0.Mainz in der Reformationszeit
0.1.Die Bedeutung Albrechts von Brandenburg (1514-1545)
Als Albrecht von Brandenburg 1514 zum Erzbischof von Mainz und damit zum Kurfürsten gemacht wurde, waren sich alle der Bedeutung der Wahl bewusst - wurde der Mainzer Kurfürst doch als 'wichtigster Mann nach dem Kaiser' gehandelt. Dass seine Wahl die weltgeschichtlich-bedeutende Bewegung der Reformation hervorrufen sollte, ahnte jedoch niemand.
Bei der sehr umkämpften und umworbenen Wahl 1514 konnte sich Albrecht von Brandenburg - der Bruder des Kurfüsten Joachim I. von Brandenburg - durchsetzen. Dafür gab es vor allem zwei Gründe: die Wahl des Brandenburgers erschien als geeignetes Mittel zur Sicherung der Mainzer Besitzungen und Rechte in Thüringen. Außerdem wollten die Hohenzollern die mit der Wahl verbundenen Zahlungen an Rom selbst begleichen und nicht dem Erzistum Mainz aufbürden.
Mit Mainz übernahm Albrecht eines der größten Bistümer des Reiches, ca. 320.000 Einwohner befanden sich nun unter seiner Herrschaft. Umgehend leitete der neue Kurfürst in kirchlichem und weltlichem Bereich Reformen ein: Rechtswesen und Verwaltung wurden modernisiert, Kompetenzen geklärt und die Arbeitsgänge effizienter gemacht. Diese 'moderne Staatswerdung' hatte Methode, stärkte sie doch durch spezielle Verordnungen die landesherrliche Zentralgewalt.
Als Martin Luther im Oktober 1517 ein Ende des Ablasshandels forderte und dieses Schreiben mit seinen angefügten 95 Thesen zur Kirchenreform formulierte, dachte er dabei an Albrecht von Brandenburg, der sich als großer Förderer des Ablasshandels einen Namen gemacht hatte. Was war geschehen?
Albrecht von Brandenburg war seit 1513 Erzbischof von Magdeburg, außerdem hatte er weitere Titel und Zuständigkeiten inne. Die Wahl zum Erzbischof von Mainz bedeutete eine Ämterhäufung, die nach kirchlichem Gesetz verboten war, jedoch gegen Zahlung hoher Summen häufig geduldet wurde - übliche Praxis in der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Kirchenpolitik. Für die Zahlung dieser Summe hatte er bei den Fuggern einen Kredit aufgenommen, den er über Einnahmen aus dem von Leo X. verkündeten Ablasshandel zu decken suchte. Sein Magdeburger Subkommissar Johann Tetzel setzte jedoch derart harte Methoden beim profitreichen Ablasshandel ein, dass Luther erzürnt zum Federkiel griff.
Albrecht erreichten die Dokumente im November 1517, ohne Antwort der von ihm über die Dokumente einberufenen Gutachter abzuwarten, reichte er die Unterlagen am 13.12.1517 an Rom weiter.
0.2.Die Reformation in Mainz
Die sich schnell ausbreitende reformatorische Bewegung fand früh Eingang in die Stadt Mainz, die Universität mit ihrem Kreis von Humanisten leistete dem Vorschub. Zentralfiguren der Reformation in Mainz waren zunächst Wolfgang Fabricius Capito und Kaspar Hedio, beide in Basel ansässig, die auf Geheiß Erzbischofs Albrecht 1520 als Domprediger nach Mainz gerufen wurden. Beide hatten die Hoffnung gehegt, den jungen Kurfürsten für die Reformation zu begeistern - wofür die Anzeichen gegeben waren: er stand dem Humanismus offen gegenüber, lobte Luther für seine Reformideen und weigerte sich, das Edikt gegen Luther auf dem Wormser Reichstag von 1521 zu unteschreiben. Außerdem verzögerte er die Veröffentlichung der kaiserlichen Achterklärung im Erzstift Mainz bis 1524.
Auch die Bürger zeigten sich für Luthers Ideen begeistert: gegen die öffentliche Verbrennung der Lutherschriften gab es Ende 1520 so viel Protest, dass das Prozedere verschoben werden musste; der päpstliche Nuntius Aleander musste gar Übergriffe fürchten.
Bei der Niederschlagung der Sickingschen Fehde ab 1522 kam es zu einem Zerwürfnis zwischen dem Mainzer Erzbischof und dem Fürstenbündnis um den Trierer Erzbischof, so dass dieser Albrecht seine Hilfe verweigerte. Dies brachte ihm eine Kriegsandrohung ein, erst durch Zahlung konnte die Gefahr beigelegt werden. Albrecht geriet in den Verdacht, die Reformation zu unterstützen - und ging gegen dieses Bild vor: im September 1523 erließ er eine Order, gegen die 'lutherische Sekte' vorzugehen. In der Praxis bedeutete dies, dass die Veröffentlichung von lutherischem Schriftgut untersagt, antiklerikale und kritische Theateraufführungen verboten und Geistliche angewiesen wurden, in Predigt und Seelsorge lutherische Auslegungen der Christlichkeit zu unterlassen. Ungehorsame Kleriker wurden inhaftiert, die führenden Köpfe Capito und Hedio verließen die Stadt in Richtung Straßburg.
0.3.Bauern- und Bürgeraufstand in Mainz
Im März griff die Bewegung der Bauernaufstände unter Führung Götz von Berlichingens auch auf das Kurmainzer Gebiet über: die Welle nahm ihren Weg über Aschaffenburg und den Rheingau, am 19. Mai musste das Mainzer Domkapitel den Bauern ihre Forderungen vertraglich zusichern. Diese umfassten die Behebung und Reform von Missständen, konkret z.B. freie Pfarrerwahl. Lange erfreuen an den Zugeständnissen konnten sich die Aufständischen jedoch nicht, da ihre Bewegung durch den Schwäbischen Bund - ein Bündnis von Fürsten - Stück für Stück niedergeschlagen wurde und sie sämtliche Zugeständnisse einbüßten.
Kurfürst Albrecht von Brandenburg zeigte sich zwar bis nach dem Scheitern der Religionsgespräche von 1541 (Verlust des Erzbistums Magdeburg) eher milde im Vorgehen und kompromissbereit gegenüber den Lutheranern, doch sein grundsätzliches Bekenntnis zum alten Glaube blieb unumstößlich.
0.4.Katholische Reformen
Der nach dem Tod Albrechts von Brandenburg am 20. Oktober 1545 zum neuen Erzbischof gewählte Mainzer Domscholaster Sebastian von Heusenstamm machte bald klar, dass er eine kirchen- und reichstreue Politik verfolgen werde, blieb jedoch in seinem Ton vermittelnd. Zur Feststellung von Missständen und Reformbedürfnissen wurde von Oktober 1548 bis Mai 1550 eine Gesamtvisitation der Mainzer Diözese durchgeführt - aufgrund von Verweigerungen und anderen Problemen konnte jedoch nicht das gesamte Gebiet erfasst werden. Dem Sprengel waren durch die Reformation bereits ca. 300 Pfarreien und 300 Klöster und Stifte verlorengegangen - selbst für das große Gebiet eine schmerzlich hohe Zahl.
Die Mainzer Diözesansynode 1548 wurde von nur 76 Teilnehmern besucht. Dies war wohl auch der Grund, warum die wichtigen theologischen und kirchlichen Angelegenheiten nur beiläufig behandelt wurden; im Mai 1549 fand ein Provinzialkonzil in Mainz statt. Die beiden Beratungen verfassten Vorschriften und Anstöße zur Verbesserung der Disziplin bei Klerus und Laien, Reform der sich in der Krise befindlichen Mainzer Universität, Vereinheitlichung der Liturgie, Erarbeitung neuer liturgischer Bücher. Diese Beschlüsse sowie eine Sammlung bibeltheologisch orientierter Katechismuspredigten wurden in großer Auflage gedruckt und rasch verbreitet.
Im August 1551 reiste Erzbischof von Heusenstamm zur neuen Tagungsperiode des Trienter Konzils, wo er erneut als besonnener Vermittler mit großer Sachkenntnis auftrat und von allen Anwesenden - auch den protestantischen Delegierten - respektvoll geschätzt wurde.
0.5.Die Einnahme von Mainz 1552
Die Fehde des protestantischen Markgrafen Albrecht Alcibiades von Brandenburg-Kulmbach sollte zum Ziel haben, ihm durch Bereicherungen in geistlichen Gebieten zu größerer Macht zu verhelfen. Nachdem der Aggressor bereits in den Hochstiften Bamberg und Würzburg sowie in Tauberbischofsheim gebrandschatzt hatte und sich auch von hohen Geldangeboten nicht abwehren ließ, überfiel er im Juli 1552 Aschaffenburg und rückte im August in Mainz ein. Erzbischof Sebastian und das Domkapitel waren bereits geflohen, als Albrecht Alcibiades viele geistliche Gebäude wie den Bischofsheim, St. Alban sowie die Martinsburg den Flammen übergab. Als die Belagerer abzogen, war die Stadt zerstört und das Erzstift musste sich von großen Schäden erholen.
Nachdem Kaiser Karl V. dem Mainzer Erzbischof nicht zur Hilfe kam, überdachte dieser sein Sicherheitskonzept: nicht mehr in der Festigung der kaiserlichen Position sah er den Ausweg der konfessionellen Gemengelage, sondern hielt vielmehr eine Stärkung des Reichsstände und eine Wiederbelebung des Landfriedens für die Lösung - dafür war jedoch ein Ausgleich zwischen den Konfessionen unumgänglich, eine Lösung in der Religionsfrage musste her. Erste Schritte dorthin waren der Passauer Friedensvertrag von 1552, letztendlich wurde der Reichsreligionsfrieden in Augsburg am 25. September 1555 beschlossen, den Heusenstamm jedoch nicht mehr erlebte.
0.6.Die Stadt nach 1555
Am 18. April 1555 wurde mit nur einer Stimme Vorsprung Daniel Brendel von Homburg zum neuen Erzbischof gewählt. Sein härtester Widersacher war Reichard von Simmern, Domprobst von Straßburg und Domherr von Köln, Mainz, Speyer und Bamberg, der eine klare Neigung zur Reformation besaß und der bei einigen Fürsten die Hoffnung nährte, den wichtigen Mainzer Posten für die Sache der Protestanten gewinnen zu können.
Nach der Wahl nahm Erzbischof Daniel alsbald mit voller Kraft seine geistlichen und weltlichen Aufgaben in Angriff, war er doch vorher ein eher unbeschriebenen Blatt. Zügig nahm er den Wiederaufbau der von Albrecht Alcibiades zerstörten Stadt Aschaffenburg in Angriff. Mainz dagegen setzte er diesbezüglich erst einmal nicht in den Fokus, war in der Stadt doch noch immer eine starke Neigung zu reformatorischen Strömungen zu verspüren. Die von ihm durchgesetzte Erneuerung der Mainzer Erzkanzlerrechte 1559 stärkte seine Position im Reich und gegenüber den protestantischen Reichsständen. Auch begann er mit Verordnungen und Verfügungen zielstrebig in die klerikale und konfessionelle Struktur des Erzstifts einzugreifen.
0.7.Das Wirken der Jesuiten
Zwecks Restaurierung der katholischen Glaubens- und Lebensstruktur wurden die Jesuiten per Vertrag vom 21. März 1561 nach Mainz geholt. Bereits 1542/43 hatte es derartige Pläne gegeben, die erste Jesuiten-Niederlassung auf deutschem Boden sicherte sich jedoch Köln. Zweck der Ansiedlung sollten vor allem besser ausgebildete Seelsorger im Land sein und man unterstütze den Orden mit großzügigen Finanzspritzen.
Die im November 1561 eröffnete Jesuitenschule in Mainz konnte bald eine Zahl von 500 bis 800 Schülern verbuchen. Ihr Ansehen stieg noch, als Kurfürst Daniel Brendel von Homburg den Jesuiten mehrere Lehrstühle an der Universität übertrug - gegen den Widerstand von Universitätsleitung und des Domkapitels. Die Jesuiten übernahmen für die nächsten zwei Jahrhunderte die Vorrangstellung in Universität, Bildung und Kultur in der Stadt, außerdem hatten ihre Predigt- und Seelsorgetätigkeiten die Mainzer Bevölkerung wieder in 'katholisches Fahrwasser' zurückgeholt. Durch Methoden wie Theateraufführungen und Einsatz der Presse zur Verbreitung religiöser Literatur muteten ihre pastoralen und didaktischen Vorgehensweisen geradezu modern an. Dies förderte die Teilnahmen am kirchlichen Leben, so konnte die Fronleichnamsprozession 1576 erstmals seit Jahrzehnten wieder eine rege Teilnahme der Mainzer Bürger verbuchen.
Nach dem durchschlagenden Erfolg der Jesuitentätigkeit in Mainz wurde ihr Wirken auf das gesamte Stift ausgeweitet. Während sich die Kurfürsten im Laufe der nächsten Jahrzehnte in anderen Teilen ihres Herrschaftsgebietes noch mit reformatorischen Strömungen auseinandersetzen mussten und verschärftes Vorgehen Eingang in die fürstliche Politik fand, war Mainz nachhaltig für die katholische Konfession gewonnen.
1602 fand in Mainz ein besonderes Ereignis statt: das "Heilige Jahr" wurde mit feierlichen Gottesdiensten begangen und mit einer prunkvoll gestalteten Prozession nach "Heilig Kreuz" vor den Toren der Stadt beendet. Im Nachklang dieser erneuerten Religiosität wurden in Mainz eine Marianische Kongregation (1609) und eine sakramentale Bruderschaft in St. Quintin (1624) gegründet, außerdem kehrten 1612 die Franziskaner in die Stadt zurück. Da die Jesuiten 1577 das alte Jesuitenkloster zugesagt bekommen hatten, musste der Orden neue Räumlichkeiten beziehen, konnte jedoch ab 1622 den Bau einer neuen, eigenen Kirche in Angriff nehmen und die Präsenz des Ordens in der Stadt sichern.
1618 wurde eine Kapuzinerniederlassung in Mainz begründet: der reformierte Zeig der Franziskaner war aufgrund ihres volksnahen, einfachen Lebens und ihrer verständlichen, alltagsbezogenen Predigten beliebt - dieser Umstand führte zu zahlreichen Klostergründungen in jener Zeit. Auch die Kapuziner bemühten sich um die katholische Wiederbelebung und leisteten gegenreformatorische Arbeit - nicht nur in der Stadt Mainz, sondern im gesamten Herrschaftsgebiet.
Bearbeiterin: Katharina Üçgül
Verwendete Literatur:
- Jürgensmeier, Friedhelm: Kurmainz, in: Schindling, Anton/Ziegler, Walter (Hg.): Die Territorien des Reichs im Zeitalter der Reformation und Konfessionalisierung. Land und Konfession 1500-1650. Band 4: Mittleres Deutschland, Münster 1992, S. 60-97.
- Schnettger, Matthias: Rheinhessen in der Frühen Neuzeit, in: Kreuz-Rad-Löwe. Vortragsveranstaltungen anlässlich der Autorentage des Projekts 'Handbuch der Geschichte von Rheinland-Pfalz' am 24. April 2009 und am 17. September 2010 (Schriftenreihe des Landtags Rheinland-Pfalz 52), hrsg. vom Präsidenten des Landtags Rheinland-Pfalz, Mainz 2011.
Verfasst am: 24.03.2013