gericht. Dennoch schienen die Ministerialen im 12. Jahrhundert stets ein niederes Amt neben den geistlichen Kämmerern zu tragen. Kämmerer Gottschalk findet sich in einer Urkunde von 1135 als „minor camerarius“, 1155 wird ein Laie als „Unterkämmerer“ bezeichnet.

 

Der Kämmerer in der späten Stauferzeit

Im 13. Jahrhundert gewann der weltliche Kämmerer an Bedeutung. Lediglich Konrad von Isenburg, 1216 als „maior prepositus et camerarius“ (Dompropst und Kämmerer) bezeichnet, fand als geistlicher Kämmerer zumindest Erwähnung. Ansonsten schienen sich die weltlichen Stadtkämmerer zunächst durchgesetzt zu haben. 1239 erschien Arnold zum Turm noch als Vizekämmerer. Man kann aus dieser Erwähnung des Vizekämmerers weiterhin eine hierarchische Ordnung des weltlichen Kämmereramtes folgern. Zwei Fälle einer Erblichkeit des Amtes – ähnlich wie in Worms – verstärken den Gedanken, dass der Laie sich immer stärker durchsetzte. Der erste dieser Fälle begann bereits gegen Ende des 11. Jahrhunderts (mit dem bereits genanntem Embricho), bis ins Jahr 1215 in der Familie derer von Weisenau (auch Dudonen oder Meingoten genannt). Außerdem in der Familie vom Turm, die von 1239 bis 1294, möglicherweise auch bis 1300 das Amt des Kämmerers in ihrer Familie behielt. Eine tatsächliche Erblichkeit ist jedoch nicht belegt. Lediglich die Nachfolge durch Familienmitglieder weist daraufhin.

Obwohl es Überschneidungen im Amt gab, lässt sich eine konkrete Amtsteilung wie im 12. Jahrhundert in Laien (Ministeriale) und Kleriker nicht mehr finden. Neben dem einzigen Kleriker, Konrad von Isenburg, hatten Ministerialen des Erzstifts (Dudo und Embricho von Weisenau), Ministerialen der Stadt (Arnold zum Turm, sein Sohn Eberhard und sein Enkel Eberhard) und adelige (Arnold Rufus, Friedrich von Kelberau) das Amt inne.

Dennoch finden sich auch hier Unterschiede. Die Trennung des Amtes erfolgt nun wohl nicht mehr wie im 12. Jahrhundert nach Kleriker und Laie, sondern auf ständischer Ebene. Arnold Rufus, Arnold zum Turm und die von Weisenau lassen sich einem niederen ständischen Rang zuordnen, womöglich begleiteten sie das ehemalige Unterkämmereramt. Kämmerer Konrad und Friedrich von Kelberau lassen sich den Quellen zufolge dem Oberkämmereramt zuordnen. Man könnte sie auch als erzbischöfliche Kämmerer oder Hofkämmerer bezeichnen. Die Grenzen waren zwar fließend, dennoch lassen sich Unterscheidungen finden. Traf man die „Unterkämmerer“ in städtischen Angelegenheiten an, so waren die „Oberkämmerer“ hauptsächlich in Sachen des Erzstifts unterwegs. Allerdings urkundeten und zeugten die „Oberkämmerer“ auch in städtischen Belangen.

Eine besondere Aufmerksamkeit verdient noch der Stadtministeriale und Kämmerer Arnold zum Turm. Dass er Anfang der 1230er Jahre als erster Mainzer Bürger zum Stadtkämmerer ernannt wurde, passt in die freiheitliche Entwicklung der Stadt. Ihr Streben nach Eigenständigkeit wurde immer erfolgreicher. 1236 erhielt sie gleich zwei königliche Privilegien und 1244 ihr bedeutendstes, das erzbischöfliche Privileg, welches ihr unter anderem einen eigenen Rat zugestand.

Es war auch der Kämmerer Arnold, der an der Seite des Mainzer Walpoden Arnold dem 1254 gegründeten Rheinischen Städtebund vorsaß. Der Städtebund wurde zu einem kurzen, doch gewaltigen Verbundstreben deutscher Städte. Ausgehend von Mainz und Worms breitete er sich den Rhein und seine Nebenarme entlang auf über 60 Städte aus. Auch zahlreiche Fürsten schlossen sich dem Verbund an. Ziel des Bundes war die Wahrung von Frieden, sowie ein gemeinsames wirtschaftliches Streben. Schon mit der königlichen Doppelwahl im Jahr 1257 brach der Bund jedoch auseinander.

Arnold ist auch in jener Hinsicht bemerkenswert, dass er wohl zunächst als Unterkämmerer fungierte. 1239 nennt eine Quelle ihn Vizekämmerer – Oberkämmerer zu der Zeit war ein Rupert. Im Laufe der Zeit übernahm er jedoch immer mehr Verantwortung in außerstädtischen Angelegenheiten, wie vor allem der Rheinische Städtebund beweist, und verband Ober- und Unterkämmereramt in seiner Person. Außerdem waren nach 1236 keine weiteren Kämmerer außerhalb seiner Familie bekannt, bis im 13. Jahrhundert wieder Kleriker das Amt des wichtigsten Mainzer Bürgers übernahmen. Nach ihm übernahmen sein Sohn und nach diesem sein Enkel das Amt. Arnolds Bruder Hermann war zugleich auch Schultheiß von Mainz. Seine Nachfahren nannten sich Gensfleisch und Gudenberg.

 

Büttner, Heinrich; Mittelrhein und Hessen. Nachgelassene Studien, Stuttgart 1989.

 

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