Der Mainzer Dativius Victor-Bogen
Bei Baumaßnahmen zwischen 1898 und 1911 wurden im Bereich der Straßen "Martinstraße" und "Am Gautor" insgesamt 43 Architekturquader gefunden, die alle in Zweitverwendung (Spolien) in die spätantike Stadtmauer eingemauert worden waren. Es handelte sich um die Überreste eines Ehrenbogens. Die Gesamtzahl der Bauglieder wird auf 75 geschätzt (somit sind ca. 2/3 der ursprünglichen Bausubstanz erhalten – ein glücklicher Umstand gemessen an sonstigen Mainzer Verhältnissen).
Der Ehrenbogen ist 6,50 Meter hoch, ca. 4,50 Meter breit und misst in der Tiefe 0,70 Meter. Der überwölbte Durchgang ist 2,40 Meter breit und 3,90 Meter hoch. Das Monument trägt auf der gesamten Schauseite Verzierungen. Über einem Gesims befindet sich eine Inschrift, die nach epigraphischen Gesichtspunkten in das 3. Jahrhundert n.Chr. zu datieren ist:
IN H(onorem) D(omus) D(ivinae) I(ovi) O(ptimo) M(aximo) CONSERVATORI ARCUM ET PORTICUS | QUOS DATIVIUS VICTOR DEC(urio) CIVIT(atis) TAUN(ensium) SACERDOTALIS MO | GONTIACENSIBUS PROMISIT VICTORII URSUS FRUM(entarius) ET LUPUS | FILII ET HEREDES CONSUMMAVERUNT.
"Zu Ehren des Kaiserhauses haben dem Jupiter Optimus Maximus Conservator den Bogen und die Säulenhalle, die Dativius Victor, Ratsherr der Gebietskörperschaft der Taunenser (= Frankfurt-Heddernheim-Nidda) und ehemaliger Priester, den Bürgern von Mainz versprochen hatte, seine Söhne und Erben, Victorius Ursus, Frumentarius (= Versorgungsbeamter und Polizist?), und Victorius Lupus fertig errichten lassen."
Der Bogen wurde also von Dativius Victor, einem Ratsherrn und Priester aus dem 40 Kilometer von Mainz entfernten Nidda (heute Frankfurt-Heddernheim), für die Bürger der Stadt Mainz gestiftet. Mit der Säulenhalle ist wohl der Bau gemeint, der sich – wie an den Kämpfern (Stützen) an der Außenseite zu erkennen ist – an den Bogen anschloss.
Möglicherweise stiftete Dativius Victor den Bogen aus Dankbarkeit für die Aufnahme in Mainz. 260 n. Chr. waren aufgrund der drohenden Germanenüberfälle der Limes und damit die rechtsrheinischen Gebiete aufgegeben worden. Der Rhein war nun wieder die Grenze zu den Germanen und musste entsprechend gesichert werden. In dieser Phase wurde die Stadt mit einer Mauer umgeben, und zahlreiche Bewohner rechtsrheinischer, römischer Siedlungen zogen sich in den Schutz der Stadt zurück. Dies ist möglicherweise der Hintergrund für die Stiftung des kleinen Ehrenbogens und der dazugehörigen Säulenhalle.
Der Fundort der Säulenfragmente und weitere Funde im Bereich östlich des Fichteplatzes weisen darauf hin, dass Bogen und Säulenhalle ursprünglich in diesem Bereich standen. Heute befindet sich das Original im Landesmuseum.